Kurz und knapp – darum geht’s
Als zwei junge Männer, Hannes Lehm und Klaus Hößler, eine Frau vor einem vermeintlichen Vergewaltiger retten, werden sie selbst wegen Körperverletzung angeklagt. Berlins Kommissar Walther hat Zweifel an ihrer Schuld, doch vor Gericht dreht sich die Beweislage gegen sie: Der Täter wird zum Opfer, das Opfer bestreitet ein Verbrechen, und die beiden Retter erhalten vier Monate Haft. Als die beiden Studenten später erneut Zeuge werden, wie derselbe Mann ein Mädchen belästigt, geraten sie in einen moralischen Konflikt, der tödliche Folgen hat…
Inhalt der Tatort-Folge „Beweisaufnahme“
Schwitzend dreht Kommissar Walther seine Runden auf dem Sportplatz. Die Schusswunde an seiner Schulter behindert ihn noch, aber er muss wieder fit werden. Plötzlich wird er zu einem Einsatz gerufen – vor der Neuen Nationalgalerie hat es eine Schlägerei gegeben.
Am Tatort findet Walther mit seinem Assistenten Hassert eine verwirrende Szenerie vor: Zwei junge Männer, Hannes Lehm und Klaus Hößler, warten ruhig auf die Polizei, während der blutüberströmte Gunnar Melz auf dem Boden liegt. Die verstörte Susanne Roth behauptet, Melz sei lediglich zudringlich geworden, während Lehm und Hößler von versuchter Vergewaltigung sprechen. In Melz‘ Hand klammert noch ein abgerissener Knopf von Roths Kleid.
Die Sonne Berlins fällt grell auf den Platz vor dem Museum, während Walther skeptisch die Aussagen der Beteiligten aufnimmt. Für ihn passt etwas nicht zusammen, denn warum sollten die beiden Retter seelenruhig auf die Polizei warten, wenn sie wirklich grundlos zugeschlagen hätten?
Doch wenige Tage später wird Walthers Bauchgefühl auf die Probe gestellt: Susanne Roth ändert ihre Aussage und behauptet, Gunnar Melz sei ein Bekannter gewesen. Die Studenten beobachten, wie sie 5000 DM auf der Bank einzahlt – offensichtlich Schweigegeld. Walther will helfen, doch der zuständige Kollege verbietet ihm die Einmischung.
In der eiskalten Atmosphäre des Gerichtssaals werden die Beweise wie Spielkarten ausgeteilt. Der Prozess gleicht einem bösen Theaterstück: Ein befreundeter Psychiater der Familie Melz attestiert Gunnar völlige Harmlosigkeit, während Lehm und Hößler als aggressive Schläger dargestellt werden. In einem Wirbel aus Zeugenaussagen und juristischen Formeln werden sie zu vier Monaten Haft verurteilt – und die Wahrheit bleibt auf der Strecke.
Doch das Berlin der frühen 80er Jahre bleibt nicht still. Die Stadt selbst, mit ihren Kontrasten zwischen Villenviertel am Wannsee und alternativen Künstlerlofts in Kreuzberg, wird zur Bühne für das letzte Akt des Dramas. Lehm und Hößler, verbittert durch die Ungerechtigkeit, beginnen Gunnar Melz zu beschatten und entdecken, dass er wieder ein junges Mädchen belästigt – ausgerechnet die Tochter des Psychiaters, der ihn für harmlos erklärt hatte.
Wie ein düsterer Schatten lastet ihre Erfahrung auf ihnen. Sollen sie wieder eingreifen und riskieren, erneut verurteilt zu werden? Die Fahndung nach der Wahrheit gleicht einem Ritt auf der Rasierklinge, als sie schließlich doch handeln – und Gunnar Melz kurz darauf tot aufgefunden wird.
Hinter den Kulissen
„Beweisaufnahme“ ist der erste Fall des Berliner Kommissars Friedrich Walther, dargestellt von Volker Brandt, der diese Rolle insgesamt sechs Mal bis 1985 verkörperte. Die Tatort-Folge wurde vom Sender Freies Berlin (SFB) produziert und erstmals am 8. März 1981 in der ARD ausgestrahlt. Mit 20,65 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 55% war die Erstausstrahlung ein großer Erfolg.
Der noch junge Regisseur Peter Keglevic, damals erst 31 Jahre alt, inszenierte das Berlin der frühen 80er Jahre als eigenen Charakter im Film. Besonders auffällig sind die Kontraste zwischen Hochkultur und Subkultur, verkörpert durch die Schauplätze wie die Wannsee-Villa und die alternative Kreuzberger WG mit ihrer surrealen Loft-Wohnung, in der ein ganzes Zimmer als Südseeszenerie gestaltet ist.
Die Besetzung vereint bekannte und aufstrebende Schauspieler: Dieter Thomas Heck, damals bekannt als Moderator der „ZDF-Hitparade“, übernahm die Rolle des Vaters Erich Melz. Volker Brandt war bereits die deutsche Synchronstimme von Michael Douglas in „Die Straßen von San Francisco“. Als ungewöhnliche Besetzung gilt Magdalena Montezuma als Frau Melz – eine Ikone des avantgardistischen deutschen Films der 70er Jahre. Mareike Carrière und Leslie Malton sammelten hier frühe Schauspielerfahrungen.
Das Drehbuch stammte von Herbert Lichtenfeld, der bereits zehn Jahre zuvor den beliebten „Tatort“-Kommissar Finke entwickelt hatte und später durch die „Schwarzwaldklinik“ bekannt wurde. Die Filmmusik komponierte Peer Raben, ein enger Mitarbeiter von Rainer Werner Fassbinder. Das Szenenbild von Götz Heymann und die Kostüme von Katharina Schumacher unterstreichen die gesellschaftlichen Gegensätze der damaligen Zeit.
Die Kritiker der TV-Zeitschrift „TV-Spielfilm“ bewerteten die Folge allerdings als mittelmäßig und kommentierten: „Gekünstelte Episode ohne Spannung“. Dennoch gilt „Beweisaufnahme“ als interessantes Zeitdokument, das die sozialen Spannungen und das Berlin der frühen 80er Jahre authentisch einfängt und eine deutliche Kritik am Bürgertum erkennen lässt, das seine weiße Weste um jeden Preis reinhalten will.
Besetzung
Ulrich Faulhaber (Assistent Hassert)
Friedrich-Karl Praetorius (Hannes)
Jochen Schröder (Klaus)
Johanna Sophia (Rita)
Inge Blau (Verena)
Dieter Thomas Heck (Erich Melz)
Magdalena Montezuma (Annemarie Melz)
Manfred Lindlbauer (Gunnar Melz)
Leslie Malton (Evi Pechelt)
Edgar Ott (Dr. Pechelt)
Anita Kupsch (Frau Pechelt)
Mareike Carriere (Susanne Roth)
Rüdiger Kreklau (Wolfgang Ehlers)
Henning Gissel
Eric Vaessen
H. H. Jochmann
Horst Schultheis
Lothar Köster
Christine Lechle
Gerd Holtenau
Stab
Drehbuch – Herbert Lichtenfeld
Regie – Peter Keglevic
Kamera – Gerard Vandenberg
Schnitt – Barbara Herrmann
Musik – Peer Raben
Produktion – SFB
Der Tatort Nummer 122 aus Berlin mit dem Hauptkommissar Brandt plus Mitarbeiter von der Mordkommission. Ein typischer Tatort-Spielfilm über Schmiergeldzahlungen und Vertuschungen von Straftaten auf den Gebieten Vergewaltigungen und Körperverletzung in den anfänglichen 1980iger Jahren. Auf der einen Seite der unscheinbare und beliebt wirkende Triebtäter, auf der anderen Seite die Studenten, verbal und körperlich aggressiv, die ein Mädchen vor der Vergewaltigung retteten und trotzdem gerichtlich belangt worden sind, da das Opfer keine ehrlichen Angaben tätigte. Ein von der Sprache und der Geräuschkulisse her überlauter Tatort, ständig mußte eine oder mehrere Personen schreien oder sonstige laute Knalleffekte hinterlassen. Ich meine in dem Studentenatelier noch ein Poster einer großen Pop-Ikone gesehen zu haben, welches mir bis heute völlig unbekannt gewesen war. Letztlich stürzte der Triebtäter mit seinem letzten Opfer, eine Tochter von Freunden der Familie, in einen leeren Schwimmingpool und brach sich das Genick. Sein Tatort – Vater fand ihn, übrigens nebenbei ( in Echt-Zeit ) einer der ganz großen Showmaster des ZDF und Meister der Hitparade, zeigte sich aber nicht sonderlich tief betroffen. Der Tochter gab man noch schnell Verhaltensregeln gegenüber der Polizei auf, welche sie aber nicht durch hielt und Hauptkommissar Brandt hatte seinen Fall gelöst. Und wieder waren diese beiden subalternen Studenten Zeugen des Geschehens, ohne diesmal einzugreifen. Fazit: 1. Anklage wurde fallengelassen, 2. Anklage wegen Unterlassener Hilfeleistung. Ehrlich.
Anmerkung zu meiner Meinung vom 27.01.2016, 15:05 h. Es ist natürlich Hauptkommissar Walther aus Berlin und sein Kollege Kommissar Hassert sollte auch einmal namentlich erwähnt werden.
Kann mir jemand etwas über die Musik in diesem Tatort sagen?
@ Yvonne Goldmann: Es gibt Randy Newman zu hören, zum Beispiel gleich am Anfang. Ein US-Sänger und Pianist, war damals ziemlich bekannt. Ein Hit aus den Siebzigern ist sein Song „Short People“, den Krimifreunde natürlich aus der KOTTAN-Folge „Drohbriefe“ kennen. Die Filmmusik (abgesehen von Klaus Doldingers TATORT-Thema) stammt wie oben angegeben von Peer Raaben alias Wilhelm Rabenbauer, der damals den Großteil der Filmmusiken für Rainer Werner Fassbinder schrieb.
Ein langatmiger Quatschtatort. Nervige Dialoge, nervige Musik, unnatürliche Verhaltensweisen.
Hier sind zwei Reaktionen empfehlenswert :
1) Ton abschalten
2) Bild ausschalten
Scheint ein Vorläufer des Dortmunder Psychopathen-Anschrei-Schrotts zu sein.
Das ergibt also bestenfalls zwei von fünf möglichen Satellitenschüsseln für die miesen Geräuschkulissen.
Ein kurioses Teil aber irgendwie Schmuck. Tolle Musik und gelungene Bilder aus Berlin. Teils etwas schmutzige Gegend. Das gefällt mir gut. Walther ist mir ein sympathischer Kommissar. Tolles Teil.
Overacting und viel Gebrüll. Die beiden Hauptdarsteller werden einem schnell unsympathisch und nerven nach einiger Zeit nur noch. Dazu bleibt Dieter-Thomas Heck als Vater des Mörders seltsam blaß. Hätte mehr von ihm erwartet. Schade, denn der Aufhänger der Geschichte war eigentlich gut und filmische Ansätze, die über das biedere Abfilmen von Dialogen hinaus gehen, waren durchaus vorhanden. „Beweisaufnahme“ hätte ein guter Tatort werden können, aber irgendwie haben es die Schauspieler, der Regisseur und der Drehbuchautor dann doch vergeigt.