Kurz und knapp – darum geht’s

Aus Eifersucht verfolgt Hauptkommissar Ernst Bienzle seine Ex-Freundin Hannelore heimlich nach Heimerbach auf der Schwäbischen Alb, wo er zufällig Zeuge wird, wie der reiche Sägewerksbesitzer Albert Horrenried seinen Bruder Martin mit einer Waffe bedroht. Als Horrenried am nächsten Morgen tot im Sägewerk gefunden wird, übernimmt Bienzle widerwillig die Ermittlungen und versucht gleichzeitig, sich mit Hannelore zu versöhnen. Während zunächst alles auf den betrogenen Bruder als Täter hindeutet, findet Bienzle heraus, dass der verhasste Millionär ein Netz aus Demütigungen und Abhängigkeiten um sich gesponnen hatte – und als er einer heimlichen Liebesaffäre auf die Spur kommt, gerät sein kriminalistisches Gespür in höchste Alarmbereitschaft…

Inhalt der Tatort-Folge „Bienzle und die blinde Wut“

Die Abendsonne wirft lange Schatten auf die sanften Hügel der Schwäbischen Alb, während Kommissar Bienzle mit versteinerter Miene und pochendem Herzen seinem Liebeskummer nachgibt. Im Schutz der Dämmerung beobachtet er, wie seine Ex-Freundin Hannelore mit einem Unbekannten in Heimerbach eintrifft – ein Anblick, der ihm den Magen zusammenzieht. Doch sein peinliches Schnüffelmanöver wird unerwartet unterbrochen, als plötzlich laute Stimmen durch die Stille schallen. Nur wenige Meter entfernt entdeckt er zwei Männer in hitzigem Streit – der eine mit hochrotem Gesicht und erhobenem Gewehr, der andere mit angstgeweiteten Augen.

„Du hast mir lange genug das Leben zur Hölle gemacht!“, schreit Albert Horrenried, der wohlhabende Sägewerksbesitzer, dessen Ruf als unbarmherziger Geschäftsmann ihm vorauseilt. Nur durch Bienzles beherztes Eingreifen wird ein Unglück verhindert. Mit sanfter, aber bestimmter Stimme gelingt es dem Kommissar, den jähzornigen Mann zu beruhigen. Die explosive Situation erscheint Bienzle beinahe wie ein Geschenk, denn sie lenkt ihn für kurze Zeit von seinem eigenen Kummer ab. Was er nicht ahnt: Die Begegnung wird der Auftakt zu einem Mordfall, der ihn tiefer in die Abgründe menschlicher Beziehungen blicken lässt, als ihm lieb ist.

Der nächste Morgen begrüßt Heimerbach mit einem feinen Nebelschleier, der über den Wiesen wabert, als Bienzle vom Tod Albert Horrenrieds erfährt – erstickt unter einem Berg aus Sägemehl in seinem eigenen Werk. Das Sägewerk, dessen monotones Dröhnen dem Dorf seit Jahrzehnten den Takt vorgibt, ist plötzlich in unerträgliche Stille gehüllt. „Manchmal ist Schweigen lauter als jeder Schrei“, murmelt Bienzle, während er den Tatort inspiziert.

Heimlich zwischen seinen Ermittlungen sucht Bienzle immer wieder Hannelores Nähe und kämpft mit seinen verletzten Gefühlen. Die Fallarbeit wird für ihn zu einem Balanceakt zwischen beruflicher Pflicht und persönlicher Zerrissenheit – eine Zerrissenheit, die sich in seinem nachdenklichen Blick und den tiefen Furchen um seine Mundwinkel abzeichnet.

Die Spuren führen zunächst zu Martin Horrenried, dem Bruder des Opfers, der wie ein geprügelter Hund durch sein eigenes Leben zu schleichen scheint. Immer im Schatten seines dominanten Bruders, wurde er um das väterliche Erbe betrogen und fristet ein karges Dasein. „Die Brüder waren wie Feuer und Wasser“, erklärt eine Dorfbewohnerin dem nachdenklichen Kommissar, während der Wind an den Fensterläden rüttelt.

Doch Bienzles Ermittlungen gleichen einem Gang durch ein Labyrinth mit immer neuen Abzweigungen. Die Befragungen führen ihn zu Claudia Kranzmeier, der Geliebten des Verstorbenen. In ihren Augen entdeckt Bienzle ein seltsames Flackern, das von unausgesprochenen Geheimnissen zeugt. Als wären ihre Worte ein dünnes Eis, unter dem tiefe, dunkle Gewässer lauern. Die attraktive Frau hatte sich mit Horrenrieds herrischer Art arrangiert – im Tausch gegen finanzielle Sicherheit und gesellschaftliche Anerkennung. Doch dann kam Uli ins Spiel, Alberts Neffe, jung und unbeschwert. Eine verhängnisvolle Affäre begann.

„Ich habe nie… wir haben nicht…“, stammelt Claudia, als Bienzle ihr behutsam auf den Zahn fühlt. Doch ihre Nervosität verrät sie, und nach und nach enthüllt sich ein Geflecht aus Lügen, Betrug und verletztem Stolz. Bei seinen nächtlichen Rundgängen durch das Dorf, wo die Lichter in den Fenstern wie verlorene Hoffnungen wirken, wird Bienzle klar: Albert Horrenried war der meistgehasste Mann in Heimerbach – ein Mann, dessen Tod für viele eine Erlösung bedeutet.

Während die Dorfbewohner hinter vorgehaltener Hand tuscheln und Bienzle immer tiefer in das Netz aus Missgunst, Neid und unterdrückter Wut eintaucht, nähert er sich Schritt für Schritt der Wahrheit. „In diesem Fall“, sagt er zu seinem Kollegen Gächter, der aus Stuttgart zur Unterstützung angereist ist, „ist nicht die Frage, wer ein Motiv hatte – sondern wer kein Motiv hatte.“

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Bienzle und die blinde Wut“ ist die zehnte Episode mit dem von Dietz-Werner Steck verkörperten Stuttgarter Kommissar Ernst Bienzle und wurde vom Südwestrundfunk (SWR) unter der Regie von Hartmut Griesmayr produziert. Die Dreharbeiten fanden von April bis Mai 1999 statt, wobei als Drehorte Kirchheim unter Teck und Ochsenwang auf der Schwäbischen Alb dienten. Das im Film gezeigte Sägewerk steht tatsächlich in der Gemeinde Ottenhöfen im Ortenaukreis, ebenso wie das als Gaststätte dienende Hotel Pflug am gleichen Ort.

Bei der Erstausstrahlung am 14. November 1999 im Ersten Deutschen Fernsehen konnte die 427. Episode der Filmreihe „Tatort“ beeindruckende 9,92 Millionen Zuschauer vor die Bildschirme locken, was einem Marktanteil von 28,1 Prozent entsprach – ein deutlicher Beleg für die Beliebtheit des schwäbischen Ermittlers.

Die Folge wurde ursprünglich unter dem Arbeitstitel „Bienzle und die lange Wut“ geplant, bevor man sich für den endgültigen Titel entschied, der die emotionale Intensität der Handlung treffender widerspiegelte.

Besetzung

Rüdiger Wandel (Kommissar Günter Gächter)
Rita Russek (Hannelore Schmiedinger)
Simone Thomalla (Claudia Kranzmeier)
Paul Faßnacht (Albert Horrenried)
Thomas Goritzki (Martin Horrenried)
Bernd Gnann
Christoph Wackernagel
Matthias Ponnier
Walter Renneisen
Buddy Elias
Bernd Tauber
Klaus Spürkel
Reinhold Ohngemach
Monika Hirschle
Alex Ganz
Boris Burgstaller

Stab

Drehbuch – Felix Huby
Regie – Hartmut Griesmayr
Kamera – Hans-Jörg Allgeier
Musik – Joe Mubare
Produktion – SWR