Tatort Folge 953: Schutzlos

Kurz und knapp – darum geht’s

Ein junger Nigerianer wird erstochen unter einer Brücke am Ufer der Reuss in Luzern aufgefunden. Für den neuen Polizeichef Mattmann ein klarer Fall, der schnell abgeschlossen werden soll – der Asylsuchende wäre bei Erreichen der Volljährigkeit ohnehin abgeschoben worden. Doch die Kommissare Reto Flückiger und Liz Ritschard wollen mehr über das Schicksal des jungen Mannes erfahren und stoßen bei ihren Ermittlungen auf die minderjährige Jola, ebenfalls eine Asylsuchende aus Nigeria. Als die Ermittler entdecken, dass sie der Schlüssel zum Fall sein muss, ahnen sie nicht, in welch gefährliche Verstrickungen sie geraten werden…

Inhalt der Tatort-Folge „Schutzlos“

Schweißgebadet und von unerträglichen Kopfschmerzen geplagt, schaut Kommissar Reto Flückiger über den stillen Vierwaldstättersee, während das fahle Morgenlicht die Silhouette Luzerns wie ein verblassender Traum erscheinen lässt. Die Medikamente helfen kaum noch gegen seine Migräneanfälle, die zunehmend von verstörenden Halluzinationen begleitet werden. Ein Anruf reißt ihn aus seiner Benommenheit – ein Toter unter der Reussbrücke.

Das Opfer ist schnell identifiziert: Ebi Osodi, ein 18-jähriger Nigerianer, der als unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender in die Schweiz gekommen war und bereits mehrfach beim Drogendealen erwischt wurde. „Ein klarer Fall von Abrechnung im Drogenmilieu“, urteilt der neue Polizeichef Eugen Mattmann mit kalter Effizienz und drängt auf einen raschen Abschluss. „Der wäre sowieso bald ausgeschafft worden“, fügt er hinzu, als handele es sich um eine lästige Verwaltungsangelegenheit.

Doch Flückiger und seine Kollegin Liz Ritschard können den Fall nicht so einfach zu den Akten legen. Ihre Ermittlungen im Asylzentrum verlaufen im Sand – Ebis Zimmer ist seit Monaten verwaist, die nigerianische Community schweigt eisern. Die Drogenrazzia im schäbigen Hinterhof eines verwitterten Mietshauses führt schließlich zur Begegnung mit Jola, einer minderjährigen Nigerianerin mit traurigen Augen und misstrauischem Blick.

Das Verhör mit Jola gleicht einer Expedition in eine verborgene Welt. „In Libyen wurde ich entführt, in Italien zur Prostitution gezwungen“, berichtet sie mit monotoner Stimme, als hätte sie ihre Gefühle längst begraben. Nach dem Dubliner Abkommen müsste sie zurück nach Italien. Während Flückiger von einer weiteren Migräneattacke heimgesucht wird, die Realität und Wahnvorstellungen verschwimmen lässt, reist Ritschard nach Italien, um Jolas Geschichte zu überprüfen.

Die Ermittlungen werden zum Labyrinth aus Lügen und Verzweiflung, in dem die Grenzen zwischen Tätern und Opfern verblassen wie die Farben der heruntergekommenen Fassaden, an denen die Flüchtlinge vorbeihuschen. „Wir befinden uns im Niemandsland“, seufzt Ritschard, während sie und Flückiger immer tiefer in die Schattenwelt zwischen behördlicher Kälte und krimineller Ausbeutung eintauchen.

Hinter den Kulissen

Der achte Fall des Luzerner Ermittlerduos Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) wurde vom 10. September bis Oktober 2014 in Luzern und Umgebung gedreht. Für die Inszenierung konnte der renommierte Regisseur Manuel Flurin Hendry gewonnen werden, der bereits durch seinen preisgekrönten Kriminalfilm „Strähl“ (2003) sowie die Tatort-Folgen „Satisfaktion“ aus Münster (Folge 678) und „Neuland“ (Folge 722) bekannt geworden war.

Die SRF-Produktion wartete mit einer internationalen Besetzung auf: Für die zentralen Gastrollen fand die Zürcher Casting-Agentur Glaus-Casting in London die passenden Darsteller. Die britische Schauspielerin mit westafrikanischen Wurzeln, Marie-Helene Boyd, verkörpert die junge Migrantin Jola, während der kenianisch-britische Schauspieler Charles Mnene die Rolle des Ebi übernahm. In weiteren Rollen sind Suly Röthlisberger als Elsa Giger und Jean-Pierre Cornu zu sehen, der ab dieser Folge als Eugen Mattmann den neuen Polizeichef spielt.

Der Soundtrack zur Folge entstand in Zusammenarbeit mit der 1989 gegründeten deutschen Band „The Notwist“ sowie dem Schweizer Musiker Beat Solèr, der mittlerweile in Berlin lebt und nach Kompositionen für Fashionshows von Karl Lagerfeld nun vorwiegend für Film und Fernsehen arbeitet.

Als letzter neuer Tatort vor der Sommerpause 2015 (12. Juli bis 30. August) wurde „Schutzlos“ am 5. Juli 2015 um 20:15 Uhr in der ARD erstausgestrahlt – in der Schweiz lief die Premiere wie üblich zehn Minuten früher auf SRF1. Der Film fiel besonders durch seine visuelle Gestaltung und die treibende Filmmusik auf, die die beklemmende Atmosphäre der Geschichte eindringlich unterstrichen. Mit seinem gesellschaftskritischen Blick auf die Schweizer und europäische Asylpolitik löste dieser Tatort wichtige Debatten aus, die weit über den Krimi hinausreichten.

Videos zur Produktion

ARD Plus Trailer

EinsFestival Trailer

ORF Trailer

Besetzung

Kommissar Reto Flückiger – Stefan Gubser
Kommissarin Liz Ritschard – Delia Mayer
Polizeichef Eugen Mattmann – Jean-Pierre Cornu
Elsa Giger – Suly Röthlisberger
Jola West – Marie-Helene Boyd
Ebi West – Charles Mnene
Navid Massud – Rauand Taleb
Franz Hofstetter – Andreas Krämer
Mariella Spindelegger – Sonja Riesen
Sepp Rieder – Marcus Signer
Sascha Zurbuchen – Mona Petri
u.a.

Stab

Drehbuch – Manuel Flurin Hendry
Regie – Manuel Flurin Hendry
Kamera – Felix Novo de Oliveira
Musik – The Notwist, Beat Solèr

24 Kommentare

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  1. vor 10 Jahren

    Den müsst ihr euch anschauen
    L.G johannes

  2. vor 10 Jahren

    Ok bin gespannt

  3. BM
    vor 10 Jahren

    Der Ton ist leider wieder unterirdisch. Sowas Unprofessionelles. Leider fällt wieder ein Schweizer Tatort diesbezüglich unangenehm auf.

  4. vor 10 Jahren

    WAR MAL WIEDER WIE ES ZU ERWARTEN WAR. BÖSER WEISSER MANN DER ARME SCHUTZLOSE SCHWARZE ERSCHLÄGT. ARME SCHWARZE DEALER DIE GEZWUNGEN WERDEN DROGEN ZU VERKAUFEN. BÖSE BEMERKUNGEN DES POLIZEICHEFS ÜBER SCHWARZE. ASYLANT DER AUS VERSEHEN EINEN MORD BEGEHT, ABER EIGENTLICH MIT SEINEM GROSSEN ,,HERZEN,, NUR HELFEN WOLLTE. USW USW USW
    DAS EINZIGE WAS IN DIESEM FALL NOCH VERGESSEN WURDE EINZUBAUEN WAR, EINE HORDE SKINHEADS DIE REGELMÄSSIG AUFTAUCHEN UM DIE ARMEN, VERFOLGTEN, DRAUMATISIERTEN KULTUR BEREICHERER ZU VERBRÜGELN.
    FAZIT= POLTISCH KORREKTER SCHROTT MIT STAMMTISCH BILDZEITUNGS PAROLEN ABER KEIN KRIMI

  5. vor 10 Jahren

    Topaktuell, aufrüttelnd, teils erschütternd – sicher kein Wohlfühlkrimi. Der Plot war allerdings durchschaubar, nach der Häkfte stand der Mörder (für uns) fest. Gut gespielt und manchmal schon etwas dokumentarisch: 6 / 10 Punkten für diesen Schweizer #tatort.

  6. vor 10 Jahren

    Der Tatort Nummer 953, heute aus der Schweiz und wie gewohnt um 20:15 h in der ARD, in Erstsendung. Ich war überrascht. Ein durchaus mystisch und spannend anmutender Spielfilm mit den Luzernern Kommissaren Flückiger und Ritschard. Tja, mh. Sozialpolitisch engagiert war dieser Tatort-Krimi aber alle Male. Politisch Verfolgte, leider wurden nur hauptsächlich Männer gezeigt, versuchen sich in der neutralen Schweiz eine neue, sicherlich bürgerliche Existenz, aufzubauen, werden hierbei aber ständig durch irgendwelche Leute gestört. Film, Bilder, Handlung und Asozialität lassen nur auf einen Mann im Hintergrund schließen: Rainer Werner Fassbender! Und Kommissar Flückiger hätte den fast gesehen. Glaub ich…..

  7. JWD
    vor 10 Jahren

    Wieder mal ein top aktuell, brisanteŕ TATORT.
    Der letze vor der Sommerpause war sehr gut erst war ich skeptisch wegen der Schweiz, aber jetze komme ich damit zurecht.
    MFG

  8. vor 10 Jahren

    Es lohnt nicht mehr einzuschalten,Nach „Kreise“ noch so ein blöder Fall.Eigendlich kein Stern.

  9. vor 10 Jahren

    Genialer Tatort! Endlich wird einmal das absurde Asylverfahren thematisiert, mit den interkulturellen Verständigungsschwierigkeiten etc. Wirklich toll!

  10. vor 10 Jahren

    Ein guter, ebenso unterhaltsamer wie nachdenklich machend, begegender Tatort. Gutes Drehbuch, logische Handlung und, was das wichtigste ist, absolut tolle Schauspieler.

    Respekt und Kompliment.

  11. vor 10 Jahren

    Natürlich, die Thema „Flüchtlinge“ ist sehr, sozusagen, empfindlich. Alle haben ihre Meinungen darüber, und nicht unbedingt haben alle Zuschauer die gleiche Meinung. Und, abhängig von der persönliche Meinung über Einwanderug hat einigen Laute die heutige Folge gefallen, anderen aber nicht. Verständlich.
    Aber, abgesehen von den politischen, die Folge aus der Schweiz hatte meiner Meinung nach eine heutzutage leider ungewönliche hoche Qualität, das Buch, die Regie, die Kamera, alles war gut, die Dialoge wurden gut geschrieben, Standorte gut ausgewählt und die Geschichte gut erzählt. 5 Sterne von mir.

  12. vor 10 Jahren

    „Laute“. Oh, mein Gott, wie kann ich solche blödsinne schreiben…

  13. vor 10 Jahren

    Toller Cast, ernsthafte Auseinandersetzung über ein aktuelles Thema ohne zu kokettieren damit! Super Recherche! Authentische Locations und Milieus.
    Chapeau! Bravo!

  14. vor 10 Jahren

    grossartiger Tatort aus der Schweiz wiedermal! Die haben es einfach drauf, toller Cast, ernsthafte Auseinandersetzung über ein aktuelles Thema ohne zu kokettieren damit! Super Recherche! Authentische Locations und Milieus.
    Chapeau! Bravo!

  15. vor 10 Jahren

    ich meinte 5 Sterne!!!

  16. vor 10 Jahren

    Rainer Werner Fassbinder und nigerianische Wirtschaftsflüchtlinge
    lassen Flückiger halluzinieren.


  17. Ende der Erstausstrahlung

  18. vor 10 Jahren

    Gute Voraussetzungen vielleicht, was mich aber zunehmend irritierte war die Fotografie mit immer und überall dieses Türkis.

  19. vor 10 Jahren

    Der Plot war gut – aber was ist mit diesem Flückiger? Ohne Frau Blum dreht er immer mehr ab, in früheren Folgen nahezu asozial den Kollegen gegenüber, ähnlich wie der Keppler oder der Dortmunder Faber, diesmal mit Halluzinationen wie einst Murot, der ja nun geheilt ist. Bringt die Story nicht voran, stört eigentlich nur. Nur im Gegensatz zu den skurrilen Murot-Geschichten ist die Geschichte selbst hier nicht skurril. Daher passt es auch nicht.
    Dennoch 4 Sterne, weil ich die Geschichte an sich gut fand.

  20. vor 10 Jahren

    Bin kein Fan des Schweizer-Teams, aber diese Folge fand ich ganz passabel…trotz megaschlechter Synchro…

  21. vor 10 Jahren

    Einer der deutlich besseren Tatorte. Empfehlenswert. Vernünftiger Plot, weder kitschig noch moralisierend, ausreichend spannend, fast nur gute Schauspieler und auch gute Kamera. So in etwas sollte die Benchmark aussehen.

  22. vor 9 Jahren

    Ich bin aus Luzern / Zentralschweiz und wohne gleich um die Ecke der Schauplätze. Die Story ist (leider) nur leicht überzogen und stimmt teilweise mit der Realität (zu) gut überein. Von daher top und recht realistisch gemacht! Sprachlich habe ich selber keine Tonprobleme, da ich ihn in Originalfassung im Schweizer Fernsehen gucke. :-)

  23. vor 2 Jahren

    Durchschnittlicher TO aus Luzern. Selten gespielt, da er so ziemlich alle gängigen Klischees zum Thema Schwarzafrikaner/Drogen bedient. Das erwartbare Ende sehr weinerlich. Wenn jemand Drogen verkaufen will, braucht er/sie sich nicht wundern, so zu enden.

  24. vor 2 Jahren

    Diese TO-Folge stammt zwar erst aus 2015, wirkt m.E. aber – nach bloß 8 Jahren – inhaltlich schon sehr ‚alt‘.

  25. vor 1 Jahr

    Guter, spannender Tatort. Allerdings sind mir Flückigers Halluzinationen, die mit dem Fall nichts zu tun hatten, auf den Geist gegangen.

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