Kurz und knapp – darum geht’s
Ein verzweifelter Mann entführt ein Flugzeug auf dem Weg von Mailand nach Beirut und zwingt es zur Landung in Hamburg – ein beispielloser Vorfall in der deutschen Kriminalgeschichte. Max Bergusson will Gerechtigkeit für seine bei einem Bombenanschlag getötete Frau, indem er den mutmaßlichen Täter Femal Racadi, der im selben Flugzeug sitzt, der deutschen Justiz zuführt. Während Kommissar Trimmel fieberhaft nach neuen Beweisen gegen den Palästinenser sucht, entwickelt sich an Bord der Maschine AE 612 ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel. Als die Ermittler endlich einen entscheidenden Hinweis auf Racadis Schuld finden, spitzt sich die Situation im Flugzeug dramatisch zu und ein zweiter Geiselnehmer bringt die Stewardess in seine Gewalt …
Inhalt der Tatort-Folge „AE 612 ohne Landeerlaubnis“
Graue Zigarettenwolken hängen schwer in der Luft des Polizeipräsidiums Hamburg, während Kommissar Paul Trimmel mürrisch durch die kahlen Gänge stapft. Das scheppernde Klingeln des Telefons unterbricht die bleischwere Atmosphäre – ein Anruf aus Mailand. Max Bergusson, ein Mann, dessen Frau vor einem Jahr einem Bombenanschlag zum Opfer fiel, kündigt etwas Ungeheuerliches an: Er will ein Flugzeug entführen und nach Hamburg umleiten.
Der Kommissar greift instinktiv nach seiner Packung Zigaretten, die Finger zittern leicht. Trimmel, ein Polizist der alten Schule, ist kein Mann für internationale Verwicklungen und diplomatische Feinheiten – er ist ein Ermittler, der am liebsten Zeugen direkt in die Augen schaut und nicht über Funkverkehr mit einem Flugzeug verhandelt. Und doch muss er genau das nun tun. „Habt ihr den Flieger schon auf dem Schirm?“, blafft er seinen Assistenten an, während er hektisch in einem Jahr alten Akten wühlt.
Hoch über Europa schwebt derweil die Maschine AE 612, ein fliegender Schauplatz menschlicher Dramen. Sonnenlicht bricht durch die kleinen Fenster und wirft tanzende Muster auf die gespannten Gesichter der Passagiere. In der Flugzeugkanzel steht Max Bergusson mit schweißnasser Stirn und zitternder Hand, in der er eine Pistole hält. Der Pilot Feininger, der eben noch von einem romantischen Abend mit der Stewardess Gaby Schlitter träumte, spürt nun die kalte Mündung einer Waffe im Nacken. „Kurs Hamburg, oder es passiert ein Unglück“, flüstert Bergusson mit erstickter Stimme.
Die Nachricht von der Kursänderung verbreitet sich im Flugzeug wie ein Lauffeuer durch trockenes Gras. Unter den Passagieren ist auch Femal Racadi, ein Palästinenser, der sofort Verdacht schöpft. Seine Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen – er ahnt, dass diese Entführung mit ihm zu tun haben könnte. Als die Stewardess an ihm vorbeigeht, greift er blitzschnell zu und zieht sie an sich. „Zurück nach Beirut“, zischt er durch zusammengepresste Zähne. Die Jagd der Entführer aufeinander hat begonnen, ein tödliches Schachspiel in 10.000 Metern Höhe.
In Hamburg durchkämmt Trimmel wie ein Archäologe akribisch die alten Fallakten. Der Bombenanschlag vor einem Jahr – ein Fall, der ihm keine Ruhe ließ, weil er den Hauptverdächtigen Racadi aus Mangel an Beweisen hatte laufen lassen müssen. „Es muss etwas übersehen worden sein“, murmelt er, während seine nicotingelben Finger durch Asservatenkartons wühlen. Die Suche gleicht dem Versuch, mit bloßen Händen einen versunkenen Schatz aus dem Hamburger Hafenschlick zu bergen – mühsam und schmutzig, aber möglicherweise lohnend.
Der Himmel über Hamburg färbt sich langsam dunkelgrau, als die Nachricht eintrifft: Die Maschine AE 612 nähert sich dem Luftraum der Stadt. Trimmels Plan kristallisiert sich heraus – er hat einen Beweis gefunden, einen Zeitzünder aus Radiokomponenten, der Racadis Täterschaft eindeutig belegt. Doch wie kann er einen doppelt entführten Flieger sicher zur Landung bringen, ohne dass ein Blutbad entsteht? Die Flughafen-Kontrollleuchten spiegeln sich in den Pfützen des regennassen Rollfelds wie ferne Sterne, während sich in der Luft die Tragödie ihrem Höhepunkt nähert.
Hinter den Kulissen
Der Tatort „AE 612 ohne Landeerlaubnis“ wurde vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) unter der Regie von Peter Schulze-Rohr produziert und am 12. September 1971 erstmals in der ARD ausgestrahlt. Mit einer Länge von 103 Minuten zählt diese Folge zu den längsten und aufwendigsten Produktionen der frühen Tatort-Jahre und war der dritte Fall für Kommissar Trimmel, dargestellt vom charismatischen Walter Richter.
Die Dreharbeiten fanden an verschiedenen Schauplätzen statt, darunter der Flughafen Mailand-Linate, Hamburg-Fuhlsbüttel und Hamburg-Finkenwerder. Für die Flugzeugszenen wurde eine BAC 1-11 verwendet, jedoch kamen bei komplexeren Aufnahmen auch Modelle zum Einsatz. In den Hauptrollen glänzten neben Walter Richter als Kommissar Trimmel auch Günter Mack als verzweifelter Entführer Max Bergusson und Heinz Bennent als Pilot Feininger.
Der Film wurde vom Publikum begeistert aufgenommen und gilt bis heute als Meilenstein der Reihe, da er erstmals eine internationale Dimension in den Tatort einbrachte und das Thema Terrorismus bereits vor den dramatischen Ereignissen bei den Olympischen Spielen in München 1972 aufgriff. Die Idee zu diesem Film basierte vermutlich auf der spektakulären fast gleichzeitigen Entführung dreier Passagiermaschinen durch palästinensische Terroristen nach Jordanien am 9. September 1970, dem sogenannten „Skyjack Sunday“.
Bemerkenswert ist, dass „AE 612 ohne Landeerlaubnis“ zu den wenigen Tatort-Folgen gehört, in denen kein Mensch getötet wird – ein bemerkenswerter Umstand angesichts der Dramatik der Geschichte. Nach der Ausstrahlung des Films wurde in Deutschland verstärkt über Sicherheitsmaßnahmen an Flughäfen diskutiert, die zu dieser Zeit noch äußerst locker waren: Flugpassagiere konnten nahezu ungehindert Waffen an Bord schmuggeln, eine Vorstellung, die aus heutiger Sicht kaum noch vorstellbar ist.
Ich habe mal eine Frage zu diesem Tatort. Damals hat mein Mann als Wasserschutzpolizei St mit gespielt,gibt es davon eine CD und wenn ja wo bekomme ich die. Vielen dank k
Karin Witt
Zähle ich zu den fünf besten Tatort-Folgen. So viel brillante Psychologie !
Der Tatort Nummer 010. Fast hätte ich geschrieben, der Ur-Tatort für Flugsicherheitsbegleiter und Sicherungspersonal. Diesen Spielfilm habe ich noch aus der Erstsendung in Erinnerung, da später einmal darüber diskutiert wurde. Es begann die Zeit des weltweiten politischen Terrorismus, mit seinen Schrecken bis in heutiger Zeit. Trimmel entpuppte sich als Karriereknick, wird aber außer seinen Untergebenen keiner gemerkt haben und die haben bis heute geschwiegen. Ach ja, der Pilot auch noch, der lebte aber in einer anderen Welt und war froh, als alles vorbei war, Passagiere und Crew im sicheren Hafen waren. Die Entführer wurden noch recht harmlos dargestellt, ein Trugschluss, wie später die Realität zeigte. Ich werde diesen Tatort als „zum zweiten Mal gesehen und nun ist erst einmal gut“, abhaken. Sehenswert war er aber, schon wegen der damaligen bekannten und beliebten Schauspielern.
Drei Meinungen nach 44 Jahren ist ja auch eher Grufti.
Von mir volle 5 Sterne! Klassischer Thriller ohne Mord und Totschlag.
Ich finde die Straßenbilder von Mailand auch Spitze, sehr sehenswert.
Absolut ein Highlight. Ein echter Trimmel Klassiker. Ein wirklich super spannender Thriller exzellente Besetzung. Ein Tatort Straßenfeger. Top 5 Sterne