Das Krimi-Flaggschiff der ARD navigierte 2015 durch unruhige Gewässer. Während altgediente Teams von Bord gingen, stachen neue in See. Die Drehbücher spiegelten die Krisen des Jahres wider – und wagten ungewohnte Manöver.

Abschied und Neuanfang

2015 markierte eine Zäsur in der Tatort-Geschichte. Gleich mehrere Ermittlerteams verabschiedeten sich von der Bildschirmgemeinde: In Leipzig lösten Saalfeld und Keppler ihren letzten Fall, in Frankfurt ging Kommissar Steier in den Ruhestand, und auch Til Schweigers Hamburger Truppe zog sich zurück. Doch wo Türen sich schließen, öffnen sich bekanntlich neue: Berlin bekam mit Rubin und Karow ein ungleiches Duo, Frankfurt mit Brix und Janneke frisches Blut.

Krimi als Seismograph

Wie ein Seismograph registrierte der Tatort die Erschütterungen des Jahres. Die Flüchtlingskrise schlug sich in mehreren Folgen nieder. In „Der irre Iwan“ ging es um Menschenschmuggel, „Schutzlos“ thematisierte das Schicksal minderjähriger Flüchtlinge. Selbst der Sendeplatz blieb von den Ereignissen nicht verschont: Nach den Terroranschlägen von Paris im November wurde ein Hamburg-Tatort über Terrorismus kurzfristig aus dem Programm genommen.

Münster bleibt Quotenkönig

Verlässlich wie ein Schweizer Uhrwerk tickte der Münsteraner Tatort auch 2015 im Takt der Zuschauergunst. „Schwanensee“ erreichte mit 13,63 Millionen Zuschauern einen neuen Rekord. Das Erfolgsrezept: eine Prise Krimi, viel Humor und die unverwüstliche Chemie zwischen Thiel und Boerne.

Experimente am offenen Herzen

Doch der Tatort wagte sich 2015 auch auf experimentelles Terrain. Allen voran die surreale Folge „Wer bin ich?“, in der Ulrich Tukur nicht nur den Ermittler Murot spielte, sondern auch sich selbst – als des Mordes verdächtigter Schauspieler. Ein metafiktionales Verwirrspiel, das die Grenzen des Formats auslotete.

Wiederkehr und Kontinuität

Langjährige Zuschauer wurden mit der Rückkehr bekannter Gesichter belohnt. In Kiel feierte der psychopathische Frauenmörder Kai Korthals sein Comeback in „Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“. Auch sonst blieb der Tatort seinen Markenzeichen treu: Regional verankerte Krimis, die den Puls der Gesellschaft fühlten, ob nun in der Alpenrepublik oder an der Waterkant.

Ausblick: Kurs auf die 1000

Mit 41 neuen Folgen steuerte der Tatort 2015 auf die magische 1000 zu. Der Kurs für 2016 war klar: Bewährtes bewahren, Neues wagen. In Zeiten von Streaming und internationalen Serienproduktionen blieb der Tatort ein Fels in der Brandung des deutschen Fernsehens – wenn auch einer, der sich den Gezeiten anzupassen wusste.