Tatort Folge 549: Väter

Kurz und knapp – darum geht’s

Nach 25 Jahren kehrt der Tatort zurück in die Ostseestadt Kiel – mit einem neuen Ermittler, dessen unkonventionelle Methoden sofort für Aufsehen sorgen: Kriminalhauptkommissar Klaus Borowski kettet einen widerspenstigen Zeugen kurzerhand nackt auf einem Bordell-Dach an und entgeht nur knapp der Suspendierung. Während seine rebellische Tochter Carla überraschend bei ihm auftaucht, wird ein Autobahnpolizist bei der Verfolgung eines Verkehrssünders tödlich überfahren. Als Borowski die Spur zu einem labilen Ex-Seemann aufnimmt und kurz darauf dessen Chef ermordet aufgefunden wird, scheint der Fall klar – doch der eigenwillige Kommissar zweifelt und setzt seine Ermittlungen gegen den Willen der wütenden Kollegen fort. Was er nicht ahnt: Ein junger Polizist sinnt auf Rache und wird zur unberechenbaren Gefahr… Wie alles ausgeht, ist im Ersten zu sehen.

Inhalt der Tatort-Folge „Väter“

Ein kalter, klarer Morgen an der Kieler Förde. Das Sonnenlicht spiegelt sich auf dem stahlgrauen Wasser, als Kriminalhauptkommissar Klaus Borowski von seinem Chef und Freund Roland Schladitz in dessen Büro zitiert wird. Der Grund: Borowski hat Walter Scharndorf, eine bekannte Größe aus dem Rotlichtmilieu, nackt auf dem Dach eines Bordells angekettet – eine drastische Maßnahme, um den widerstrebenden Zeugen zu einer Aussage in einem Mordfall zu bewegen. „Was sollte das?“, fährt Schladitz ihn an. „Die Presse hat es fotografiert. Scharndorf hat einen Anwalt.“ Die Suspendierung kann Borowski nur knapp entgehen – zum Preis einiger Pflichtgespräche mit der Betriebspsychologin Frieda Jung.

Als wäre dieser Morgen nicht schon kompliziert genug, steht plötzlich seine Tochter Carla in seinem Büro – ausgerissen, weil sie mit ihrer Mutter und deren neuem Freund keinesfalls in den Urlaub fahren will. Borowskis grimmige Fassade bekommt feine Risse, als er seine Tochter sieht. Er ist ein Vater, der seine Rolle erst wieder finden muss, wie ein ungelenker Tänzer, der die Schritte vergessen hat.

Derweil gleitet das Leben eines anderen Vaters unaufhaltsam in die Katastrophe. Lars Betz, ein ehemaliger Seemann, dessen Berufswechsel ihm wie eine Amputation seiner Identität erscheint, kämpft als Fahrer eines Schiffsausstatters um seine Existenz. Seine Firma schwimmt wie ein leckes Boot auf dem Meer wirtschaftlicher Probleme, und sein Chef Oliver Nagel hat ihm bereits mit Kündigung gedroht, sollte er erneut zu spät kommen. Betz‘ Leben ist ein Kartenhaus aus Ängsten und Hoffnungen, das mit jedem Tag instabiler wird.

Als er mit dem Firmenwagen in eine Radarfalle gerät, sieht er seinen Job endgültig in Gefahr. In einem verzweifelten Akt versucht er, den Film aus dem Radargerät zu entwenden. Der Autobahnpolizist Wolfgang Ebert erwischt ihn dabei und verfolgt den Flüchtenden. Doch während Betz noch rechtzeitig die Fahrbahn überqueren kann, wird Ebert von einem heranrasenden Lastwagen erfasst. Der schrille Klang von Bremsen auf Asphalt mischt sich mit dem Aufprall in einer grausamen Symphonie des Unglücks.

Borowski und sein junger Assistent Alim Zainalow – ein ruhiger, besonnener Gegenpol zum kantigen Kommissar – nehmen die Ermittlungen auf. Jens Ziemann, der Partner des getöteten Beamten, ist außer sich vor Schmerz und Wut. „Ich hätte bei ihm sein müssen“, gesteht er Borowski mit tränenerstickter Stimme. Der Kommissar spürt, wie sich hinter Ziemanns Trauer etwas Gefährlicheres zusammenbraut – ein Sturm aus Rache und Schuld.

Die Suche nach dem Fahrer führt die Ermittler zur Firma von Oliver Nagel und Stefan Wächter. Betz wirkt wie ein scheues Tier, als die Kommissare auftauchen. Das überbelichtete Radarfoto zeigt nur die Silhouette eines Fahrers, nicht jedoch sein Gesicht. Wächter behauptet, es müsse Nagel gewesen sein, der den Wagen üblicherweise fährt. Die Spur scheint im Nebel der Ungewissheit zu verschwinden, wie ein Schiff, das in der Ostsee vom Horizont verschluckt wird.

Doch dann nimmt der Fall eine dramatische Wendung: Oliver Nagel wird tot im Hafen gefunden, sein Schädel zertrümmert wie von einem schweren Gegenstand. Hat Betz aus Angst vor Entdeckung seinen Chef getötet? Wächter wendet sich gegen seinen Angestellten und liefert ihn den Ermittlern aus. Borowski jedoch wittert, dass etwas nicht stimmt. Die Wahrheit scheint unter der Oberfläche zu liegen wie eine Muschel im sandigen Meeresgrund.

Während er tiefer gräbt, entdeckt er Verbindungen zwischen Scharndorf und Nagel und stößt auf Ungereimtheiten in den Aussagen von Wächter. Doch die Kollegen, allen voran der trauernde Ziemann, wollen nicht hören. Für sie ist der Fall klar: Betz ist ein „Polizistenmörder“, der zur Rechenschaft gezogen werden muss.

Als Betz plötzlich gesteht, Nagel umgebracht zu haben, scheint alles vorbei zu sein. Doch Borowski spürt, dass dieses Geständnis falsch ist – ein verzweifelter Versuch des ewigen Verlierers, wenigstens einmal im Leben für etwas Verantwortung zu übernehmen, selbst wenn es ein Mord ist. „Was hat Wächter Ihnen versprochen?“, fragt Borowski scharf. „Warum nehmen Sie die Schuld auf sich?“

Die Wahrheit beginnt, durch die Ritzen der Lügen zu sickern. Doch während Borowski dem wahren Täter auf die Spur kommt, braut sich eine neue Gefahr zusammen. Ziemann, blind vor Schmerz und Wut, wartet mit geladener Waffe auf Betz, bereit, eigene Justiz walten zu lassen…

Hinter den Kulissen

Mit „Väter“ feierte der Tatort am 30. November 2003 nach 25-jähriger Abwesenheit seine Rückkehr nach Kiel. Die Folge markiert den Einstand des von Axel Milberg verkörperten Kriminalhauptkommissars Klaus Borowski, einer Figur, die der Schauspieler selbst mitentwickelt hat. Bereits ein Jahr zuvor spielte Milberg die Rolle in der Stahlnetz-Folge „PSI“, allerdings noch als Ermittler in Hannover.

Regie führte Thomas Freundner nach einem Drehbuch von Orkun Ertener, die zusammen mit dem NDR-Team einen Charakter erschufen, der bewusst mit Ecken und Kanten versehen wurde – ein Gegenentwurf zu gefälligeren Ermittlerfiguren. „Borowski ist ein Mensch, den man nicht sofort gratis bekommt, sondern jemand, der erobert werden will“, beschrieb Milberg seine Rolle. „Ein bisschen sperrig, wortkarg, auf die Sache bezogen.“

Neben Milberg brilliert Maren Eggert als Polizeipsychologin Frieda Jung, während Mehdi Moinzadeh als Assistent Alim Zainalow und Thomas Kügel als Kriminalrat Schladitz das Ermittlerteam komplettieren. In den Gastrollen überzeugten besonders Henning Peker als verzweifelter Lars Betz, Neelam Schlemminger als Borowskis Tochter Carla und Tobias Nath als rachsüchtiger Polizist Ziemann.

Die Erstausstrahlung am 30. November 2003 sahen 7,87 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von beachtlichen 22,1 Prozent entsprach – ein starkes Comeback für den Kieler Tatort. Die Kritiker lobten vor allem die atmosphärische Einbindung der Hafenstadt und die komplexe Vaterschaftsthematik, die den roten Faden der Handlung bildet.

Mit dem Kieler Tatort knüpfte der NDR an eine legendäre Tradition an: In den 1970er Jahren hatte bereits Kommissar Finke (Klaus Schwarzkopf) an der Förde ermittelt, unter anderem im berühmten „Reifezeugnis“ unter der Regie des späteren Hollywood-Regisseurs Wolfgang Petersen. Der neue Kieler Tatort sollte diese Tradition fortführen und gleichzeitig modernisieren – mit einem Ermittler, der zwar polarisiert, aber gerade deshalb fasziniert.

Videos zur Produktion

ARD Trailer

ARD Plus Trailer

Besetzung

Klaus Borowski – Axel Milberg
Frieda Jung – Maren Eggert
Roland Schladitz – Thomas Kügel
Alim Zainalow – Mehdi Moinzadeh
Carla Borowski – Neelam Schlemminger
Bernd Wiegand – Christian Grashof
Elke Betz – Gunda Ebert
Lars Betz – Henning Peker
Oliver Nagel – Hans-Georg Panczak
Stefan Wächter – Götz Schubert
Wolfgang Ebert – Tim Wilde
Jens Ziehmann – Tobias Nath

Stab

Buch – Orkun Ertener
Kamera – Benjamin Dernbecher
Musik – J. J. Gernt
Regie – Thomas Freundner

Bilder – HR/NDR/Manju Sawhney

9 Kommentare

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  1. vor 12 Jahren

    Ist eine Borowski DVD Box geplant?

    Freue mich über eine Rückmeldung.

    1. vor 12 Jahren

      Hallo Andreas,

      nach unserem Wissen sind keine weiteren Publizierungen von DVD´s oder Blurays geplant.

  2. vor 10 Jahren

    top

  3. vor 9 Jahren

    Der Tatort Nummer 549 aus Kiel. Ein Hauptkommissar Borowski erscheint in seinem ersten Fall mit ungewöhnlichen Ermittlungsmethoden, was ihm prompt ein Gespräch mit der Polizeipsychologin Jung einbringt. Borowski, von Frau und Tochter getrennt lebend und mit den pubertären Schwierigkeiten seines Kindes bestens vertraut, trifft auf den Betz, geschieden, einen Sohn, noch labiler als Borowski in Sache der Zurückhaltung. Es entwickelt sich ein interessanter und auch sehenswerter Tatort-Spielfilm aus dem Jahr 2003, im typischen norddeutschen Schmuddelmilieu der Hafen- und Rotlichtkriminalität spielend. Dieser Tatort, ob großer oder kleiner Streifen aus Kiel, ist meines Erachtens immer wieder gut anzuschauen. Ehrlich.

  4. vor 4 Jahren

    Furioser Auftakt zu einem in sich stimmigen und cleveren Fall. Alle Darsteller agieren souverän, aber man wünscht sich, dass Borowski in den zukünftigen Fällen etwas mehr von seinen Eigenheiten an den Tag bringen würde.
    Dennoch ein gelungener erster Kiel-Tatort mit dem neuen Kommissar.

  5. vor 4 Jahren

    Inhaltlich eine durchschnittliche Folge.
    Bemerkenswert bloß, dass die Tochter von Borowski in keiner weiteren Folge mehr eine Rolle spielt. Auch, wenn er kein Sorgerecht haben sollte, müsste seine Tochter doch eigentlich (zumindest gelegentlich) eine Rolle in dessen Leben spielen …

  6. vor 3 Jahren

    Sehr interessanter Fall, vor allem aufgrund des Seemann-Charakters, der so ein wenig in die Richtung „reiner Tor“ ging. Gelungener Einstand für Borowski.

  7. vor 1 Jahr

    Und nun eine schwierige Frage an das „Segment der FORTGESCHRITTENEN“ der TO-Fans:

    Warum spielt Borowski´s Tochter Carla nur in der 1.Borowski-Folge eine Rolle und später nie mehr? (diese Frage ist die spannendste bei Ansicht dieser inhaltlich eher behäbigen Folge, ich konnte sie bisher nicht lösen):

    – Ist die Tochter später verstorben?
    – Lebt sie am anderen Ende der Erdkugel?
    – Lehnt sie den Kontakt zu Borowski ab?
    – Lehnt Borowski den Kontakt zu ihr ab?

    Zu diesem Thema fehlt m.E. auch nur der Ansatz einer „horizontalen Erzählweise“ … ;-(

  8. vor 1 Jahr

    (Ergänzung)
    In der Rubrik „Kommissare im Ruhestand: Borowski und Jung“ steht zu diesem Thema lapidar: „Vater und Tochter leben sich mit der Zeit auseinander“. Ja, okay, soll sein; aber das allein zur Erklärung für 0 Kontakt bzw. 0 Thematisierung erscheint mir doch sehr dürftig.

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