Kurz und knapp – darum geht’s

Ein Bankräuber kommt nach fünf Jahren Haft frei – mit Racheplänen gegen seinen ehemaligen Komplizen, der ihn bei einem missglückten Überfall an die Polizei verraten hatte. In Heiligenhafen an der Ostsee wird plötzlich die fünfjährige Tochter des Verräters entführt. Die Forderung ist ungewöhnlich: Der Vater soll eine Bank überfallen. Polizeiobermeister Ferdinand Hesse, eigentlich im Urlaub, übernimmt die Ermittlungen, nachdem Kommissar Brammer in die Ferien aufbricht. Als die Ermittler den Fall scheinbar lösen, geraten sie in einen Strudel aus Verrat, Erpressung und alten Rechnungen, bei dem nichts so ist, wie es zunächst scheint…

Inhalt der Tatort-Folge „… und dann ist Zahltag“

Das schrille Klingeln des Telefons reißt Kommissar Heinz Brammer in der letzten Nacht vor seinem Urlaub aus dem Schlaf. „Letzte Nacht vor dem Urlaub Bereitschaftsdienst ist schon eine Zumutung und dann noch sowas“, knurrt er mürrisch. In Hannover wurde eingebrochen – bei Supermarktbesitzer Schürmann, der gerade Urlaub in Heiligenhafen macht. Der Hauswart wurde niedergeschlagen, der Tresor geöffnet, doch scheinbar nichts gestohlen. Brammer übergibt den Fall kurzerhand an seinen Kollegen Polizeiobermeister Ferdinand Hesse, der zufällig ebenfalls in Heiligenhafen weilt.

Unter der gleißenden Sommersonne der Ostseeküste freundet sich Hesse mit der kleinen Angelika an, die mit ihren Eltern Ewald und Margot Merten am Strand spielt. Was wie ein idyllischer Urlaubstag wirkt, ist in Wahrheit die Ruhe vor dem Sturm. Der väterlich wirkende Polizist ahnt nicht, dass Ewald Merten eine dunkle Vergangenheit hat – er war einst an einem Überfall auf den Geldboten von Schürmanns Supermarkt beteiligt. Sein damaliger Komplize Otto Wollgast hat soeben seine Haftstrafe verbüßt und sucht nun nach Rache für den Verrat.

Die Schatten der Vergangenheit werfen scharfe Konturen in der gleißenden Mittagshitze, als Wollgast in einem verrauchten Hafenlokal telefoniert. „Abrechnung“ und „Zahltag“ sind die Worte, die im Zigarettenqualm schweben. Sein finsterer Blick verrät, dass er nichts vergessen, nichts vergeben hat. Der Kontrast könnte kaum größer sein: Während Hesse mit der kleinen Angelika am Strand Muscheln sammelt, schmiedet Wollgast düstere Pläne.

Dann verschwindet Angelika plötzlich spurlos – entführt. Die Forderung trifft Merten wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Er soll eine Bank überfallen, oder seine Tochter stirbt. Verzweifelt begeht er den Raub, doch während er von der Polizei umstellt wird, geschieht etwas Unerwartetes – zwei weitere Banken werden zeitgleich ausgeraubt. Die Badeortatmosphäre verwandelt sich in ein klaustrophobisches Katz-und-Maus-Spiel.

Hesse beginnt zu ahnen, dass hier ein perfides Spiel im Gange ist. Seine Ermittlungen führen ihn zu den Schürmanns – Vater und Sohn – die mehr über die Vergangenheit wissen, als sie zugeben wollen. Der Senior steht vor dem finanziellen Ruin, der Junior drängt auf Wahrhaftigkeit. Wie Wellen, die an den Strand schlagen, spülen die Ereignisse immer mehr Hinweise an die Oberfläche.

Als Hesse gelbe Farbe an Angelikas Stofftier entdeckt, durchzuckt ihn eine Erkenntnis wie ein Blitz. Die Farbe stammt von Schürmanns Baustelle – einem unfertigen Apartmenthaus. Im stürmischen Licht der Erkenntnis rennt Hesse zur Baustelle, wo sich das letzte Kapitel einer Geschichte abspielt, die vor fünf Jahren mit einem gescheiterten Überfall begann und nun in einer Abrechnung endet, die mehr Fragen aufwirft als beantwortet…

Hinter den Kulissen

Der NDR-Tatort „… und dann ist Zahltag“ ist die 65. Folge der Krimireihe und wurde am 15. August 1976 zum ersten Mal im Ersten Programm der ARD ausgestrahlt. Es handelt sich um den dritten Fall mit Hauptkommissar Heinz Brammer (Knut Hinz), der allerdings nach den ersten Szenen in den Urlaub verschwindet und den Fall an Polizeiobermeister Ferdinand Hesse (Uwe Dallmeier) übergibt.

Die Produktion entstand unter erheblichem Zeitdruck: Nachdem sich die Entwicklung einer geplanten Spionage-Tatort-Serie verzögert hatte, musste der NDR schnell einen Ersatz für den bereits terminierten Sendeplatz liefern. Regisseur Jürgen Roland, der sein Tatort-Debüt gab, las erst im Winter/Frühjahr die Romanvorlage „Der Zahltag“ von Joachim Jessen und Detlef Lerch. Im Juni 1976 wurden die Dreharbeiten durchgeführt, und bereits im August erfolgte die Ausstrahlung.

Die Besetzungsliste umfasst neben Knut Hinz und Uwe Dallmeier bekannte Namen wie Dirk Galuba als rachsüchtigen Otto Wollgast, Jörg Pleva als Ewald Merten und Monica Bleibtreu als dessen Ehefrau Margot. Rudolf Schündler verkörpert den in Finanznöten steckenden Supermarktbesitzer Schürmann, während Werner Pochath dessen Sohn spielt.

Bemerkenswert ist die ungewöhnliche musikalische Gestaltung des Films: Neben elektronischen Soundeffekten von Heinz Funk kommen auch Schlager, Stücke von Emerson, Lake & Palmer und Blood, Sweat & Tears sowie Ausschnitte aus Ennio Morricones Soundtrack zu „Mein Name ist Nobody“ zum Einsatz.

Die Kritik an diesem Tatort fiel gemischt aus: Während der Auftakt und das Finale als stimmig gelobt wurden, empfanden viele den Mittelteil als zu behäbig. Die Kameraführung mit zahlreichen Großaufnahmen von Ortsschildern und Ziffernblättern wurde ebenso kritisiert wie das teilweise uninspirierte Spiel der Darsteller – mit Ausnahme von Dirk Galuba, der sichtlich Freude an seiner Rolle als Ganove hatte.

Trotz der Schwächen bleibt diese frühe Tatort-Folge ein interessantes Zeitdokument, das noch aus einer Phase stammt, als die Krimireihe ihre charakteristische Mischung aus spannender Unterhaltung und sozialkritischem Anspruch erst entwickelte. Die moralischen Fragen, die der Film aufwirft – über Verrat, Rache und die Grenzen, die ein Vater überschreitet, um sein Kind zu retten – haben auch nach Jahrzehnten nichts von ihrer Relevanz verloren.

Besetzung

Hauptkommissar Brammer – Knut Hinz
Polizeiobermeister Hesse – Uwe Dallmeier
Margot Merten – Monica Bleibtreu
Ewald Merten – Jörg Pleva
Schürmann sen. – Rudolf Schündler
Schürmans jun. – Werner Pochath
Otto Wollgast – Dirk Galuba
Kriminalobermeister Batke – Günter Bothur
Kriminalmeister Henkel – Günter Heising
Angelika Merten – Evelyn Bartsch
Polizeiobermeister Zeh – Hans-Jürgen Janza
Willi Köhler – Walter Jokisch
Erika Timpe – Annemarie Assmann
Bankkassierer – Helmut Gentsch
Tilly Köhler – Gerda Maria Jürgens
Polizist in Heiligenhafen – Herbert Tennigkeit
Polizist in Heiligenhafen – Manfred Schermutzki
Bankkundin – Brigitte Kramer

Stab

S/B – Martin Mövius
Regie – Jürgen Roland
Produktionsleitung – Günter Handke
Kamera – Frank A. Banuscher
Maske – Ingeborg Wolf
Kostüme – Gertraude Abazonik
Autor – Werner Jörg Lüddecke
nach dem Kriminalroman „Der Zahltag“ von – Joachim Jessen u. Detlef Lerch