Kurz und knapp – darum geht’s
In einer Bremer Hochhaussiedlung werden die Eheleute Frank und Yvonne Berthold brutal erstochen in ihrer Wohnung aufgefunden – ihre neunjährige Tochter Nadine hat alles mit ansehen müssen und versteckt sich traumatisiert im Bettkasten. Als die Zeitungen über die „einzige Zeugin“ berichten, gerät das verstörte Kind in höchste Gefahr, das nächste Opfer zu werden. Kommissarin Inga Lürsen entschließt sich zu einem riskanten Plan: Sie gibt sich als Tante des Mädchens aus und zieht mit ihr in die Wohnung der Ermordeten ein, um den Täter anzulocken. Als sich immer mehr Bewohner des Hauses nach dem Kind erkundigen und Lürsen merkwürdige Gespräche zwischen den Nachbarn beobachtet, ahnt sie noch nicht, dass sie und Nadine sich bereits in unmittelbarer Nähe des Mörders befinden …
Inhalt der Tatort-Folge „Stille Wasser“
Schlaflos irrt Hauptkommissarin Inga Lürsen durch die kalten, neonbeleuchteten Flure einer Bremer Klinik. Hinter einer der Türen liegt ein kleines Mädchen, das seit Stunden kein Wort gesprochen hat – die neunjährige Nadine Berthold, die gerade ihre Eltern auf brutalste Weise verloren hat. Lürsen ist die Einzige, die langsam einen Zugang zu dem traumatisierten Kind findet, doch als sie am nächsten Tag erneut mit ihr sprechen will, ist Nadine verschwunden. Die Fenster des Krankenzimmers stehen offen, das Bett ist leer – und die Polizistin ahnt sofort, wohin das Kind geflohen ist.
„Du brauchst keine Angst zu haben“, flüstert Lürsen, als sie Nadine tatsächlich in der elterlichen Wohnung findet, zwischen Blutspuren und Erinnerungen. Doch die Boulevardpresse hat längst getitelt: „Die einzige Zeugin“ – ein Todesurteil für das Kind, sollte der Mörder erfahren, dass Nadine ihn gesehen hat. Für Lürsen ist klar: Das Mädchen in einem anonymen Heim unterzubringen, wäre der sichere Tod. Stattdessen beschließt sie, ihre Dienstvorschriften zu ignorieren und selbst bei Nadine zu bleiben – getarnt als Frank Bertholds schäbig gekleidete Halbschwester mit Zigarette im Mundwinkel und Brandy in der Hand.
Während ihr Kollege Stedefreund mit seinen ordentlichen Anzügen und seiner zurückhaltenden Art zunächst skeptisch auf Lürsens waghalsigen Plan reagiert, spielt die Kommissarin ihre neue Rolle als „Inga Rust“ mit wachsender Überzeugung. Sie kocht mit dem, was der leere Kühlschrank hergibt – eine absurde Mischung aus Spaghetti und Cornflakes – und öffnet bereitwillig die Tür, wenn Nachbarn klingeln. Da sind Rebecka und Max Gressmann mit ihrem Sohn Onno, die im gleichen Stockwerk wohnen, und das Ehepaar Gisela und Günther Kremer, die ebenso wie Frank und Max im Hafen arbeiten.
Die Gespräche mit den Nachbarn gleichen einem Tanz auf dünnem Eis – ein falsches Wort könnte Lürsens Tarnung auffliegen lassen. Besonders die nervöse, alkoholabhängige Rebecka Gressmann erscheint ihr verdächtig, als diese wiederholt wissen will, ob Nadine etwas über die Mordnacht erzählt hat. „Sie ist stumm wie ein Fisch“, antwortet Lürsen ausweichend und beobachtet später durch das Fenster, wie Rebecka und Max sich auf dem Spielplatz heftig streiten.
Parallel verfolgt Stedefreund eine zweite Spur, die zu Franks Arbeitsplatz im Containerhafen führt. Dort deckt er nach und nach ein Drogenschmuggelring auf: In Containern mit Giftgas werden Drogen der Sorte „Bad Ice“ ins Land geschleust, denen bereits mehrere Menschen zum Opfer gefallen sind. Franks plötzlicher Ausstieg aus den illegalen Geschäften könnte ein Mordmotiv sein – doch warum musste auch seine Frau sterben?
Die Fahndung nach dem Mörder gleicht einem Puzzlespiel mit fehlenden Teilen. Jeder Bewohner des Hauses scheint etwas zu verbergen, jedes Gespräch enthält doppeldeutige Hinweise. Und mitten in diesem Netz aus Lügen sitzt Nadine, deren Schweigen schwerer wiegt als tausend Worte. Als sich die erste zarte Bindung zwischen dem Kind und Lürsen entwickelt, beobachtet die Kommissarin, wie Nadine bei einer Begegnung mit Rebecka Gressmann zurückweicht – eine instinktive Reaktion, die mehr verrät als jedes Verhör.
Bei einer Geburtstagsfeier im Haus kommen immer mehr Details ans Licht: die Spannungen zwischen den Paaren, Franks angebliche Frauengeschichten, die Gewalt in Rebeckas Ehe. Die Ermittlungen verdichten sich, die Atmosphäre wird drückender – und als Nadine plötzlich ein Küchenmesser ergreift und damit hinter Rebecka Gressmann steht, überschlagen sich die Ereignisse in einer Konfrontation, die das wahre Gesicht des Mörders enthüllt …
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Stille Wasser“ wurde als 790. Folge der Krimireihe am 13. Februar 2011 erstmals im Ersten ausgestrahlt. Die Dreharbeiten fanden vom 20. April bis zum 19. Mai 2010 in Bremen statt, wobei unter anderem im Holzhafen gedreht wurde. Es handelt sich um eine Bremedia-Produktion im Auftrag von Radio Bremen und dem WDR.
In diesem 23. Fall für Sabine Postel als Kommissarin Inga Lürsen und 18. Fall für Oliver Mommsen als Nils Stedefreund brilliert ein Ensemble hochkarätiger Gastdarsteller: Anna Maria Mühe als verzweifelte, alkoholkranke Rebecka Gressmann liefert eine besonders eindringliche Darstellung ab, während Janek Rieke ihren gewalttätigen Ehemann Max verkörpert. Komplettiert wird die beeindruckende Besetzung durch Dagmar Manzel (die später selbst als Hauptkommissarin Paula Ringelhahn im Franken-Tatort ermitteln wird) und Ulrich Matthes als Ehepaar Kremer sowie Robert Gallinowski als Walter Jensen. Die junge Sina Monpetain gab in der Rolle der traumatisierten Nadine ihren bisher einzigen TV-Auftritt und überzeugte mit ihrem intensiven, starren Blick.
Bei der Erstausstrahlung verfolgten 7,58 Millionen Zuschauer den Fall um das schweigende Mädchen, was einem Marktanteil von 19,6 Prozent entsprach. Besondere Aufmerksamkeit erhielt die ungewöhnliche Rolle der sonst so elegant auftretenden Kommissarin Lürsen, die sich für ihre verdeckte Ermittlung in eine heruntergekommene, schäbig gekleidete Frau mit Zigarette und Alkoholfahne verwandelt. Diese Verwandlung sorgte für kontroverse Diskussionen unter den Zuschauern: Während einige die Authentizität der Tarnung in Frage stellten, sahen andere darin eine interessante Charaktererweiterung der sonst so korrekten Ermittlerin.
Thorsten Näter, der sowohl Regie führte als auch das Drehbuch schrieb, verzichtete bei diesem Fall bewusst auf die sonst im Tatort üblichen ausgedehnten Verhörszenen und setzte stattdessen auf intime Momente zwischen dem traumatisierten Kind und der Kommissarin. Nach der Ausstrahlung sorgte vor allem die Frage, ob der Einsatz eines Kindes als „Köder“ moralisch vertretbar sei, für Diskussionen unter den Zuschauern – ein ethisches Dilemma, das die Figur der Lürsen selbst im Film durchleben muss.
Hehe, was ist denn heute mit Karlsen los? Der ist ja für seine Verhältnisse ziemlich aggro
Stille Wasser, hab mal wieder den Kanal gewechselt. Unrealistische, dumme, schlafende Bullen, Türen zuknallen oder schnarchend, wo gibts den sowas, einfach billig gemacht.
Massenprodukt fürs Nachmittagsprogramm, oder besser gar nicht.
Ja, ich habe auch umgeschaltet.
Erst ist die Kommissarin schon mal in der Wohnung, als die Opfer gefunden werden und vor der Tür stehen gefühlte nölfunddrölfzig Schaulustige.
Dann schwuppsi, Zigarette in den Mund, Haare zurück gebunden und Rotweinglas in der Hand… und schon wird sie nicht mehr erkannt, als sie der Nachbarin die Tür aufmacht.
Sorry… aber diese Handlung war sowas von unglaubwürdig, dass eine Kommissarin alleine in der Wohnung mit einem traumatisiertem Kind bleibt… da kann ich mir gleich Science Fiction ansehen.
Aber ich bin auch ziemlich voreingenommen: der schlechteste Tatort, den ich je gesehen habe, ist für mich der, in dem Inga Lürssen alleine auf dem Schiff ermittelt und dessen Titel mir gerade nicht einfällt
@ Anna
Folge 734 – Schiffe versenken
Oh mein Gott! Das arme Mädchen(9), dass sowas mitansehen musste. Warum tut man an Kindern nur sowas an? Da verschlägt mir die Sprache. Einfach grässslich.
Sehr guter TO. Auf jeden Fall die ganze Zeit spannend!
Ganz guter Bremen-Tatort. Leider sind die Episoden aus der Hansestadt oft ein wenig spießig und klischeebeladen. Warum ausgerechnet die Grohner Düne? Dazu die verstörend-amateurhaften Zuckel-Kamerafahrten über den Hochhäusern hinweg. Ein wenig mehr Reihenhaus und Bürgertum würde dem Bremer Tatort gut tun. Abgesehen von Sabine Postel sind die schauspielerischen Leistungen auch eher mittelmäßig. Gnädige drei Sterne für die Idee mit Lürsen in der Wohnung, auch wenn die Umsetzung nicht einwandfrei ist.
Der Tatort mit der Nummer 790 aus Bremen. Die beiden Hauptkommissare Lürsen (w) und Stedefreund (m) untersuchen die brutalen Morde an einem Ehepaar und einzige alleinige Zeugin scheint die kleine Tochter zu sein. Das weiß auch der Mörder und die beiden Mordermittler müssen alles tun, um die kleine Augenzeugin zu schützen, aber auch als Lockvogel für den Mörder zu benutzen. Ein zwar spannender aber auch wenig realistisch wirkender Tatort-Spielfilm aus dem Jahr 2011. Mit einem traumatisierten Kind in die Tat-Wohnung zurückzukehren, erscheint doch ziemlich irreal, zumal hier ja noch die Durchführung der mörderischen Tat nicht unberücksichtigt bleiben dürfte. Dennoch ein sehens- und wiederholungswerter Tatort-Kriminalfilm aus dem Bereich der Drogen- und Alkoholproblemen.