Tatort Folge 400: Schwarzer Advent

Kurz und knapp – darum geht’s

Ein psychisch labiler Versicherungsvertreter, seiner Familie und seines Jobs beraubt, versucht verzweifelt, seinem aus Chile anreisenden Vater eine heile Welt vorzuspielen. Als seine Ex-Frau sich weigert mitzumachen, kommt es zu einer tödlichen Konfrontation, nach der er seine beiden Kinder in seine Gewalt bringt und eine Prostituierte als Ersatz-Ehefrau engagiert. Für die Münchner Kommissare Batic und Leitmayr beginnt ein dramatischer Wettlauf gegen die Zeit, denn je mehr die inszenierte Familienidylle zu bröckeln droht, desto gefährlicher wird die Situation für die unschuldigen Kinder.

Inhalt der Tatort-Folge „Schwarzer Advent“

Verzweifelt steht Rainer Wenisch vor dem Spiegel, das Gesicht vom flackernden Licht der Zimmerlampe unheimlich verzerrt. Um ihn herum die traurigen Überreste seiner einstigen bürgerlichen Existenz – eine leere Wohnung, die nichts mehr von Familienglück erzählt. Draußen liegt das winterliche München unter einem grauen Himmel, der die Tristesse seines Lebens zu spiegeln scheint.

Wenisch, brillant verkörpert von Christian Berkel, ist ein Mann am Abgrund. Ein gescheiterter Versicherungsvertreter, von seiner Frau verlassen, das Sorgerecht für seine Kinder verloren, und nun will auch noch sein dominanter Vater aus Chile anreisen – der Vater, dessen Anerkennung er sein Leben lang vergeblich suchte. „Vielleicht will er einfach nur ein guter Vater sein“, mutmaßt Kommissar Batic später, der selbst gerade in einer kleinen Identitätskrise steckt und eine seltsame Verbindung zu dem Täter spürt.

Der Besuch bei seiner Ex-Frau sollte alles ändern. Nur ein Wochenende lang die perfekte Familie spielen – doch statt Verständnis erntet Wenisch nur Ablehnung. Ein fataler Moment der Unachtsamkeit, ein Stoß, ein tödlicher Unfall. „Es war nicht meine Schuld“, wird er später stammeln, während seine Augen etwas anderes verraten. Der Tod seiner Ex-Frau wird für ihn zum Startschuss einer bizarren Inszenierung: Er holt seine Kinder Leo und Natascha unter einem Vorwand zu sich und quartiert sich in der Villa seines abwesenden Chefs ein.

Die Kommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr tapsen zunächst im Dunkeln. Ihre Suche gleicht dem Versuch, ein Phantom zu fassen, das seine Spuren gut zu verwischen weiß. In der winterlichen Kälte Münchens, wo die Weihnachtsmärkte bereits ihre Lichter aufgestellt haben, wirkt der Fall umso düsterer. Immer wieder sind sie dem Täter auf den Fersen, doch wie durch ein böses Schicksal kommen sie stets zu spät.

Als die Ermittler herausfinden, dass Wenisch sich mit seinem Sohn in einem Eishockeystadion aufhalten könnte, folgt eine atemlose Jagd durch eine Arena voller euphorischer Fans. Die Gesichter der Zuschauer, mit bunten Farben bemalt, bilden einen grotesken Kontrast zu den angespannten Mienen der Kommissare. Zwischen Jubel und Buhrufen spielt sich ein Drama ab, das niemand bemerkt – bis es zu spät ist.

Je tiefer Batic und Leitmayr in den Fall eintauchen, desto mehr enthüllt sich das erschütternde Psychogramm eines Mannes, der zeitlebens am Schatten seines übermächtigen Vaters zerbrochen ist. Wenischs bizarre Familien-Inszenierung mit der Prostituierten Yvette als Ersatz-Ehefrau erscheint plötzlich nicht mehr nur krankhaft, sondern tragisch – der letzte verzweifelte Versuch, dem eigenen Vater und vielleicht auch sich selbst zu beweisen, dass er kein Versager ist.

Als Wenischs Vater schließlich in München eintrifft, spitzt sich die Situation dramatisch zu. Die sorgsam aufgebaute Illusion der heilen Familie droht zu zerbrechen, und die Gefahr für die Kinder wächst mit jeder Minute. Die Kommissare stehen vor der schwersten Entscheidung ihres Falls: Wie rettet man Kinder aus der Gewalt eines Vaters, der zwischen liebevoller Fürsorge und gewalttätigen Ausbrüchen schwankt?

Hinter den Kulissen

„Schwarzer Advent“ ist die 400. Folge der Tatort-Reihe und der 21. Fall der Münchner Kommissare Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl). Der vom Bayerischen Rundfunk produzierte Film wurde unter der Regie von Jobst Oetzmann gedreht und am 8. November 1998 im Ersten Programm der ARD erstausgestrahlt.

Die Erstausstrahlung erreichte beachtliche 7,93 Millionen Zuschauer und einen Marktanteil von 22,03 Prozent für Das Erste – ein klarer Beleg für die Anziehungskraft dieses ungewöhnlichen psychologischen Krimis, der deutlich von den damals üblichen Tatort-Formaten abwich.

Für seine außergewöhnliche darstellerische Leistung wurde Hauptdarsteller Christian Berkel 1998 mit dem Goldenen Gong ausgezeichnet. Besonders sein eindringliches Mienenspiel unter der Eishockey-Fan-Maske blieb vielen Zuschauern und Kritikern im Gedächtnis. Der Spiegel hob genau diese Szene in seiner Kritik besonders hervor.

Im Gegensatz zu vielen anderen Tatort-Folgen verzichtet „Schwarzer Advent“ weitgehend auf die sonst üblichen skurrilen Nebenstränge und humorvollen Einlagen. Stattdessen konzentriert sich das Drehbuch ganz auf das Familiendrama und die psychologische Tiefe der Hauptfigur. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung lobte diesen Ansatz und betonte, dass der „eher stereotyp angelegte Vater-Sohn-Konflikt“ durch Berkels Darstellung „an Tiefe gewinnt“.

Aufmerksame Zuschauer entdeckten in dem Film auch ein nicht ganz subtiles Product Placement der Münchner Firmen Dallmayr Prodomo und Hacker-Pschorr, ein für die damalige Tatort-Reihe eher ungewöhnliches Element. Trotz einiger inszenatorischer Schwächen, wie der unrealistisch dargestellten Szene im Eishockeystadion, gilt „Schwarzer Advent“ heute als herausragender Beitrag zur Tatort-Reihe der 90er Jahre.

Videos zur Produktion

ARD Trailer

Besetzung

Miroslav Nemec: Kriminalhauptkommissar Ivo Batic
Udo Wachtveitl: Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr
Christian Berkel: Rainer Wenisch
Julia Richter: Yvette
Hans-Michael Rehberg: Rudolf Wenisch
André Emanuel Kaminski: Leo Gruber
Nina Szeterlak: Natascha Gruber
Ute Heidorn: Kirstin Gruber
Renate Grosser: Ilona Gruber
Michael Fitz: Kriminaloberkommissar Carlo Menzinger

Stab

Drehbuch: Christian Limmer
Regie: Jobst Oetzmann
Kamera: Peter Döttling
Musik: Dieter Schleip
Produktion: Silvia Koller
Schnitt: Helga Kriller

Bilder: BR/Robert Mayer

12 Kommentare

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  1. vor 16 Jahren

    Hallo,

    der tatort war gut, die Rolle des Familienvaters war sehr gut besetzt.

    Welcher Kommissar stand vor der Tür der Villa und wurde vom Familienvater mit Hilfe der Hauskamera beobachtet ?

  2. vor 10 Jahren

    Der Tatort Nummer 400 aus München, mit den beiden Hauptkommissaren Batic und Leitmayr von der dortigen Mordkommission. Ein Tatort-Thriller vom Feinsten. Ein psychopathischer Mensch bringt seine Ehefrau um, heuchelt den Kindern dennoch eine heile Welt vor und engagiert als Ersatzfrau eine Nutte. Aber nicht mit Batic und Leitmayr. Die ziehen immer noch ein AS aus ihren geschundenen Jacketts. Den habe ich schon in Erstsendung gesehen, die schauspielerischen Wechsel von Gut und Böse sind immer wieder faszinierend. Man lese nur die Besetzungsliste.

  3. vor 10 Jahren

    Der Tatort ist so heftig und nah dran, dass ich abgeschaltet habe. Es kommt wirklich zur Katastrophe. Sehr gut gespielt und dargestellt. Nichts für empfindliche Gemüter.

  4. vor 10 Jahren

    … einfach toll, die Kommissare in Hochform, Christian Berkel großartig und Michael Fitz … schön wieder einmal zu sehen.

    (Achte auf alle Filme mit Michael Fitz und höre auch seine Musik!)

    Finde alle Bayern-Tatorte gut, dieser ist besonders gelungen!!!

    Beste Grüße vom Fan abalone … :-)

  5. vor 10 Jahren

    @Elke Petri > Batic stand vor der Tür, er konnte nichts hören und sehen ,,,

  6. vor 10 Jahren

    Fand den Tatort einfach nur toll.

  7. vor 9 Jahren

    Die Eishockeyszenen wurden am Karsamstag, 11.04.1998 im altehrwürdigen und inzwischen abgerissenen Eisstadion an der Peter-Freisl-Straße in Bad Tölz gedreht. Im Rahmen der Bundesliga-Relegation standen sich der EC Bad Tölz im letzten Heimspiel der Saison und der ERC Sonthofen gegenüber. Tölz siegte 4:3 und nach einem weiteren Sieg am Ostermontag in der Serie mit 3:0.

  8. vor 8 Jahren

    Berichtigung: Die Dreharbeiten der Eishockeysequenzen im Tölzer Eisstadion an der Peter-Freisl-Straße fanden nicht am Karsamstag 1998 (siehe Eintrag vom 21.12.2016) sondern bereits am Freitag, den 21.11.1997 statt. Im Rahmen der Hacker-Pschorr-Liga (1. Liga Süd-Vorrunde) standen sich Bad Tölz und Sonthofen gegenüber, der heimische ECT gewann 3:2 nach Penaltyschiessen. Gut zu erkennen sind die Tölzer Trikots, da damals noch keinen Rückensponsor aufwiesen. Im späteren Saisonverlauf wurde zwischen Rückennummer und dem EC Bad Tölz-Schriftzug der Werbebanner einer Versicherungsagentur geführt.

  9. vor 7 Jahren

    Klasse, enorm spannend und glaubwürdig.

  10. vor 6 Jahren

    Sehr harter Stoff diese Folge fast schon ein Psychothriller nimmt ein auf jeden Fall mit die Folge. Und natürlich Christian Berkel in einer von ihm sehr sehr gut gespielten Figur.

  11. vor 5 Jahren

    An sich ein guter und dramatischer Tatort. Aber … wie wahrscheinlich ist es, dass der ver- bzw. gestörte Familienvater abends ziellos auf die Straße rennt und so ganz zufällig eine Quasi-Doppelgängerin seiner ermordeten Frau entdeckt? Das ist doch arg konstruiert und an den Haaren herbeigezogen. Leider fußt die weitere Handlung zumindest teilweise auf diesem Zufall, was das gesamte Gebäude ein wenig wacklig erscheinen lässt.

  12. vor 1 Monat

    Hm, ich glaube ich bin nicht so für Tatorte, bei denen eigentlich von Anfang an alles komplett klar ist und dann nur schlimmeres verhindert werden muss. Und hier war mir der Täter doch etwas klischeehaft. (Da bin ich nachsichtiger, wenn mir die Story sonst gefällt.)
    Gut gemacht ist er aber!

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