Tatort Folge 030: Weißblaue Turnschuhe

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Erscheinungsjahr: 1973
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Kommissar: Veigl

Kurz und knapp – darum geht’s

Ein scheinbar unbedeutender Handtaschenraub auf einem Münchner Friedhof fängt die Aufmerksamkeit von Kommissar Veigl, der eigentlich gerade seinen Urlaub antreten wollte. Der einzige Hinweis: auffällige weißblaue Turnschuhe, die der Täter trug. Was als Bagatellfall beginnt, führt den hartnäckigen Ermittler über unerwartete Umwege zu einem ungelösten Kapitalverbrechen – der Entführung eines Millionärs. Als Veigl dem mysteriösen Strohmann eines international gesuchten Verbrechers auf die Spur kommt, gerät er selbst ins Fadenkreuz der Gangster, die ihr Lösegeld in Sicherheit bringen wollen…

Inhalt der Tatort-Folge „Weißblaue Turnschuhe“

Sonnenstrahlen brechen durch die Baumkronen des Bogenhausener Friedhofs, während eine 83-jährige Rentnerin in aller Stille am Grab ihres Mannes steht. Die friedliche Atmosphäre wird jäh unterbrochen: ein schneller Schritt auf dem Kiesweg, ein Ruck – und die Handtasche der alten Dame ist weg. Zurück bleiben nur der Schreck und die vage Erinnerung an weißblaue Turnschuhe, die der Täter trug.

Kriminaloberinspektor Melchior Veigl schüttelt ungläubig den Kopf, als er den Bericht seiner Kollegen liest. Obwohl sein Dackel Oswald schon ungeduldig im Auto wartet und der Chiemsee ruft, legt der Kommissar seine Urlaubspläne spontan auf Eis. „Wer sich an einer alten Frau vergreift, für die zehn Mark ein kleines Vermögen sind, mit dem muss ich persönlich reden“, knurrt er seinem Kollegen Lenz zu, der nur müde lächelt.

Veigl, dieser bodenständige Bayer, geht mit der ihm eigenen beharrlichen Art an die Ermittlungen heran. Er ist kein Mann der großen Worte oder spektakulären Aktionen – seine Stärke liegt im geduldigen Zuhören und in der genauen Beobachtung. In den Obdachlosenunterkünften Münchens ist er bald eine bekannte Erscheinung, fragt nach einem Mann mit weißblauen Turnschuhen. Die Suche nach dem Dieb gleicht dem Stochern im Nebel, bis ein unscheinbarer Hinweis bei einer Armenspeisestelle zur Festnahme von Franz Sondermeier führt.

Doch was als einfacher Fall beginnt, wird kompliziert, als Veigl bei dem Obdachlosen wertvollen Schmuck findet. „Der lag einfach da, ich hab‘ ihn nur aufgehoben“, behauptet Sondermeier mit flackerndem Blick. Eine Zeitungsmeldung über einen Einbruch am Chiemsee weckt Veigls Spürsinn. Der Hof, in den eingebrochen wurde, gehört mittlerweile einem gewissen Schilling – einem Mann mit umfangreicher Vorstrafe, der den abgelegenen Bauernhof gekauft hat, ihn aber nie bewohnt.

In der dämmerigen Pension, in der Schilling statt auf seinem Hof wohnt, führt Veigl ein merkwürdiges Gespräch. Der nervöse Mann mit dem harten Gesicht und den weichen Händen verspricht Informationen zu einem ganz anderen Fall – der Entführung des Millionärs Schneck, an der Veigl schon seit Monaten arbeitet. Doch zum vereinbarten Treffen erscheint Schilling nicht. Stattdessen findet Veigl ein durchwühltes Zimmer vor.

Als der Kommissar mit dem ehemaligen Entführungsopfer Schneck den verlassenen Hof am Chiemsee besucht, liegen die letzten Sonnenstrahlen wie goldene Finger auf den verwitterten Holzbalken. „Dieser Treppenknauf…“, murmelt Schneck und tastet mit zitternden Händen über das Holz. „Hier habe ich tagelang gesessen, mit verbundenen Augen.“

Die folgende Jagd nach Zimmermann, dem Drahtzieher aus Buenos Aires, führt durch Bankhallen und über internationale Grenzen. Veigls Ermittlungen werden zu einem Wettlauf gegen die Zeit, denn das Entführungsgeld ist noch immer nicht gefunden, und die Spur wird täglich kälter…

Hinter den Kulissen

„Weißblaue Turnschuhe“ ist der 30. Fernsehfilm der Krimireihe Tatort und wurde vom Bayerischen Rundfunk produziert. Die Episode lief am 24. Juni 1973 im Ersten Programm der ARD und war der zweite Fall für Gustl Bayrhammer als Kriminaloberinspektor Melchior Veigl. In den Nebenrollen war unter anderem Helmut Fischer als Veigls Kollege Lenz zu sehen, sowie in einer kleinen Rolle Wilfried Klaus, der später als Kriminalhauptkommissar Schickl in der Serie „SOKO 5113″ bekannt wurde.

Das Drehbuch stammt aus der Feder des renommierten Schriftstellers Herbert Rosendorfer, der selbst als Richter tätig war und seine Berufserfahrungen in die Geschichte einfließen ließ. Dies zeigt sich besonders in den realistischen Szenen vor dem Haftrichter und der akribischen Darstellung polizeilicher Ermittlungsarbeit. Regie führte Wolf Dietrich, der es verstand, die besondere Atmosphäre Münchens und des Chiemgaus einzufangen.

Eine Besonderheit dieser Tatort-Folge: Es gibt keinen einzigen Toten – eine Seltenheit in der Reihe, die sonst meist mit einem Mordfall beginnt. Auch der Vorspann weist eine Besonderheit auf, da die charakteristische Musik während der ersten Szene weiterläuft. Im Abspann sind Urlaubsszenen von Veigl mit seinem Dackel Oswald am Chiemsee zu sehen – ein augenzwinkernder Hinweis darauf, dass der Kommissar seinen unterbrochenen Urlaub nun endlich fortsetzen kann.

Nach der Ausstrahlung wurde besonders die authentische Darstellung des Polizeialltags mit seiner mühseligen Kleinarbeit und die Bedeutung des Zufalls bei den Ermittlungen von Kritikern gelobt. Die Folge gilt heute als klassisches Beispiel für die frühe Tatort-Ära, in der die regionalen Besonderheiten und die Charakterzeichnung der Ermittler eine ebenso wichtige Rolle spielten wie der eigentliche Kriminalfall.

Videos zur Produktion

ARD Plus Trailer

Trailer


Besetzung

Oberinspektor Veigl – Gustl Bayrhammer
Kriminaloberwachtmeister Lenz – Helmut Fischer
Kriminalwachtmeister Brettschneider – Willi Harlander
Muatterl – Franziska Liebing
Schilling – Nikolaus Schilling
Stallwangerin – Maria Stadler
Zimmermann – Edd Stavjánik
Sondermeier – Karl Obermayr
Kriminalrat Härtlinger – Hans Baur

Stab

Regie – Wolf Dietrich
Drehbuch – Herbert Rosendorfer

Bilder: BR/Foto Sessner

5 Kommentare

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  1. vor 10 Jahren

    Spannende Handlung bei guter schauspielerischer Besetzung! Der Friedhof zu Beginn der Folge befindet sich in Bogenhausen (St. Georg) und ist inzwischen als Promi-Friedhof bekannt (u.a. Carl Wery, Werner Kreindl, Helmut Fischer, Bernd Eichinger, RW Fassbinder, Walter Sedlmayr, Liesl Karlstadt, Siegfried Lowitz, Peter und Rudolf Vogel, usw.)

  2. vor 10 Jahren

    Klasse Schauspieler, herrliches Lokalkolorit und ein gutes Drehbauch. Kultig-schön.

  3. vor 10 Jahren

    Der Tatort Nummer 030 aus München. Hauptkommissar Veigel und Kriminalobermeister Lenz aus München ermitteln, in kurzer Zusammenarbeit mit Hauptkommissar Liersdahl aus Saarbrücken, welcher der geistige Chef von Hauptkommissar Schäfermann war, in einem spektakulären Entführungsfall. Nebenbei löst KHK V., die Rangbezeichnung Oberinspektor gab es gar nicht bei der Kripo, den Handtaschenraub an einer Rentnerin, auf einem Promi-Friedhof. Zwanzig Jahre später hat es diese Volksschauspielerin in Realität nur bis zu Westfriedhof München geschafft. Eigentlich ein urgemütlicher bayerischer Tatort-Spielfilm, den Veigels Dackel auch alleine hätte lösen können. Interessant die Automodelle aus den frühen 1970iger Jahren. Einige konnte ich später noch selbst fahren oder mitfahren. Meine noch, einen Fiat 850 Coupe erkannt zu haben, ein damaliger Freund aller Werkstätten. In den letzten 30 Jahren habe ich diesen Tatort-Krimi ein zweites Mal gesehen und es wird sicherlich nunmehr auch dabei bleiben. Ja!

  4. vor 6 Jahren

    Hier noch ein paar Drehorte zu den „Weißblauen Turnschuhen“: bei der Suche nach Franz Sondermeier durchlaufen Veigl und Lenz die Thalkirchener Straße vor dem Eingang zur Großmarkthalle. Fündig werden sie dann bei der Armenspeisung im Kapuzinerkloster St. Anton in der Isarvorstadt. Beim Ledigenheim (Beginn der Suche) bin ich mir nicht sicher. Es ist aber gut möglich, dass auch diese Location echt ist (Bergmannstraße/Westend)! Die Bank in der Zimmermann gestellt wird war der Altbau der Bayerischen Landesbank in der Brienner Straße.

  5. vor 4 Jahren

    Ich bin schon sehr froh, dass es einige alte Folgen der Tatort Reihe damals auf DVD geschafft haben. Der Weißblaue Turnschuh ist ein unterhaltsamer und spannender 70er Jahre Krimi aus München und a scheene Zeitreise. 4 Sterne

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