Kurz und knapp – darum geht’s
In einem trostlosen Münchner Vorort wird der Polizist Martin Reck erschossen aufgefunden – er arbeitete nebenbei als Wachmann, um sich den Traum vom eigenen Haus zu erfüllen. Batic und Leitmayr decken schnell auf, dass Reck eine Affäre mit Claudia Finke hatte, deren Sohn Pit fest an den gemeinsamen Familientraum einer Auswanderung nach Amerika glaubt. Als die Kommissare herausfinden, dass Jugendliche in den Besitz der Tatwaffe gelangt sind und Claudias Ehemann Alfons verzweifelte Erpressungsversuche unternimmt, geraten sie in einen Strudel aus zerbrochenen Träumen und fatalen Entscheidungen…
Inhalt der Tatort-Folge „Und dahinter liegt New York“
Graue Betonfassaden und kalte Winternebel umhüllen die trostlose Vorstadt Münchens, wo die Lichter der Weihnachtsdekoration nur schwach gegen die allgegenwärtige Tristesse ankämpfen. Batic und Leitmayr verfahren sich auf dem Weg in dieses vergessene Viertel – schon zu Beginn fühlen sie sich fremd in einer Welt, die nur wenige Kilometer, aber soziale Lichtjahre von der glitzernden Innenstadt entfernt liegt.
Die beiden erfahrenen Kommissare wirken zunächst ratlos. Sie, die sonst souverän in allen Milieus ermitteln, stoßen hier auf eine Mauer des Schweigens. Als die Anwohner ihnen sogar die Autoreifen zerstechen, zeigt sich, wie tief die Abneigung gegen die Staatsmacht sitzt. „Kommst du hier nicht raus, holt dich diese Gegend ein“, philosophiert Leitmayr während einer unfreiwilligen Busfahrt durch das Viertel, in dem jeder ein Geheimnis zu haben scheint.
Der sechzehnjährige Pit Finke wirft Körbe im Basketballtraining wie ein Naturtalent – jeder Wurf ist ein Versprechen auf eine bessere Zukunft. „In New York wächst das Geld an den Bäumen“, hat sein Vater Alfons ihm versichert. Die Familie plant die Auswanderung nach Amerika, ein Traum, der wie eine zerbrechliche Seifenblase über dem kargen Alltag schwebt. Doch dieser Traum droht zu platzen, als Pit entdeckt, dass Martin Reck, der beste Freund seines Vaters, ein Verhältnis mit seiner Mutter Claudia hat. „Wenn du unsere Familie zerstörst, bring ich dich um“, hatte Pit gedroht – Worte, die nun wie eine dunkle Prophezeiung über den Ermittlungen hängen.
Parallel dazu folgt Dennis Kellerer, Pits bester Freund, mit seiner Kamera jedem Schritt der Kommissare. Der Junge mit der ständig präsenten Kamera träumt von einer Polizistenkarriere und kommentiert die Ermittlungsarbeit mit altklugem Eifer. „Ihr kriegt eine Vier minus für eure Befragungstechnik“, teilt er Batic ungefragt mit, während er die Szene festhält. Was die Kommissare nicht ahnen: Dennis hat nicht nur die Leiche gefunden, sondern auch die Tatwaffe an sich genommen und später Pit übergeben.
In Recks Wohnung stoßen die Ermittler schließlich auf Diebesgut von ungeklärten Einbrüchen – alle im Bewachungsgebiet seiner Sicherheitsfirma. Die Fahndung nach dem Mörder gleicht einem Puzzle mit fehlenden Teilen, bei dem jedes neue Fundstück das Bild komplizierter macht statt klarer. Ist der Chef der Sicherheitsfirma, Hartmut Grosser, in die Einbrüche verwickelt? Hat Pit seine Drohung wahrgemacht? Oder hat Alfons Finke im Streit um seine Frau den Freund erschossen?
Als Pit und sein Vater zu fliehen versuchen, eskaliert die Situation in einer verhängnisvollen Auseinandersetzung, bei der erneut eine Waffe ins Spiel kommt. Die Vorstadt, die aussieht wie hundert andere deutsche Vorstädte, wird zum Schauplatz einer Tragödie, die durch ihre banale Alltäglichkeit nur noch erschütternder wirkt…
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Und dahinter liegt New York“ wurde vom Bayerischen Rundfunk produziert und feierte am 23. Dezember 2001 seine Erstausstrahlung im Ersten. Unter der Regie von Friedemann Fromm und nach einem Drehbuch von Friedrich Ani entstand der 30. Fall für das Münchner Ermittlerduo Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl). Die Dreharbeiten fanden in München und Umgebung statt, wobei die grauen Vorstadtkulissen bewusst als Kontrast zur weihnachtlichen Lichterstadt eingesetzt wurden.
In den Hauptrollen glänzen neben dem etablierten Ermittlerteam Barbara Rudnik als zerrissene Mutter Claudia Finke, Thomas Anzenhofer als ihr verzweifelter Ehemann Alfons sowie die Jungschauspieler Frederic Welter als basketballbegeisterter Pit und Janis Runge als Dennis. Sepp Schauer verkörpert den zwielichtigen Sicherheitsfirmen-Chef Hartmut Grosser.
Mit 7,14 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 21,1 Prozent erreichte die Ausstrahlung kurz vor Weihnachten beachtliche Einschaltquoten. Kritiker lobten besonders die atmosphärische Darstellung der sozialen Realität in den Randgebieten einer Großstadt und die stimmungsvolle musikalische Untermalung durch Komponist Manu Kurz, die als „wunderschöner Großstadt-Blues“ beschrieben wurde.
Die Idee zum Film entstand ursprünglich während Friedrich Anis Arbeit an einem Jugendbuch mit ähnlicher Thematik. Während einige Rezensenten den Film mehr als Sozialdrama denn als klassischen Krimi einordneten, wurden besonders die kafkaesken Erlebnisse der Kommissare in der ihnen fremden Vorstadt-Welt als innovative Details hervorgehoben. Nach der Ausstrahlung wurde in Fankreisen intensiv über die Frage diskutiert, ob die amerikanische Traumwelt als Metapher für die unerreichbaren Hoffnungen der sozial Abgehängten zu verstehen sei.
Besetzung
Kommissar Franz Leitmayr – Udo Wachtveitl
Carlo Menzinger – Michael Fitz
Kommissar Ivo Batic – Miroslav Nemec
Claudia Finke – Barbara Rudnik
Pit Finke – Frederic Welter
Dennis Kellerer – Janis Runge
Tanja – Julia Palmer-Stoll
Martin Reck – Markus Völlenklee
Dame im Bus – Heidy Forster
Alfons Finke – Thomas Anzenhofer
Hartmut Grosser – Sepp Schauer
Stab
Regie – Friedemann Fromm
Musik – Manu Kurz
Kamera – Jo Heim
Buch – Friedrich Ani
Sehenswert !
Der Tatort Nummer 489 aus München mit den beiden Hauptkommissaren Batic und Leitmayr von der Mordkommission. Ein wirklich tragisches Tatort-Familiendrama, von geplatzten Illusionen, betrogenen Ehemännern, polizeilichen Nebenbuhlern und maßlos enttäuschten Kids. Den kann man einmal sehen, ein zweites Mal, dieses sollte jeder selber entscheiden. Ehrlich.