Kurz und knapp – darum geht’s

Am nebelverhangenen Ufer der Donau wird die Leiche einer Hamburger Industriellengattin gefunden. Oberinspektor Marek nimmt widerwillig die Ermittlungen auf und der Verdacht fällt schnell auf den Ehemann der Toten, einen angesehenen Großindustriellen. Doch als sein Hamburger Kollege Kommissar Trimmel in Wien auftaucht, nehmen die Ermittlungen eine unerwartete Wendung. Plötzlich offenbaren sich Verbindungen in die Unterwelt, ein mysteriöser roter Koffer taucht auf und die beiden Kommissare geraten in ein gefährliches Netz aus Erpressung und Lügen, das weit über den vermeintlichen Ehegattenmord hinausreicht…

Inhalt der Tatort-Folge „Mordverdacht“

Der kalte Novemberwind treibt den Morgennebel über die Donau, als Oberinspektor Viktor Marek mürrisch den Tatort betrachtet. Die Leiche von Frau Tüllmann liegt wie eine weggeworfene Puppe am Ufer – die Ehefrau eines Hamburger Großindustriellen und ehemaligen Senators. Marek reibt sich die müden Augen. Wieder ein Fall, der ihm seinen wohlverdienten Feierabend im Wiener Kaffeehaus rauben wird.

Im fahlen Licht des Hotelzimmers wirkt Harald Tüllmann wie ein gebrochener Mann. „In unserer Ehe gab es keine Probleme“, beteuert er mit gesenktem Blick. Doch Marek, dessen scharfes Auge keine Regung entgeht, spürt sofort: Hier stimmt etwas nicht. Der Nachtportier des Hotels hat einen heftigen Streit des Ehepaares beobachtet. Auch ein Zollbeamter erinnert sich an eine angespannte Szene am Flughafen – ein mysteriöser roter Koffer habe für Verstimmung gesorgt.

Während Marek zwischen verrauchten Hauswänden und den imposanten Prachtbauten Wiens den Spuren folgt, taucht unerwartet ein Kollege aus dem Norden auf: Kriminalhauptkommissar Trimmel aus Hamburg ist wegen eines anderen Falles in der Stadt. „Ich kenne Tüllmann“, raunt er Marek zu. „Seine Frau war krankhaft eifersüchtig, und er – nun ja – er gab ihr allen Grund dazu.“ Die beiden ungleichen Ermittler, Marek mit seiner typisch wienerischen Gemütlichkeit und Trimmel mit seiner norddeutschen Direktheit, bilden ein ungewöhnliches Gespann.

Immer tiefer dringen sie in ein Geflecht aus Halbwahrheiten vor. „Die Ehe war die Hölle“, gesteht Tüllmann schließlich, als Marek ihn mit den Widersprüchen konfrontiert. Ein Kompromissfoto, ein Dienstmädchen als Geliebte, Erpressung – die scheinbar geordnete Welt des Industriellen gleicht einem Kartenhaus, das beim leisesten Windstoß zusammenzufallen droht.

Die Ermittlungen führen in das pulsierende Wiener Rotlichtviertel, dessen Fassaden im Neonlicht wie geschminkte Lügen wirken. Hier trifft Trimmel auf einen alten Bekannten: den Zuhälter Zenz. Die Begegnung endet für den Hamburger Kommissar mit schmerzhaften Blessuren in einer dunklen Gasse, die so eng ist wie die Schlinge um Tüllmanns Hals.

Der alte Wybiral, ein abgehalfterter Kleinkrimineller mit zitternden Händen und Augen so wässrig wie billiger Schnaps, wagt es schließlich, zu reden: „Zenz will mich umbringen. Ich weiß zu viel über ihn und Tüllmann.“ Plötzlich verdichten sich die Indizien, dass der rote Koffer und der Tod von Frau Tüllmann Teil eines viel größeren Spiels sein könnten. Als Marek und Trimmel dieser Spur nachgehen, ahnen sie nicht, in welche Gefahr sie sich begeben…

Hinter den Kulissen

„Mordverdacht“ markiert einen historischen Meilenstein in der Tatort-Geschichte: Es ist die erste Folge aus Österreich und zugleich die zwölfte Episode der Krimireihe überhaupt. Fritz Eckhardt glänzt nicht nur als Oberinspektor Marek vor der Kamera, sondern zeichnet auch für das Drehbuch verantwortlich – eine besondere Doppelrolle, die seinem Ermittler eine authentische Tiefe verleiht.

Die Regie übernahm Walter Davy, der die düstere Atmosphäre des Wien der frühen 1970er Jahre mit charakteristischen Straßenzügen und dem Kontrast zwischen Prachtbauten und schäbigen Hinterhöfen einfängt. Besonders reizvoll ist das Zusammentreffen zweier Urgesteine der Tatort-Geschichte: Fritz Eckhardt als Viktor Marek und Walter Richter als Paul Trimmel, der bereits im allerersten Tatort „Taxi nach Leipzig“ (1970) ermittelte.

Mit einer sagenhaften Einschaltquote von 68 Prozent wurde die Erstausstrahlung am 7. November 1971 zu einem wahren Fernsehereignis. Kritiker lobten besonders die authentische Darstellung des Wiener Milieus und die gelungene Chemie zwischen den beiden Ermittlern. Die Fernsehzeitschrift TV Spielfilm bezeichnete die Folge später als „Meisterhafte Kriminaler im Doppelpack“.

Nach der Ausstrahlung kursierten zahlreiche Diskussionen über die realistische Darstellung der Wiener Unterwelt, und viele Zuschauer fragten sich, ob der Charakter des Oberinspektors Marek von einer realen Person inspiriert worden war. Tatsächlich hatte Fritz Eckhardt für seine Rolle ausführliche Recherchen bei der Wiener Polizei betrieben und mehrere echte Kriminalbeamte begleitet. Die Figur des Marek etablierte sich in der Folge als eine der beliebtesten österreichischen Fernsehfiguren der 1970er Jahre und prägte das Bild des typisch wienerischen Ermittlers.

Besetzung

Marek – Fritz Eckhardt
Harald Tüllmann – Werner Hinz
Miriam Reinhold – Liselotte Ebnet

Stab

Buch: Fritz Eckhardt
Regie: Walter Davy

Erstausstrahlung der Tatort – Folge „Mordverdacht“: 07.11.1971