Kurz und knapp – darum geht’s

Ein brisanter Fall führt den neuen Chefinspektor Moritz Eisner in ein nobeles Seniorenheim für ehemalige Opernstars, wo die verkohlte Leiche des einst gefeierten Tenors Oscar Weisshaupt im Keller entdeckt wird. Die Ermittlungen offenbaren ein Geflecht aus Eifersucht, alten Liebesgeschichten und finanziellen Machenschaften, während auffällig viele Heimbewohner unter mysteriösen Umständen sterben. Als die junge Geliebte des Mordopfers plötzlich Selbstmord begeht, gerät Eisner in ein gefährliches Spiel zwischen verblassten Bühnenstars und einem dubiosen Heimleiter mit eigenen Plänen…

Inhalt der Tatort-Folge „Nie wieder Oper“

Mürrisch betritt Chefinspektor Moritz Eisner das luxuriöse Künstlerheim, der Geruch von teurem Parfüm vermischt sich mit dem des verkohlten Leichnams im Keller. „Mit Oper hab‘ ich’s nicht so“, murmelt er seinem Team zu, während die ersten Töne einer Arie durch die holzgetäfelten Flure schweben. Ausgerechnet in dieser Welt aus Koloraturen und Librettos muss er nun ermitteln.

Die Gerichtsmedizinerin Dr. Renata Lang ist entschieden: „Der Brand war nur Tarnung, Herr Inspektor. Strychnin hat ihn getötet, nicht das Feuer.“ Eisner, kantig und pragmatisch, steht rat- und verständnislos zwischen alternden Diven und vergangenen Bühnenstars, die mit Grandezza und dramatischen Gesten seine Ermittlungen erschweren. Seine jugendliche Kollegin Suza Binder fällt mit ihrem unkonventionellen Modestil im gediegenen Ambiente des Heims auf wie ein Rockkonzert in der Staatsoper.

Die Herbstsonne bricht durch die schweren Vorhänge des Heims, als Eisner auf ein seltsames Detail stößt: zerrissene Fotografien im Zimmer des Toten. „Wer ist diese junge Frau?“, fragt er die betagte Sopranistin Babette Schöne, die daraufhin bleich wird wie die Wände des Speisesaals. „Merimee, die Tochter meiner Erzrivalin“, erklärt sie mit brüchiger Stimme. Der Kriminalbeamte ahnt noch nicht, welche Tragödie sich hinter dieser simplen Antwort verbirgt.

Die Nächte in Wien werden länger und kälter, während Eisner das Heim durchkämmt und auf mehrere Ungereimtheiten stößt. Warum finden aufwändige Renovierungsarbeiten statt, obwohl die Stiftung angeblich vor dem finanziellen Ruin steht? Und weshalb werden keine neuen Bewohner mehr aufgenommen, obwohl auffällig viele Zimmer frei werden? Seine Nachforschungen gleichen einem Hindernislauf zwischen Eitelkeiten und alten Fehden.

„Dieser Weisshaupt war ein Teufel mit goldener Stimme“, erklärt ihm Viktoria Leon, einst gefeierte Koloratursopranistin, während sie mit zittriger Hand nach ihrer Medizin greift. Der Blick, mit dem sie dabei die Fotografie ihrer Tochter streift, entgeht Eisner nicht. Etwas stimmt hier nicht, und es hat mit weit mehr zu tun als nur dem Tod eines alten Opernstars.

Als Bezirksinspektor Norbert Dobos, der gemächlichere Teil des Teams, auf einer abgesperrten Etage Baupläne für ein Hotelprojekt entdeckt, scheint der Fall eine unerwartete Wendung zu nehmen. Die plötzliche Aggressivität des Heimleiters Hoffmann verstärkt Eisners Verdacht, dass hier ein perfider Plan verfolgt wird. „Was haben Sie mit den alten Leuten vor?“, konfrontiert er den Mann, dessen glatte Fassade langsam Risse bekommt.

Der Kriminalfall gleicht immer mehr einer Operninszenierung – voller Dramatik, unerwarteter Wendungen und großer Emotionen. Doch zwischen den Arien und dem Applaus von gestern lauert ein Geheimnis, das tödlicher ist als jede Bühnentragödie.

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Nie wieder Oper“ markierte im Herbst 1998 einen kompletten Neuanfang für die österreichische Tatort-Reihe. Gedreht wurde in Wien und Umgebung mit einem völlig neuen Ermittlerteam. Harald Krassnitzer, der gerade seine Rolle als „Der Bergdoktor“ im ZDF verloren hatte, übernahm die Hauptrolle als Chefinspektor Moritz Eisner – ein Glücksgriff, wie sich herausstellen sollte, denn er verkörpert diese Figur bis heute.

Dem ORF gelang ein besonderer Coup: Für die Rollen der Heimbewohner wurden internationale Operngrößen gewonnen, darunter die Kammersängerinnen Marta Eggerth-Kiepura (Jahrgang 1912), Gerda Schreyer und Christel Goltz sowie die Kammersänger Adolf Dallapozza, Walter Berry, Otto Edelmann und Waldemar Kmentt. Sogar der legendäre Opernexperte Marcel Prawy übernahm eine kleine Rolle – er war einst der Sekretär des Ehepaars Kiepura in den USA gewesen und half, die in die USA emigrierte Marta Eggerth für den Film zu gewinnen.

Die Regie führte Robert Adrian Pejo, der zusammen mit Peter Conolly-Smith auch das Drehbuch verfasste. Eine Besonderheit: Der Co-Autor befand sich während der Produktionszeit in den USA, was durch die Zeitverschiebung zum Vorteil wurde – morgens lagen seine Drehbuchseiten vor, während er beim Aufstehen die Anmerkungen des Teams vorfand.

Bei der Erstausstrahlung am 17. Januar 1999 verfolgten in Deutschland 6,12 Millionen Zuschauer den ersten Einsatz von Harald Krassnitzer. Das entsprach einem Marktanteil von 17,01 Prozent. Der erste Fall von „Tatort“-Ermittler Moritz Eisner überzeugte zwar nicht alle Krimifans, gilt aber heute als wichtiges Zeitdokument – besonders für Opernliebhaber, die viele der mitwirkenden Gesangsstars noch im Original auf der Bühne erleben durften.

Besetzung

Chefinspektor Moritz Eisner – Harald Krassnitzer
Dr. Renata Lang – Gundula Rapsch
Babette Schöne – Marta Eggert Kiepura
Viktoria Leon – Erni Mangold
Merimee Leon – Mijou Kovacs
Herr Bugatti – Marcel Prawy
Norbert Dobos – Alois Frank
Suza Binder – Loretta Pflaum
Eugen Hoffman – Christoph Moosbrugger
Dr. Svetlana Gruber – Konstanze Breitebner
u.a.

Stab

Drehbuch – Robert Pejo, Peter Conolly-Smith
Regie – Robert Pejo
Kamera – Wolfgang Lehner
Schnitt – Gerda Ghanim
Musik – Paul Winter
Produktion – ORF