Kurz und knapp – darum geht’s

In einem tristen Kieler Mietshaus wird die junge Renate Plikat tot aufgefunden – erschlagen in ihrem Appartement, das sie für ein geheimes Doppelleben als Callgirl nutzte. Kommissar Finke steht vor einem Rätsel, als er entdeckt, dass kurz vor ihrem Tod 20.000 DM von ihrem Konto abgehoben wurden, die nun spurlos verschwunden sind. Die Ermittlungen führen in verschiedene Richtungen: zum Zuhälter Heiko Schulz, zu ihrem Ex-Freund Bertram Schaarf und dessen wohlhabender Familie – doch als Finke dem wahren Motiv auf die Spur kommt, entwickelt sich die Jagd nach dem Täter zu einem dramatischen Showdown im winterlichen Wald…

Inhalt der Tatort-Folge „Nachtfrost“

Fröstelnd steht Kommissar Finke in der kleinen Wohnung der Seiboldstraße, während draußen der kalte Winter die Stadt Kiel fest im Griff hält. Der Wasserhahn tropft monoton in die Stille des Raumes, wo vor drei Tagen die junge Renate Plikat ihr Leben verlor – von hinten erschlagen und erst jetzt gefunden. Der erfahrene Ermittler spürt, dass hier mehr im Verborgenen liegt als nur ein einfacher Raubmord.

Finke, der mit seiner ruhigen, beharrlichen Art Fälle wie ein Puzzle zusammensetzt, wirkt erschöpft. Die Ermittlungen drohen, komplizierter zu werden als erwartet. Sein neuer Assistent Franke steht ihm zur Seite – ein ungleiches Duo, das sich erst noch finden muss. In Finkes Blick liegt eine Nachdenklichkeit, als verstünde er intuitiv, dass dieser Fall mehr über die bürgerliche Doppelmoral offenbaren wird, als manchen in Kiel lieb sein kann.

Die Spuren führen in verschiedene Lebenswelten: tagsüber die seriöse Boutique, in der Renate als Geschäftsführerin arbeitete, nachts das zwielichtige Milieu der Prostitution. In ihrem Notizbuch finden sich ausschließlich Männernamen – wie Perlen auf einer Schnur aufgereiht, jeder mit einer Geschichte, die Finke entwirren muss. Der Kioskbesitzer Miesbach gegenüber ihrer Wohnung beobachtete den ständigen Männerverkehr, und seine Aussagen sind wie Leuchtfeuer in der Dunkelheit des Falls.

Als der Kommissar den wohlhabenden Fabrikantensohn Bertram Schaarf aufsucht, stößt er auf eine Mauer aus Lügen und Ausflüchten. Die Atmosphäre im Hause Schaarf gleicht einem zugefrorenen See – glatte Oberfläche, doch darunter lauern gefährliche Strömungen. Bertrams Vater spricht von seiner Stieftochter wie von jemandem, der nicht gut genug für seinen Sohn sei, während die Mutter kalte Blicke verteilt.

Die Fahndung nach der Wahrheit entwickelt sich für Finke wie die mühsame Suche nach Fußspuren im frisch gefallenen Schnee – kaum hinterlassen, schon wieder verwischt. Als Bertrams Vater schließlich gesteht, seinen Sohn zu Renate geschickt zu haben, damit dieser erkennt, dass sie als Prostituierte unter seinem Niveau sei, spürt Finke, dass er dem Täter sehr nahe ist. Ein nächtlicher Anruf führt zu einer dramatischen Verfolgungsjagd im Wald, wo Bertram sich zwischen den dunklen Bäumen verschanzt wie ein verwundetes Tier und schließlich seine furchtbare Tat gesteht: Renate wollte nicht einmal für Geld mit ihm schlafen – eine letzte Demütigung, die er mit tödlicher Gewalt beantwortete.

Hinter den Kulissen

„Nachtfrost“ ist der vierte Fall für Kommissar Finke, gespielt vom charismatischen Klaus Schwarzkopf, und gleichzeitig sein erster ohne seinen langjährigen Assistenten Jessner (Wolf Roth). Stattdessen steht ihm Hans Peter Korff als Assistent Franke zur Seite, der später selbst als Berliner Ermittler Behnke Karriere machen sollte.

Die Dreharbeiten zu dieser NDR-Produktion fanden im Februar 1972 überwiegend in Kiel und Umgebung statt. Für die dramatischen Waldszenen und die Villa der Familie Schaarf wählte das Filmteam das niedersächsische Jesteburg, etwa 30 Kilometer südlich von Hamburg gelegen. Eine Szene entstand sogar beim Torbogen des Krankenhauses Heidberg in Hamburg-Langenhorn, das heute zur Asklepios Klinik Nord gehört.

Unter der Regie des späteren Hollywood-Filmemachers Wolfgang Petersen, der sich später mit Filmen wie „Das Boot“ und „Poseidon“ international einen Namen machen sollte, schrieb „Nachtfrost“ Fernsehgeschichte: Mit 76 Prozent Sehbeteiligung bei der Erstausstrahlung am 20. Januar 1974 hält die Folge bis heute den ungebrochenen Quotenrekord aller Tatort-Folgen – ein sensationeller Erfolg, der die Beliebtheit der Krimireihe eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Nach der Ausstrahlung wurde besonders die beklemmende Atmosphäre und die schonungslose Darstellung gesellschaftlicher Doppelmoral gelobt, die Petersen mit seiner Inszenierung einfing. „Nachtfrost“ gilt unter Tatort-Kennern als ein frühes Meisterwerk der Reihe, das die spätere Entwicklung des deutschen TV-Krimis maßgeblich beeinflusste.

Besetzung

Kommissar Finke – Klaus Schwarzkopf
Assistent Franke – Hans-Peter Korff
Assistentin Scheffler – Ursula Sieg
Bertram Schaarf – Marcel Werner
Hugo Schaarf – John van Dreelen
Frau Schaarf – Ulla Jacobsson
Herr Strube – Uwe Dallmeier
Frau Strube – Helga Bammert
Monika Schäfer – Sabina Zimmermann
Schippka – Wolf von Gersum
Heiko Schulz – Peter Lakenmacher
Kioskbesitzer Miesbach – Rudolf Beiswanger
Drucker Seibt – Jürgen Mikol
Dr. Lehmann – Jochen Schmidt
Kommissar Lutz – Werner Schuhmacher
Putzfrau Frau Voss – Marga Maasberg
Metz – Günther Heising
Renk – Kurt Klopsch
Hermes – Peter Frank
Gröhner – Rudolf Möller
Plöss – Peter Petran
Zeller – Hans Kahlert
Herr Gallner – Herbert Mensching
u.a.

Stab

Drehbuch – Herbert Lichtenfeld
Regie – Wolfgang Petersen
Kamera – Jörg Michael Baldenius
Musik – Nils Sustrate