Tatort Folge 100: Ein Schuss zuviel
Erscheinungsjahr: 1979
Kommissar: Haferkamp
Ort: Tatort Essen
Der Plot der Jubiläumsfolge „Ein Schuss zuviel“ von 1979 dreht sich um zwei Männer, die aus der Untersuchungshaft fliehen und dabei einen Vollzugsbeamten als Geisel nehmen. Doch einer der beiden Kriminellen kommt nicht weit: Vor dem Haupttor des Gefängnisses wird der flüchtige Kriminelle Suk, ein Türke, vom diensthabenden Wachtmeister Jakobs erschossen.
Hauptkommissar Heinz Haferkamp (Hansjörg Felmy) leitet die Ermittlungen im Fall. Die Untersuchungen erweisen sich schnell als schwierig, denn einer der vernommenen Beamten der Justizanstalt, Wachtmeister Wörlemann, wirft Jakobs vor, übeilt gehandelt zu haben. Es hätte andere Möglichkeiten gegeben, den Häftling an einer Flucht zu hindern. Jakobs dementiert die Vorwürfe – er habe das einzig Richtige getan!
Ein wichtiger Zeuge der Tat, Tomi Selzer, befindet sich noch immer auf der Flucht und kann zu den Ereignissen im Fall „Ein Schuss zuviel“ nicht durch die Kriminalpolizei befragt werden. Tomi denkt nicht daran, sich zu stellen. Er will schließlich nicht wieder in den Knast zurück. Selzer saß unschuldig hinter Gittern – das ist seine Überzeugung -, durch die Geiselnahme auf der Flucht muss er jedoch nun mit einigen Jahren zusätzlicher Strafe rechnen. Kommissar Haferkamp versucht alles, um Tomi ausfindig zu machen…
Die Tatort-Folge 100 „Ein Schuss zuviel“ ist ein eher ungewöhnlicher Haferkamp-Krimi: die Geschichte wechselt zwischen ruhigen, statischen und actionreichen Momenten hin und her. So bietet das Ende der Episode eine spannende Verfolgungsjagd zwischen der Polizei und dem Verdächtigen. Es geht dabei nicht um die klassische Frage, wer die tödliche Kugel abgefeuert hat, sondern ob dies aus Fahrlässigkeit geschah oder nicht. Haferkamps Assistent Kreutzer hat in dieser Folge einen größeren Auftritt, während Haferkamps Ex-Frau Ingrid nicht in Erscheinung tritt.
Der WDR-Tatort wurde im Winter 1978 in Essen und Berlin abgedreht. Die Erstsendung am 4. Juni 1979 im Ersten Programm der ARD erreichte eine beachtliche Einschaltquote von 36 Prozent Marktanteil.
Besetzung
Kommissar Haferkamp – Hansjörg Felmy
Kreutzer – Willy Semmelrogge
Tomi Selzer – Thomas Ahrens
Birgit Illich – Michaela May
Sisi Feldmann – Nora Barner
Rudi Jakobs – Herbert Stass
Günther Wörlemann – Friedrich-Georg Beckhaus
Frau Jakobs – Vera Kluth
Friedrich-Georg Backhaus (Wörlemann)
Jürgen Draeger (Staatsanwalt)
Horst Pinnow (Gefängnisdirektor)
Henning Gissel (Aufsichtsbeamter)
Hans Beerhenke (Aufsichtsbeamter)
Karl Friedrich (Aufsichtsbeamter)
Helmut Kraus (Aufsichtsbeamter)
Gisela Zülch (Ärztin)
Conny Palme (Steiger)
Stab
Drehbuch – Wolfgang Mühlbauer
Regie – Hartmut Griesmayr
Kamera – Kai Borsche
Szenenbild – Susanne Quendler
Kostüme – Regine Baetz
Produzent – Jürgen Sehmisch
12 Meinungen zum Tatort Folge 100: Ein Schuss zuviel
Der Tatort 100. Die Nummer ist würdig für einen der besten und beliebtesten Tatort-Kommissare dieser langen Krimiserie. Hauptkommissar Haferkamp aus Essen ermittelt in diesem Polizeifilm aus dem Jahr 1979 zusammen mit seinem engen Kollegen, Kriminalhauptmeister Kreutzer, im Falle eines Tötungsdeliktes während eines Gefängnisausbruches. Ungereimtheiten bei der Ausübung seines Wachdienstes bei einem Justizbeamten sowie Verfolgung des zweiten Ausbrechers durch die beiden gern gesehenen Mordermittler sind der Schwerpunkt dieses Tatort-Films. Während dessen Flucht passiert ein weiterer Mord, ein ziviler Wachmann muss dran glauben und was liegt näher, als den Flüchtigen zu verdächtigen. Leider nicht gerade einer der stärksten Tatort-Spielfilme aus der Haferkamp-Reihe und so langsam zeigt sich auf, dass seine Ära dem Ende entgegen geht. Aber ein durchaus sehenswerter Kriminalfilm um Schuld und Sühne und ein sehenswertes Zeitdokument des endenden 1970 Jahrzehnt. Bravo.
Prima Tatort, schon lange her. Aber von wem ist die Musik?
Das mit der Musik hat mir auch keine Ruhe gelassen, da ich mir 100%ig sicher war, daß ich sie kenne…
Kein Wunder, denn es ist „Firth of fifth“ von Genesis aus der LP „Selling England by the Pound“ (eine meiner Lieblingsscheiben) und später live „Seconds out“…
Ich war damals absoluter Fan der frühen Genesis! :)
Mußte es einfach recherchieren, da mir die Melodie ständig im Kopf rumging…
Das ist mein absoluter Lieblingstatort. Ich habe ihn zum ersten Mal ca. 1996 im TV gesehen.
Der Film zeichnet sich durch die schicksalhafte Eskalation aus, die einen Unschuldigen immer weiter in Schwierigkeiten bringt, obwohl er sich dagegen zu wehren versucht und dabei alle Perspektiven vernichtet. Das Thema Loyalität im Strafvollzug mit seinen Facetten Gerechtigkeit und Solidarität finde ich auch sehr interessant dargestellt.
Zudem spielt der Tatort in meiner Heimatstadt Essen.
Die Musik hat mich schon in den 90ern begeistert. Ich habe damals an den WDR geschrieben und mich nach der Musik erkundigt. Ich bekam ein mit Schreibmaschine ausgefülltes Formblatt auf dem der WDR bei der GEMA jedes Musikstück mit Dauer, Anfangs- Endzeit, Titel und Komponist gemeldet hat. Die o.g. Genesisplatte bereicherte kurz danach meine CD-Sammlung.
Eine Frage stellt sich mir doch zur Location. Welche wurden in Essen, welche in Berlin genutzt. Auf welcher Zeche(wohl in Essen?) wurde das Finale gedreht?
Stimmt, das war einer der guten alten Tatorte der 70er. Keine Psychopaten-Täter wie so oft in den neueren Folgen. Ganz „normale“ Kriminelle oder Menschen, hier der Wachmann der versagt und schießt. Fehleinschätzungen, sprich menschliches Versagen bestimmen die Handlung.
Und die Musik, mir ging es wie joern, ich saß Stunden am Turntable um das Stück von Genesis zu finden. War schön, mal wieder die Sammlung dieser Großartigen Band durchzuspielen.
Alla Hopp!
Solide Story mit müde-resigniertem Haferkamp, die psychologische Spannung unter den Wärter-Kollegen gut dargestellt, etwas überdreht die Rolle der Birgit, gespielt von der noch jungen Michaela May. Herbert Stass sehr überzeugend. Viel Pott-Kolorit aus den Siebzigern, Musikauswahl erstklassig.
Oben schrieb Oliver von den GEMA-Listen – ich bin „Radioheini“ und war mal beim WDR-Hörfunk (auch bei anderen deutschen Sendern). Nach jeder Sendung mußten alle gespielte Titel streng auf diese Listen von Hand protokolliert werden, was besonderen „Spaß“ machte. Dabei promoten doch gerade Radiostationen die Künstler durch gezieltes Airplay…
@Oliver: Die Zeche ist „Carl Funke“ in Heisingen. Sie wurde 1973 stillgelegt und 1985 abgerissen und renaturiert. Heute ist nur noch der Förderturm und ein Pumpenhaus übrig.
@Stefan
Danke für die Location Info.
Schön, dass der Turm noch übrig geblieben ist.
Sehr traurig, dass das Gebäudeensemble weg ist.
Weitere Fortsetzungen der Modernisierungskultur, der in Essen
u.a. das alte Rathaus und die Scheidtschen Hallen zum Opfer fielen.
In Ermangelung von Nutzungsideen und -willen ist das leider so.
Anderes Thema.
Ausgezeichneter Tatort.
Die dargestellte Problematik ist zeitlos, auch heute noch aktuell.
Kann mich den Vorrednern anschließen. Zeitloses Thema, wie sich die beteiligten Protagonisten die „Wahrheit“ zurecht biegen. Spezial die Ehefrau von Jacobs. Die schöne heile Fassade vom Mann aufrecht erhalten. Mit so einer Frau möchte ich keine 5 min zusammen sein. Über authentische Gefühle und Seelenqualen kann man mit der nicht reden. Wir alles verdrängt. Prima Zeitgeist. Damals sagte man: „Über so etwas redet man nicht!“
Jeder redet dem anderen gut zu, damit er es so macht, dass es in die eigene heile Welt passt. Ansonsten herrliche Bilder. Bettwäsche und Tapeten.
Nix mit Gender und so. Da gab es noch Fräuleins, die nicht abwertend als solche bezeichnet und angesprochen werden.
Und Jacobs, man meint fasst er schlägt beim Gehen die Hacken zusammen.
Echt herrlich und auch ein wenig traurig. Hatte am Ende sehr viel Sympathie für Tomi
Ja, der zeitweise resignierend wirkende Haferkamp bleibt in dieser Folge ebenso haften, wie sein gebrochenes Versprechen gegenüber Fräulein Feldmann in der Kneipe. Weiß jemand, welches Musikstück da in der Gaststätte läuft? Das hört sich für mich nach Bellamy Brothers oder ähnlichem an. Zur Zeche Carl Funke möchte ich noch – bevor jemand von weit her anreist und enttäuscht ist – präzisieren. Es steht heute noch das offene Fördergerüst über dem Schacht 1. Der geschlossene Förderturm mit Turmkopffördermaschine, erst Mitte der 1960-er Jahre über Schacht 2 errichtet und keine zehn Jahre im Förderbetrieb, wurde Mitte der 1980-er Jahre gesprengt. Davon gibt es Amateurfilmbilder, die der WDR einmal bei einer Baldeneysee-Reportage eingebaut hat.
Die Suche nach dem Lied in der Kneipe aus der Musikbox ist erledigt. Es handelt sich um „Handy Man“ von James Taylor.