Kurz und knapp – darum geht’s
Als der Ingenieur Achim Wiegand bei der nächtlichen Inspektion einer Maschine in seiner Firma ums Leben kommt, deutet zunächst alles auf einen tragischen Arbeitsunfall hin. Doch Kommissar Franz Markowitz entdeckt bald Hinweise auf ein mörderisches Komplott und beginnt, im familiären Umfeld des Toten zu ermitteln. Die seltsame Verschlossenheit von Wiegands Ehefrau, seinem Sohn Stefan und vor allem seiner 16-jährigen Tochter Tini lassen den Ermittler stutzen – alle scheinen ein düsteres Geheimnis zu verbergen. Als Markowitz langsam die Konturen einer Familientragödie erkennt und ein lange verschwiegenes Verbrechen ans Licht kommt, steht er vor einem moralischen Dilemma, das seine Vorstellung von Gerechtigkeit auf die Probe stellt…
Inhalt der Tatort-Folge „Tini“
Angespannt wälzt sich die 16-jährige Tini Wiegand in ihrem Bett, als sie die schweren Schritte ihres Vaters auf dem Flur hört. Das gedämpfte Klopfen an ihrer Tür lässt sie zusammenzucken – ein vertrautes Ritual, das ihr Angst in die Knochen treibt. Kurz entschlossen flieht sie durchs Fenster zu ihrem Freund Ritchie, einem aufstrebenden Fußballprofi, der sie in dieser Nacht zunächst in Sicherheit bringt.
In der kalten Dämmerung des nächsten Morgens steht Kommissar Franz Markowitz vor einem rätselhafen Tatort: Eine Industriemaschine, in deren Kessel ein schwerverletzter Mann gefunden wurde – Achim Wiegand, Ingenieur und Familienvater. Was zunächst wie ein tragischer Arbeitsunfall wirkt, offenbart bei genauerer Betrachtung Spuren eines Kampfes und einen merkwürdigen Knopf am Boden des Kessels. Markowitz, ein Mann mit ruhigem Temperament und scharfer Beobachtungsgabe, spürt, dass hier mehr im Spiel ist als ein einfacher Unfall.
In der Wohnung der Familie Wiegand hängt die Atmosphäre so schwer wie Blei. Ingrid Wiegand, die Ehefrau des Verletzten, wirkt seltsam distanziert, als Markowitz sie über den Zustand ihres Mannes informiert. Die Ehe der beiden gleicht schon lange einem ausgebrannten Haus – von außen noch stehend, innen längst zerstört. „Was ist passiert?“, fragt Markowitz behutsam, doch stößt nur auf eine Mauer des Schweigens, hinter der ein Familiengeheimnis schlummert, das niemand aussprechen will.
Markowitz‘ Ermittlungen gleichen einem Tanz auf dünnem Eis – vorsichtig tastet er sich vor, ohne zu wissen, wo die brüchigen Stellen sind. Als er im Büro des Ingenieurs auf verstörende Hinweise stößt, die auf ein ungesundes Interesse Wiegands an seiner eigenen Tochter deuten, verdichten sich die Schatten zu einem düsteren Bild. Während Achim Wiegand im Krankenhaus mit dem Tod ringt, folgt Markowitz der Spur zu Tini und ihrem Freund Ritchie, der mit einer nervösen Unruhe auf die Fragen des Kommissars reagiert.
Als Wiegand im Krankenhaus stirbt und kurz darauf seine Frau Ingrid Selbstmord begeht, steht Markowitz vor den Scherben einer zerrütteten Familie. Ein düsteres Mosaik aus Gewalt, Missbrauch und verzweifelten Reaktionen fügt sich langsam zusammen. „Ich habe ihn getötet“, gesteht Tini in der psychiatrischen Klinik, wohin sie nach dem Tod ihrer Eltern gebracht wurde. Doch auch ihr Bruder Stefan und ihr Freund Ritchie behaupten jeweils, die Tat allein begangen zu haben. Wie drei verzweifelte Schutzmauern stellen sie sich vor das Mädchen, das jahrelang von seinem Vater missbraucht wurde, während die Mutter wegschaute.
Im grauen Berliner Winterlicht steht Markowitz schließlich vor einer grundlegenden Frage: Wo endet die Gerechtigkeit und wo beginnt die Menschlichkeit? Seine Entscheidung, die Beweise diskret verschwinden zu lassen, wirft einen langen Schatten auf sein Verständnis als Polizist – und doch scheint es der einzige Weg, um nicht weitere Leben zu zerstören.
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Tini“ ist der zweite Fall für den von Günter Lamprecht verkörperten Berliner Kommissar Franz Markowitz, der zwischen 1991 und 1995 insgesamt acht Mal in der ARD-Krimireihe zu sehen war. Unter der Regie des tschechischen Filmemachers Stanislav Barabas und nach einem Drehbuch von Werner Waldhoff entstand der Film noch vor dem Mauerfall im Herbst 1989 in West-Berlin, wurde aber erst nach der Wiedervereinigung am 7. Juli 1991 ausgestrahlt.
Neben Günter Lamprecht, der vor allem durch seine Rolle als Franz Biberkopf in Fassbinders „Berlin Alexanderplatz“ bekannt wurde, glänzen Lisa Kreuzer und Rüdiger Vogler in den Nebenrollen. Der vom Sender Freies Berlin (SFB) produzierte Film behandelt mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs in der Familie ein für die damalige Zeit noch weitgehend tabuisiertes Sujet und wurde für seinen sensiblen Umgang mit dem schwierigen Thema von der Kritik gelobt.
Markowitz‘ Charakter als ruhiger Moralist und Menschenkenner, der die harten Straßen Berlins kennt und dennoch seine Empathie nicht verloren hat, etablierte sich mit diesem Fall als eine prägende Ermittlerfigur der frühen 1990er Jahre im „Tatort“. Im Jahr 2018 wurde die Folge im Auftrag des RBB restauriert und liegt seitdem auch in HD-Qualität vor – ein Beleg für die andauernde Relevanz dieser frühen Auseinandersetzung mit einem gesellschaftlichen Tabuthema.
Besetzung
Kriminalhauptkommissar Franz Markowitz – Günter Lamprecht
Achim Wiegand – Rüdiger Vogler
Ingrid Wiegand – Lisa Kreuzer
Stefan Wiegand – Henry Arnold
Geber Max – Volkert Martens
Tini Wiegand – Caroline Redl
Stab
Buch: Werner Waldhoff
Regie: Stanislav Barabas
Bilder: RBB
hervorragend gespieltes Drama um eine furchtbare Familientragödie!
Kriminalstatistiken zu diesem Thema lassen erahnen, dass es sicherlich eine nicht unerhebliche Dunkelziffer solcher Verbrechen in der Bevölkerung geben muss.
Die Handlung dieses Filmes lässt den Zuschauer geradezu erschauern, wie die Tat eines Einzelnen eine ganze Familie in den Abgrund stürzt.
Filme mit dieser Dramatik sind heute leider selten geworden!
grandios, dieser Markowitz, fast wie Phil Marlowe…
Der Tatort 245 aus Berlin. Es ermittelt ein Hauptkommissar Markowitz in einem Tötungsdelikt, das sich später als gemeinsam durchgeführter Mord entpuppte, aber, aufgrund der Initiative des Hauptkommissars, welcher Beweismittel verschwinden ließ, nie strafrechtlich verfolgt wurde. Hintergrund der Tat war der jahrelange Mißbrauch eines brutalen Familienvaters an der Tochter sowie die brutale Unterdrückung seiner Ehefrau, die später aus Scham Suizid begann und des gemeinsamen Sohnes. Das eingeschweißte jugendlich Trio ging nach der Tat jedoch auseinander, es gab nie eine gemeinsame Zukunft. Eindrucksvoller Tatort, wobei Markowitz Gedankengänge in einem Erzählton dem Zuschauer mitgeteilt wurden.
Markowitz wieder grandios am ermitteln. So eine sympatische Ermittlerfigur. Hier haben wir es fast mit einem Drama zu tun. Klasse Schauspieler und interessante Charaktere, insbesondere Tini, zeichnen diesen Tatort aus.
Toller Tatort.
Beeindruckende Handlung und toll gespielt
Regiearbeiten unter aller Sau.
Äußerst mißfällig.
Nichts gegen Lamprecht, aber diese möchte gern Marlow und der Hysterie ist fernab jeglicher Realität…
Tolle Tatort Folge, Markowitz ist schon etwas besonderes.