Kurz und knapp – darum geht’s
In Stuttgart wird innerhalb eines Jahres der zweite Taxifahrer auf dieselbe Weise ermordet – erstochen und ausgeraubt. Hauptkommissar Ernst Bienzle erkennt schnell das Muster: Das zweite Opfer war der Verlobte von Anita Holz, deren erster Ehemann als erstes Mordopfer starb. Während die Taxifahrer der Stadt zunehmend in Panik geraten und sich bedroht fühlen, stößt Bienzle auf Ungereimtheiten im ersten Fall und Verbindungen zur erbitterten Konkurrenz in der Stuttgarter Taxibranche. Als ein dritter Fahrer tot aufgefunden wird, droht die Situation zu eskalieren und die aufgebrachten Taxifahrer nehmen die Sache selbst in die Hand…
Inhalt der Tatort-Folge „Bienzle und der Taximord“
Nebelschwaden wallen durch die nächtlichen Straßen Stuttgarts, als Hauptkommissar Bienzle an den Tatort gerufen wird. Das kalte Licht der Polizeilampen erhellt das verlassene Taxi, in dem Konrad Lenzen erstochen aufgefunden wurde – seine Geldtasche leer, alle Anzeichen eines Raubmordes. Während der Wind durch die kahlen Bäume pfeift, reibt sich Bienzle müde die Augen. Dieser Fall weckt düstere Erinnerungen an einen ungelösten Mord im Vorjahr.
„Es war genau dasselbe Muster“, murmelt Bienzle zu seinem Kollegen Günter Gächter. Der erste Tote war Gerhard Holz, ebenfalls Taxifahrer und Eigentümer eines kleinen Taxiunternehmens. Und Lenzen? War nicht nur dessen Angestellter, sondern auch der Verlobte seiner Witwe. Eine merkwürdige Fügung des Schicksals, die Bienzles schwäbischem Misstrauen sofort Nahrung gibt. Der wortkarge Kommissar mit dem oft grimmigen Gesichtsausdruck vertraut nicht an Zufälle – schon gar nicht, wenn sie so perfekt ineinandergreifen.
Im „Taxistüble“, dem traditionellen Treffpunkt der Stuttgarter Taxifahrer, schlägt Bienzle eine Welle aus Angst und Wut entgegen. „Die Polizei tut nichts!“ schallt es ihm entgegen, während er am Türrahmen lehnt und schweigend zuhört. Die Männer und Frauen fürchten um ihr Leben, jeder neue Fahrgast könnte der Mörder sein. Die nächtlichen Fahrten durch die Stadt gleichen einem Russisch Roulette, bei dem keiner weiß, wann die tödliche Kugel kommt.
Anita Holz, gespielt von der ausdrucksstarken Katrin Saß, versucht trotz ihrer Trauer, das Taxiunternehmen über Wasser zu halten. „Erst mein Mann, jetzt Konrad“, sagt sie mit brüchiger Stimme, während der Regen gegen die Fensterscheiben ihres kleinen Büros prasselt. „Er wollte sein Erbe in die Firma stecken. Jetzt bin ich am Ende.“ In ihren Augen spiegelt sich nicht nur Trauer, sondern auch Angst – Angst vor dem Verlust ihrer Existenz.
Der große Fisch im kleinen Teich der Stuttgarter Taxibranche ist Erich Blacher, ein Mann mit kühlem Blick und eisernem Willen. Er hat es längst auf Holz‘ Unternehmen abgesehen, die wirtschaftliche Not der Witwe kommt ihm gerade recht. „Das Geschäft ist hart“, sagt er zu Bienzle mit einem Lächeln, das seine Augen nicht erreicht. „Nicht jeder ist für den Überlebenskampf gemacht.“
Die Fahndung nach den letzten Fahrgästen von Lenzen gerät zur Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen, während Bienzle zunehmend misstrauisch wird. Die Akten des ersten Mordfalls wurden auffallend schnell geschlossen, der damalige Ermittler Martin Gollhofer ist inzwischen pensioniert und zurückgezogen auf seinem Weingut. Als Bienzle ihn dort besucht, prallen zwei Sturköpfe aufeinander. „Den Fall haben Sie aber schnell zu den Akten gelegt“, provoziert Bienzle seinen früheren Kollegen, der nur schweigend in seinen Weinkelch starrt.
Doch bevor Bienzle tiefer graben kann, erschüttert ein dritter Mord die Stadt. Wieder ein Taxifahrer, wieder ein Messer. Die Stimmung kippt endgültig. Im grell beleuchteten Taxistüble ballen sich die Fäuste, die Fahrer planen, selbst Jagd auf den vermeintlichen Serienmörder zu machen. Die Situation gleicht einem Pulverfass, an dem bereits die Lunte brennt.
Während Bienzle und sein Team gegen die Zeit ankämpfen, verdichten sich die Hinweise auf eine Verbindung zwischen den Mordopfern und dem Taxiunternehmer Blacher. Doch reichen die Indizien aus? In einer stürmischen Nacht, als die aufgebrachten Taxifahrer kurz davor sind, Selbstjustiz zu üben, muss Bienzle nicht nur einen Mordfall lösen, sondern auch ein Lynchgericht verhindern…
Hinter den Kulissen
Der SWR-Tatort „Bienzle und der Taximord“ entstand vom 12. November bis zum 13. Dezember 2002 unter der Regie von Hans-Christoph Blumenberg in Stuttgart, Baden-Baden und Karlsruhe. Das Drehbuch stammt aus der Feder von Felix Huby, der als „Vater“ der Figur Ernst Bienzle gilt und in seiner Karriere über 30 Tatort-Skripte verfasst hat.
Es ist der 18. Fall für den mürrischen Schwaben Ernst Bienzle, brillant verkörpert von Dietz Werner Steck, und die 538. Episode der traditionsreichen Tatort-Reihe insgesamt. Bemerkenswert ist, dass Bienzle in dieser Folge offiziell zum Ersten Kriminalhauptkommissar befördert wird, obwohl er in früheren Folgen gelegentlich bereits mit diesem Rang angesprochen wurde.
In den Hauptrollen glänzen neben Steck auch Rüdiger Wandel als sein Kollege Günter Gächter sowie Katrin Saß als vom Schicksal gebeutelte Taxiunternehmerin Anita Holz und Christian Redl als skrupelloser Konkurrent Erich Blacher.
Bei der Erstausstrahlung am 3. August 2003 im Ersten Deutschen Fernsehen verfolgten 6,09 Millionen Zuschauer die Sendung, was einem Marktanteil von beachtlichen 25,2 Prozent entsprach. Die Kritiken lobten besonders die von Felix Huby entwickelte Geschichte und die Darstellung der lokalen Eigenheiten des schwäbischen Kommissars. Der Film wurde als „schwäbische Wertarbeit“ bezeichnet, wobei die urbane, düstere Atmosphäre als ungewöhnlich für einen Bienzle-Tatort hervorgehoben wurde.
Nach der Ausstrahlung entwickelte sich unter Tatort-Fans eine Diskussion über die Inszenierung von Hans-Christoph Blumenberg, dessen Kameraführung und Großaufnahmen teils als überzeichnet kritisiert wurden. Dennoch wurde der Fall insgesamt als gelungene Tatort-Unterhaltung bewertet, insbesondere der emotionale Schluss beeindruckte viele Zuschauer.
Ein besonders unrealistischer Huby-Tatort. Wo sind die typischen türkischen und iranischen Taxifahrer die das Taxigewerbe westdeutscher Grosstädte prägen. Eine Achtziger Jahre Geschichte von 2003.
Der Tatort Nummer 538 aus Stuttgart. Der anfangs als Hauptkommissar Bienzle ermittelnde Beamte der dortigen Mordkommission, wird im Laufe der Ermittlungen zum 1. Hauptkommissar ernannt und das Ganze in einer Atmosphäre, welche auf negative Disziplinarmaßnahmen schließen lassen könnte. Gesucht wird in diesem Tatort-Fernsehfilm ein mehrfacher Taxifahrermörder, der seine Taten immer als Raubmorde tarnte und in Wirklichkeit nur Konkurrenten aus dem Weg räumen wollte. Im Zuge der Ermittlungen besuchte der Bienzle einen pensionierten Kollegen, der den ersten Mord vor tatsächlich einem Jahr bearbeitete und sich, wie sein Nachfolger, an Einzelheiten überhaupt nicht mehr erinnern konnte. Da fragt sich der unbeteiligte Zuschauer doch insgeheim, was ist den bloß in Stuttgart los? Fälle über Fälle! Gemächlicher Tatort-Spielfilm, kann man schauen, der guten Besetzung wegen.
Das Tempo ist wunderbar gemächlich und man lässt sich Zeit mit dem ermitteln. Erfrischend Altmodisch schöner Tatort.
Ich gebe @Gerhard Pettirsch Recht: Auch 2003 gab es in Stuttgart wohl nicht nur ausschließlich deutsche Taxifahrer.
Christian Redl spielte – wie im TO meistens – den fiesen Bösen, auch dieses Mal ziemlich überzeugend.
Und Bienzle hätte sich beim Kleidungskauf doch besser von Hannelore beraten lassen. Der von ihm selbständig gekaufte schwarze Anzug sah furchtbar aus … ;-)