Von der Spargelstecherin bis zum tumorkranken Kommissar: Die ARD-Krimireihe zeigte sich im WM-Jahr thematisch und stilistisch so vielfältig wie selten zuvor. Ein Rückblick auf die Höhepunkte einer bemerkenswerten Tatort-Saison.
Brisante Themen, ungewöhnliche Schauplätze
Es war das Jahr der Fußball-WM in Südafrika, das Jahr der Loveparade-Katastrophe in Duisburg. Doch während die Nation zwischen Fußballeuphorie und Trauer schwankte, lieferte der Tatort Woche für Woche verlässlich spannende Unterhaltung – und mehr. In 35 Folgen wagten die Macher einen schonungslosen Blick auf die Schattenseiten der Gesellschaft.
Gleich mehrere Episoden rückten soziale Brennpunkte in den Fokus. In „Heimwärts“ und „Die Unsichtbare“ ging es um Armut, Arbeitslosigkeit und das Leben ohne Aufenthaltsgenehmigung. „Der letzte Patient“ thematisierte sexuelle Gewalt gegen Kinder, während „Unsterblich schön“ den gesellschaftlichen Schönheitswahn aufs Korn nahm.
Von Spargel bis Strafvollzug: Tatort an ungewöhnlichen Orten
Bemerkenswert war auch die Bandbreite der Schauplätze: In „Spargelzeit“ ermittelten Thiel und Boerne unter Landarbeitern, „Bluthochzeit“ spielte in einem Freizeitpark und „Die Heilige“ führte die Ermittler in eine JVA. Der Tatort bewies einmal mehr: Verbrechen lauern überall.
Preisgekrönte Glanzlichter
Qualitativ stach besonders „Weil sie böse sind“ mit Matthias Schweighöfer heraus. Die Episode gewann mehrere Preise, darunter den Deutschen Fernsehpreis als bester Fernsehfilm. Noch erfolgreicher war „Nie wieder frei sein„, das unter anderem mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Die Folge über einen freigesprochenen Vergewaltiger zeigte eindrucksvoll, wie relevant der Tatort auch nach über 40 Jahren noch sein kann.
Frischer Wind und schmerzhafte Abschiede
2010 markierte auch personelle Veränderungen: Mit „Wie einst Lilly“ feierte Ulrich Tukur als tumorkranker Kommissar Felix Murot einen fulminanten Einstand. Die surreale Inszenierung, bei der Realität und Fiktion verschwimmen, setzte neue Maßstäbe für experimentelles Erzählen im Sonntagskrimi.
Gleichzeitig hieß es Abschied nehmen von den beliebten Frankfurter Ermittlern Sänger und Dellwo. Ihr letzter Fall „Am Ende des Tages“ war ein würdiger Schlusspunkt für das Duo.
Zwischen Tradition und Innovation
Der Tatort zeigte sich 2010 so vielfältig wie selten zuvor. Neben klassischen Whodunits wie „Borowski und der vierte Mann“ (nach einem Drehbuch von Henning Mankell) wagte man sich auch an ungewöhnliche Erzählformen. „Die Unmöglichkeit, sich den Tod vorzustellen“ spielte gekonnt mit der Kunst als Rahmenhandlung, während „Der Polizistinnenmörder“ mit actionreicher Inszenierung überraschte.
Fazit: 2010 war ein starkes Jahr für den Tatort. Die Reihe bewies einmal mehr ihre Relevanz als Spiegel der Gesellschaft und als Plattform für hochkarätige Schauspieler und Filmemacher. Wenn die Qualität auf diesem Niveau bleibt, muss sich der Sonntagskrimi um seine Zukunft keine Sorgen machen.