Kurz und knapp – darum geht’s
Tödliche Schüsse am helllichten Tag in Berlin-Mitte: Zuerst trifft es den Ex-Politiker und Lobbyisten Jürgen Weghorst, nur wenig später die PR-Agentin Elisabeta Alvarez. Beide waren für einen mächtigen Interessenverband der Lebensmittelindustrie tätig. Mussten sie deshalb sterben? Während die Kommissare Robert Karow und Susanne Bonard unter Hochdruck ermitteln, stoßen sie auf eine brisante gemeinsame Vergangenheit der beiden Toten, die mit dem überstürzten Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan im August 2021 zu tun hat. Liegt hier das eigentliche Mordmotiv? Karow und Bonard dürfen keine Zeit verlieren, denn es drohen weitere Opfer … Zu sehen am 16.02.2025 um 20:15 Uhr im Ersten.
Inhalt der Tatort-Folge „Vier Leben“
Morgens 7:10 Uhr in Berlin: Rushhour in der Hauptstadt, wie jeden Morgen ist Jürgen Weghorst mit der S-Bahn auf dem Weg zur Arbeit. Am Bahnhof Friedrichstraße steigt er aus, das Handy klingelt, er hat es eilig, doch dann, mitten im Gespräch, wie aus dem Nichts – ein Schuss. Weghorst ist sofort tot. Ein prominenter Ex-Politiker, der auf offener Straße erschossen wird: Das ist genau das, was Staatsanwältin Sarah Taghavi am allerwenigsten gebrauchen kann – ausgerechnet an dem Tag, da sich King Charles III. zum Besuch angekündigt hat.
Von Anfang an stehen die Ermittlungen der Hauptkommissare Susanne Bonard und Robert Karow im Tatort „Vier Leben“ also unter enormem Druck „von oben“: War es ein politisches Attentat, gar ein terroristischer Akt? Sind weitere Personen in Gefahr? Und: Wie konnte das überhaupt passieren, mitten im Stadtzentrum, am Tag eines wichtigen Staatsbesuchs?
Auch das Ermittlerteam Karow und Bonard stellt sich diese Fragen, doch die beiden sind Profis genug, um routiniert ihre Arbeit zu machen und sich von den Interventionen der Innensenatorin und der Staatsanwältin nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Natürlich ist das Mordopfer auch für sie kein Unbekannter: Jürgen Weghorst war ein großes politisches Talent, hätte eine steile Karriere bei den Sozialdemokraten vor sich gehabt – wenn er nicht vor ein paar Jahren über eine Korruptionsaffäre gestolpert wäre. Seitdem hatte er sich aus der Politik zurückgezogen und war als Lobbyist für den ALV, den Allgemeinen Lebensmittelverband, tätig. Dessen Chefin Ulrike Menzel gibt sich zwar oberflächlich betroffen ob des gewaltsamen Todes ihres geschätzten Mitarbeiters, aber auffällig zugeknöpft, als die Fahnder sie im TV-Krimi „Vier Leben“ nach Details zu seiner Arbeit fragen. Offenbar wollte Weghorst ausgerechnet heute, an seinem Todestag, einer großen Zeitung ein Exklusivinterview geben, er wollte „in die Offensive gehen“. Was hat er damit gemeint?
Während Karow das arrogante Gebaren der Cheflobbyistin mächtig auf den Geist geht, versucht Bonard Ruhe zu bewahren und die Dinge zu ordnen, denn Weghorst hat sich durch seine Lobbyarbeit nicht nur in der Politik Feinde gemacht. Im Internet kursiert ein Video der Aktivistin Soraya Barakzay, die ihn darin wüst beschimpft und mit dem Tod bedroht. Barakzay arbeitet für die NGO „Rescue Plan“ und unterstützt Menschen in Afghanistan, die einst als „Ortskräfte“ für die Deutschen gearbeitet haben und sich nun von den Taliban bedroht sehen, aber bis heute nicht ausreisen können. Die resolute Frau, die einst als Richterin in dem Land am Hindukusch tätig war, macht Weghorst persönlich für die missglückte Flucht und den Tod vieler Ortskräfte verantwortlich. Denn ausgerechnet im August 2021, kurz vor der Machtübernahme der Radikalislamisten, war der Lobbyist noch mit einer kleinen Delegation zu Besuch in Afghanistan.
Was genau ist damals in Kabul passiert? Warum ist Barakzay so wütend auf Weghorst? Und wie hängt das alles mit dessen Ermordung zusammen? Immerhin muss der Täter sein Opfer und dessen Tagesroutine ziemlich genau gekannt haben, anders ist der sehr gezielte Schuss aus großer Entfernung nicht zu erklären. Und Weghorst ist womöglich nicht der einzige Kandidat auf der Todesliste des Mörders: Elisabeta Alvarez, die Organisatorin der Afghanistan-Reise, ist ebenfalls in seinem Visier. Gerade als Karow sie am Rande eines offiziellen Termins treffen und befragen will, fällt erneut ein Schuss – und trifft Alvarez tödlich.
Zwei Tote an einem Tag im rbb-Tatort „Vier Leben“, und die Gefahr ist noch nicht gebannt. Längst ist die Visite des englischen Königs abgesagt, ein ungeheurer Erfolgsdruck lastet auf dem Ermittlerteam. Werden Bonard und Karow den Killer zur Strecke bringen, bevor er sich ein weiteres Opfer suchen kann? Alle Fragen sind offen, vor allem die größte: Warum?
Hinter den Kulissen
Vom 15. November bis zum 14. Dezember 2023 fielen die Drehklappen für den dritten gemeinsamen Fall der Spree-Ermittler Robert Karow (Mark Waschke) und Susanne Bonard (Corinna Harfouch), u. a. am ehemaligen Flughafen Tegel, der als Kulisse für das Polizeipräsidium diente.
Mit der Episode „Vier Leben“, zu sehen am Sonntag, den 16. Februar 2025 um 20:15 Uhr im Ersten, will der rbb seinen Sonntagskrimi aus der Hauptstadt deutlich politischer ausrichten. Für Drehbuchautor Thomas Szabó war „schnell klar, dass das politische Berlin, die große Bühne nationaler und internationaler Verstrickungen, der Ort des Geschehens sein würde. Denn auf dem politischen Parkett geht es um etwas, das man mit Geld nicht kaufen kann: Macht. Das weckt Begehrlichkeiten und bietet damit einen fruchtbaren Nährboden für einen Krimi. Sofort drängen sich Fragen auf: Wie halten wir es eigentlich mit unseren Werten? Was ist mit den Menschen, die von diesen Machtspielen direkt betroffen sind?“ Die erzählte Geschichte ist zwar inspiriert von realen Geschehnissen, aber natürlich komplett fiktional.
Werde ich mir mit Sicherheit nicht ansehen (der Textinhalt zum Tatort lässt schon auf Parteilichkeit und richtige Haltung schließen). Tatorte in der Vergangenheit waren teilweise aus genanntem Grund auch abschaltbar.
Ich habe zwar eine ähnlich geringe Erwartungshaltung wie Sie, werde aber auch dieser TO-Folge eine Chance geben (manchmal gibt es ja positive Überraschungen!) … 😉
…und damit positionierst Du dich bereits.
Schau nicht zu viel in die Glaskugel, diese Weitsicht ist nur was für Zauberer und Hexen.
Grüße aus Dresden
Ihr werdet leider immer billiger. Ich, wir schauten es mal gern, ihr wollt Aktion ohne Inhalt, Hauptsache der Ermittelne Kommisar/ in hat eine Knarre im Holster, natürlich nicht übersehbar, die gesamte Folge lang, ein sehr gutes Vorbild denn gesamten Tag egal wo damit rumzurennen. Haben eure Darsteller ein Problem? 😔
Wer ist „ihr“ und „eure“? Was heißt „Aktion ohne Inhalt“ und „Hauptsache Knarre am Holster“ ? Soll man solche Sätze Ernst nehmen und als sinnvolle Kritik betrachten?
Super spannend – Karow und Bonnard liefern sich ein hochspannendes Psycho -und Verfolgungs Duell mit den Attentätern , hab lange nicht so einen tollen ,
absolut nervenaufreibenden TO gesehen – der absolut würdig für den Sonntagabend ist *****
EDIT by Gerald: Bezug zur Politik entfernt…
Ein toller, spannender und hoch brisanter Tatort, überzeugend gespielt und faktenbasierend. Die Politik hat tatsächlich hunderte bis tausende Menschen einfach so zurückgelassen, die für das Militär und Polizei vor Ort tätig gewesen waren. Anstatt diese Menschen nach Deutschland zu holen, wie versprochen, passiert bis heute nichts. Danke an die Macher und Schauspieler von diesem Tatort für dieses vernachlässigte Thema.
Ein toller Tatort! Die Realität kann auch nicht von rechten Demagogen schlecht geredet werden.
Sie haben so Recht! Schlimm genug, dass bei vielen Menschen diese Abzugskatastrophe so schnell der „Vergessenheit“ übergeben wird.
Das BKA stellt sich hoffentlich nicht so laienhaft an. Vollkommen unrealistisch – nur Amateure produzieren so einen Gurkenmist!
Das ist richtig. Wie kann es sein, dass Vittek vor dem Haus erschossen wird obwohl gerade damit gerechnet wird ? Lächerlich ! Und dass der Täter auch noch die Geisel nehmen kann ????
⭐⭐⭐⭐⭐
Sehr guter Krimi. Seit langem nicht einen so authentischen und spannenden Tatort gesehen.
Auch wenn die Dialoge etwas hölzern waren. Gut gemacht Berlin!
Hervorragend gemacht und gespielt. Es ist eine Erlösung, wenn nicht alle mit Knarre und Handy durch die Gegend rennen und sinnentleerte Drehbücher abspulen. Mehr davon wäre gut.
Toller Tatort.. aber zur falschen Zeit gesendet.. eine Woche vor der Wahl.. es kam die LINKE in negativer Gestalt daher.. alle anderen Parteien, die zur Wahl stehen, wurden nicht erwähnt.. das war Wahlkampf gegen die LINKE
Das ist nur im Ansatz richtig. Das erste Mordopfer war SPD Politiker und wurde ebenfalls als negativ, korrupt und egoistisch, argestellt. Es war falsch, eine Woche vor der Wahl so negativ über die Berliner Politik und Blase zu senden und damit zum Nichtwählen oder Protestwählen beizutragen.
Da kann ich mich nur anschließen. Einer der besten Berliner Tatorte und der Beste dieses Teams.
Wo war da Parteilichkeit und was ist die richtige Haltung, die der Forist Dresden 111 sieht?
Dass die deutsche Politik bei der Unterstützung ihrer afghanischen Ortskräfte schlicht und einfach versagte, kann niemand wegreden.
Lieber wurden und werden Menschen, die sich mithilfe von Schlepperbanden illegalen Zugang nach Deutschland verschafften, unterstützt.
Sicher kann die Handlung des TO nicht 1:1 als Realität angesehen werden.
Aber dass viele Menschen, wenn es um die eigene Haut geht, jede moralische Haltung vergessen, ist bestimmt nicht unrealistisch.
Und @Meusel, haben sie ein Problem oder was soll die Frage?
Die Waffe ist Bestandteil der Ausrüstung. Egal, ob es ein Polizist in Uniform oder ein Kriminalbeamter in Zivil ist.
Insgesamt kein schlechter Thiller, auch wenn die „Kommissar und Killer 1:1 gegenüber“-Szene am Ende wieder reichlich unrealistisch und abgedroschen ist. Wer würde sich schon in so eine Situation begeben? Und wofür braucht der Killer überhaupt einen Reporter? Heutzutage kann jeder alles live im Internet veröffentlichen… Am Ende also wieder mal alles ziemlich inszeniert, um irgendwie der Grundidee des Drehbuchautors zu entsprechen.
Ich weiß nicht, ob gerade jetzt, mit all den Anschlägen, die Zeit ist, um einen derartig aufwühlenden Film zu diesem Thema zu senden. Vielleicht hätte man ihn lieber etwas verlegen sollen…
@C.:
Ja, ich stimme den Überlegungen in Ihrem letzten Absatz zu –> das ‚Mitgefühl‘ für Probleme afghanischer Staatsangehöriger war sicherlich schon mal stärker …
(auch mich hat das Thema dieser TO-Folge emotional nicht wirklich ‚abgeholt‘!).
Das wäre aber vermutlich in einem halben Jahr auch nicht anders. 😔
Dem ist zuzustimmen.
Toller Tatort, das Thema war spannend umgesetzt.
Wer früher abgeschaltet hat, hat was verpasst.
Ja, man musste die ersten 20 – 40 Minuten wirklich durchhalten, aber es lohnt sich
Gelungen wurden in diesem Tatort unterschiedliche Themen beleuchtet und mit einer Sub-Ebene in Verbindung gebracht. Gleichzeitig überzeugte der Tatort mit dem gekonnten Aufbauen und Halten der Spannung sowie dem eindrücklichen Herausarbeiten der Emotionen und persönlichen Attribute der Figuren.
Insgesamt ein logischer und nachvollziehbarer sowie berührender, spannender und rundum gelungener Tatort, welcher nicht nur exzellent unterhielt, sondern realistische Aspekte thematisierte und gekonnt überzeugte!
5/5 Sternen verdient – mindestens!
Die haben ja echt Chuzpe (und diesen jüdischen Begriff benutze ich ganz bewusst) beim RBB. Ein Tatort-Krimi, der das Versagen Deutschlands in Afghanistan thematisiert. Und das vier Tage nach dem Attentat eines jungen Afghanen auf Demonstrierende mit Todesopfern.
Ohne diese schrecklichen Morde durch den 24-Jährigen entschuldigen zu wollen: Neben diesem Täter der jetzt durch die Presse geschleift wird, haben sich, wie in dem Tatort-Krimi angedeutet, noch viele andere schuldig gemacht, die bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Angefangen vom amerikanischen Präsidenten und unserem Herrn Struck, der die Bundesrepublik ja auch am Hindukusch verteidigen lassen wollte (selbst hätte er wohl nie an den Kampfhandlungen teilgenommen), bis hin zu all denen, die aus machtpolitischen oder wirtschaftlichen Interessen die Fäden im Hintergrund gezogen und die Welt in diesen Krieg getrieben haben.
Insofern: Respekt! Ein toller Beitrag zur Erfüllung des Bildungsauftrags der Öffentlich Rechtlichen Rundfunkanstalten.
Thema des Krimis war es, zu zeigen, dass man ein Unrecht nicht durch noch größeres Unrecht wieder gutmachen kann.
Hintergrund des Films waren die wahre Geschichte des überstürzten Abzugs aus Afghanistan und die Tatsache, dass die Deutschen viele sogenannte Ortskräfte – Afghanen, die für die Deutschen gearbeitet haben, im Stich gelassen haben.
Für ein so ernstes und tragisches Thema war mir dieser Film zu sehr Action-Krimi. Als solcher war er spannend, aber sieht so die reale Polizeiarbeit aus? Wie man die realistisch und trotzdem – oder gerade deshalb! – spannend darstellt, war gestern in dem 3-stündigen Krimi „Spuren“ mit Nina Kunzendorf exemplarisch zu beobachten. Und wie man gerade mit dem Thema „Afghanistan“ differenziertere, sensiblere Filme macht, haben gleich 2 Sonntagabendkrimis aus den vergangenen Jahren gezeigt:
Der Köln-Tatort „Fette Hunde“ (2012)
Der Münchener Polizeiruf „Klick gemacht“ (2009)
5 von 10 Punkten.
Tatort mittel spannend und wenig realistische Handlung, 3 von 5 Sterne.
Wenig realistisch, ja. Warum gab es den zweiten einarmigen Täter? Nur als Kumpel des anderen Mörders ohne dessen privates Motiv ? Und der lässt sich sogar von der Polizei erschießen ? Darüber wird dann kein Wort mehr verloren. Die Macher rechnen wohl mit der Vergesslichkeit der Zuschauer. Sehr schwach, ebenso wie die angebliche Unfähigkeit der Personenschutzkommandos.
Ja, die genauen Beweggründe des zweiten einarmigen Täters habe auch ich nicht verstanden. Personen mit der Motivation des Haupttäters handeln m.E. üblicherweise als Einzeltäter.
Ich bin aber ganz generell kein Freund von „politischen TOs“. Das aktueller Berliner Duo hatte ja schon vor ca. 2 Jahren eine diesbezüglich einschlägige (m.E. peinliche) Doppel-Folge, damals zum Thema angeblicher rechtsextremer Durchsetzung der Polizei.
für meine Begriffe: recht akzeptabler TO aus Berlin – den Politkfaktor fand ich nicht wirklich parteienausgerichtet – mir stellt sich andererseit die Frage : was hatten “ Wir “ eigentlich seinerzeit in Afghanistan zu suchen ? es ist ein Unding , einem Volk welches sich seit Jahrhunderten unter ganz anderen Lebensbedingungen entwickelt , dazu in der Kultur noch vollkommen andere Lebens – und Wertevorstellungen hat , mit aller Macht unsere Demokratie aufzudrücken . Die Spätfolgen aktuell sind unübersehbar .
Zitat:“Was hatten „wir“ eigentlich seinerzeit in Afghanistan zu suchen?“ Ganz einfach, es war ein Bündnisfall der Nato, unterstützt durch UN-Resolutionen und durch Mandate des Deutschen Bundestags legitimiert. Mir dem Aufdrücken einer Demokratie hatten diese Einsätze überhaupt nichts zu tun. So, wie die bis heute kaum bekannten Einsätze im Irak, an denen durchaus auch deutsche Soldaten beteiligt waren, wie auch das BKA etc…
so gesehen sicherlich eine legitime Aktion – jeder Betrachter sieht das halt aus einem eigenen Blickwinkel – ich kann mich nur an einen sehr beeindruckenden Vortrag eines Polizeibeamten erinnern , der den Auftrag hatte in Afghanistan innerhalb eines Jahres eine Polizeistation aufzubauen – vor Ort – nicht etwa von einem gut bezahlten deutschen Schreibtisch aus – Ergebnis : die Strukturen dort lassen sich auch nicht so einfach den EU Normen anpassen – andere Kulturen sollte man respektieren gerade im eigenen Land .
Der Film greift ein aktuelles und hochsensibles Thema auf: den überstürzten Abzug der westlichen Truppen aus einem krisengeschüttelten Land und das damit verbundene moralische Versagen gegenüber den lokalen Helfern. Er verknüpft fiktive Elemente mit realen historischen Ereignissen, wodurch er eine Brücke zwischen Unterhaltung und politischer Aufarbeitung schlägt. Dies kann als Beispiel für die „Ästhetisierung des Politischen“ interpretiert werden, ein Konzept, das auf einen bekannten Kulturtheoretiker zurückgeht. Der Film nutzt die Form des Krimis, um eine gesellschaftliche Debatte über Schuld, Verantwortung und Gerechtigkeit anzustoßen.
Die Darstellung der chaotischen Evakuierung und die damit verbundenen menschlichen Tragödien werden durch dokumentarische Bilder und die Erzählungen einer zentralen Figur emotional aufgeladen. Dies kann als Versuch gelesen werden, das kollektive Gedächtnis zu aktivieren und die Zuschauer*innen an die moralischen Implikationen der damaligen Entscheidungen zu erinnern. Der Film fungiert somit als eine Art „kulturelles Gedächtnis“, das historische Ereignisse für die Gegenwart relevant macht.
2. Erzählstruktur und Genre
Der Film bedient sich der Struktur eines Polit-Thrillers, kombiniert diese jedoch mit Elementen des Sozialdramas. Die Erzähltechnik ist besonders interessant, insbesondere die Verwendung von Rückblenden, dokumentarischen Einspielern und die Einbettung der Handlung in einen realen politischen Kontext. Die Entscheidung, die Geschichte an einem einzigen Tag spielen zu lassen, erzeugt eine dichte, fast dramatische Atmosphäre, die an antike Tragödien erinnert, in denen die Zeit eine zentrale Rolle spielt.
Die Figur einer Aktivistin, die gegen ein ungerechtes System kämpft und dabei persönlich scheitert, kann als moderne Variante einer klassischen Tragödienfigur interpretiert werden. Ihr Schicksal steht symbolisch für das vieler Menschen, die zwischen den Fronten zerrieben wurden. Die Ermittler*innen hingegen verkörpern die ambivalente Rolle des Staates, der zwischen Pflicht und Moral hin- und hergerissen ist.
3. Ethik und Moral
Ein zentrales Thema des Films ist die Frage nach Schuld und Verantwortung. Dies kann als eine moderne Variante der Schuld-Debatte interpretiert werden, wie sie in der Nachkriegszeit geführt wurde. Die Figur eines korrupten Politikers steht stellvertretend für eine politische Klasse, die sich durch Eigeninteressen kompromittiert hat. Sein Tod und die darauf folgende Mordserie können als metaphorische Abrechnung mit einer Politik gelesen werden, die ihre moralischen Grundsätze verraten hat.
Die Figur der Aktivistin stellt die Frage nach Gerechtigkeit und Rache in den Mittelpunkt. Ihr Schicksal und ihre Reaktion darauf können im Kontext von Theorien zur „Ethik der Rache“ diskutiert werden. Der Film lässt jedoch bewusst offen, ob Rache legitim ist oder ob sie nur einen weiteren Kreislauf der Gewalt in Gang setzt.
4. Ästhetik und Symbolik
Die visuelle Gestaltung des Films kann unter dem Aspekt der „Ästhetik des Erhabenen“ analysiert werden. Die Bilder des Chaos, die in den Film eingeblendet werden, erzeugen eine Mischung aus Faszination und Schrecken, die typisch für das Erhabene ist. Gleichzeitig nutzt der Film ikonische Orte einer Großstadt als symbolische Kulissen, um die politische Dimension der Handlung zu unterstreichen. Diese Orte stehen nicht nur für die Macht, sondern auch für die historische Verantwortung.
Die Entscheidung, das Morddezernat in einem ehemaligen Transitraum anzusiedeln, kann als bewusste Referenz an die Geschichte von Flucht und Migration gelesen werden. Dies schafft eine Verbindung zwischen der Vergangenheit und der aktuellen politischen Realität.
5. Rezeption und gesellschaftliche Wirkung
Die Rezeption des Films ist ebenfalls ein interessanter Aspekt. Es stellt sich die Frage, inwiefern er dazu beiträgt, eine gesellschaftliche Debatte über die behandelten Ereignisse anzustoßen. Der Film wurde bewusst in einer politisch sensiblen Zeit ausgestrahlt, was auf eine politische Absicht hindeutet. Die Tatsache, dass der Film trotz seiner kontroversen Themen nicht abgesetzt wurde, kann als Zeichen für die Freiheit der Kunst und die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewertet werden.
Gleichzeitig kann die Kritik an der konstruierten Auflösung und dem etwas überzogenen Finale als Beispiel für die Schwierigkeiten gelesen werden, komplexe politische Themen in einem Unterhaltungsformat angemessen zu behandeln. Der Film bleibt letztlich in den Konventionen des Genres verhaftet, was seine politische Botschaft teilweise abschwächt.
Fazit
Der Film ist ein ambitionierter Versuch, politische und historische Themen in ein populäres Format zu integrieren. Er kann als kulturelles Artefakt betrachtet werden, das sowohl unterhaltend als auch aufklärerisch wirken will. Durch die Verknüpfung von fiktiver Handlung und realen Ereignissen schafft der Film eine narrative Dichte, die zur Reflexion über Schuld, Verantwortung und Gerechtigkeit anregt. Gleichzeitig zeigt er die Grenzen des Genres auf, wenn es darum geht, komplexe politische und ethische Fragen angemessen zu behandeln.
Danke für eine sehr engagierte Analyse, die sich nicht mit „albernen“ Schlagwörtern begnügt und den Bemühungen der Autoren, Schauspieler ect. gerecht wird.
Spannung ja, exzellente schauspielerische Leistung, ja, aber alles arg konstruiert und teilweise unrealistisch inszeniert!
Obendrein war der Ton eine Zumutung! Schade um den Aufwand, der getrieben wurde, um einen außergewöhnlichen Tatort zu drehen!
Hat mir gutgefallen.
Brisantes Thema, spannend umgesetzt,
mit sich stetig steigerndem Spannungsbogen.
Endlich mal wieder ein ansprechender Tatort.
Vier von fünf Sternen.
Natürlich hat der Täter nicht das Recht, Unrecht durch noch grösseres Unrecht wieder gutzumachen. Sein Plädoyer vor seiner Űberwältigung und Verhaftung war dennoch zumindest nachvollziehbar. Die Politik, angeführt durch die USA, hat als Reaktion auf 9/11 seit 2001 falsch gehandelt, aber auch die Bundesregierungen zwischen 2001 und 2021 haben die Bevölkerung in Deutschland die ganze Zeit nicht ehrlich über die Situation in Afghanistan informiert. Leider kam der völlig verhunzte Abzug 20 Jahre später mindestens 19 Jahre zu spät. Man muss dazu fairerweise ergänzen dass es nicht klar ist ob ein geregelter Abzug in der späten Phase überhaupt möglich gewesen wäre. Viele Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr und ihre Angehörigen sind, wenn auch unbeabsichtigt, verraten worden als den Taliban 20 Jahre später die Macht wieder überlassen wurde. Nachdem Bin Laden bis Anfang 2002 nicht ausfindig gemacht werden konnte, hätten sich die NATO-Staaten zurückziehen müssen. Die USA brauchen niemandem beweisen dass sie die mächtigste Streitkraft der Welt sind. Jeder weiss das. Es kann doch keinen NATO-Kriegseinsatz über 20 Jahre geben um eine Terrororganisation zu beseitigen. Der Irak-Krieg kam dann leider noch hinzu. Immerhin hat sich Schröder damals dagegengestellt. Das muss man ihm zugute halten. Das alles hat uns sehr viele der heutigen Probleme in Westeuropa beschert.
Das ist nur im Ansatz richtig. Das erste Mordopfer war SPD Politiker und wurde ebenfalls als negativ, korrupt und egoistisch, dargestellt. Es war falsch, eine Woche vor der Wahl so negativ über die Berliner Politik und Blase zu senden und damit zum Nichtwählen oder Protestwählen beizutragen.
Das Thema – ziemlich weit hergeholt. Zwar diesmal kein „Erziehungs-TV“ aber dennoch wieder gewissermaßen ein „Moral-Appel“. Schauspielerisch nicht schlecht – Spannung auch vorhanden. Könnte man einordnen in Kategorie „gelungen“ im Gegensatz zu anderen „Experimental-Tatorten“ die völlig daneben waren.
Man bedenke bei aller Kritik – die Story war nur an tatsächliche Vorfälle „angelehnt“ und sollte kein Polit-Thriller werden. Trotzdem wurden viele heiße Eisen angepackt und in einen TO-Krimi transformiert. Das ist sehr gut gelungen und da beachte ich eventuelle Übereinstimmungen mit realen Parteien oder tatsächlichen Geschehnissen nicht und lasse sie aussen vor. Auch die stümperhafte Arbeit der Einsatzkommandos kann man so darstellen, wenn sie dem vom Autor gedachten Ablauf der Handlung dient. Jedenfalls wurde durch die Idee der komprimierten Form (eben nur eines einzigen Tagesablaufs) keine zähe und langwierige Polizeiarbeit gezeigt, sondern jede Minute war spannend und fesselnd und es war somit wichtig konzentriert dabei zu bleiben. Nur der krönende Schluss – naja …. da hätte auch die Polizei stürmen und das regeln können. Aber dann hätten wir ja keinen Kommisar Karow am Ende als Helden !
Nicht der beste Tatort aller Zeiten – trotzdem gibt es von mir die volle Punktzahl 5 Sterne.
Als spannende Krimi-Unterhaltung doch sehr gelungen, nachdem ich, zugegeben, vorab immer ein wenig auf heißen Kohlen sitze, wenn Hochpolitisches oder gar Tagesaktuelles im Tatort angekündigt wird. Geht meistens schief. Gestern war das aber recht rund, sieht man von einigen klischeehaft-konventionellen Stereotypen ab, die aber in diesem Format wohl unvermeidlich sind. Auch wenn der Aufhänger der reale Afghanistan-Abzug war, darf man nicht vergessen, dass das eben schon eine fiktionale Geschichte war, sein musste und sein durfte. Von daher ist das aus meiner Sicht auch zu beurteilen. In diesem Rahmen dann schnell und präzise vorwärts inszeniert, als Sonntagabendunterhaltung sehr gut, aber auch ohne großen Nachhall. Vier Sterne.
****/5
Ja, das mit dem „mangelnden großen Nachhall“ ist ein Thema bei den TOs des aktuellen Berliner Teams: wer kann sich noch an die letzte Folge dieses Teams erinnern?
(–> Antwort: es hatte mit der „vietnamesischen Community“ zu tun) 😉
Für mich der Beste Berliner Tatort!!
Sehr schöne Sonntagabend Unterhaltung mit einer guten Story.
Seit langem nicht so einen guten Tatort gesehen.
***** Sterne
Immer wieder erstaunlich, wie verschieden die Tatortfolgen bewertet werden.
Bei den positiven Kritiken frage ich mich, ob die Bewerter einen anderen Tatort gesehen haben.
Angefangen wieder bei dem leidigen und oftmals den Kölner Kommissaren vorbehaltenen Thema, sich als vermeintlich besser positionierter Beamter über die Schutzpolizei zu erheben.
Wenn es der schuhgestöckelten Kommissarin mit dem Sichtschutz bei der Leiche nicht schnell genug geht, möge sie ihr Handy für einen Augenblick beiseite legen und mit anfassen.
Sehnsüchtig warte ich auf eine Filmszene, wo ein Schutzpolizist den Herren und Damen Kommissaren mal ihr Handwerk diktiert.
Weiter geht’s im Bildungs-TV.
Sprüche über Behinderte sind toll und erheitern den Büroalltag, wenn sie nur vermeintlich schlau daherkommen. Da lacht sogar der Rollstuhlfahrer, wenn er gefragt wird, ob er denn vor habe, mit dem Joggen anzufangen.
Als dann noch ganz beiläufig und wie selbstverständlich (denn das soll ja jedem jetzt gefälligst in Fleisch und Blut übergehen) bei dem Videochat mit der Pilotin ihr ursprünglicher Name (Andrea?) durchgestrichen und mit „Arne“ ersetzt wurde, war es Zeit für den Griff zur Fernbedienung.
Null Sterne von mir. Oder gäbe es Minussterne? 😁
@schauinsland („Immer wieder erstaunlich, wie verschieden die Tatortfolgen bewertet werden“):
Das ist m.E. bei dieser Folge besonders stark, weil eben nicht jede/n das „Afghanistan-Thema“ anspricht (mich z.B. nicht).
Störender finde ich allerdings die hier vorliegende Kommissars-Konstellation: zwischen diesen beiden Proponenten passt aus meiner Sicht die „Chemie“ (von vornherein) nicht, aber Fr. Bonard ist ja ohnehin – lt. Interviews mit Fr. Harfouch – nur für eine relativ kurze Zeitspanne eingeplant. 🥳
Zunächst habe ich mich sehr über die Beteiligung von Frau Harfouch im Tatort gefreut, finde die ihr zugeteilte Rolle jedoch recht undankbar.
Huch, eine aufflatternde Taube.. gut, dass nicht direkt geschossen wurde.. 🤪
Gerne mehr von dieser Schauspielerin, aber in ihrrr Rolle etwas sympathischer bitte.
Leider, in meinen Augen, zu durchwachsen.
Insbesondere die Darstellung von Militär und Polizei fand ich höchst unrealistisch.
Bis zur Peinlichkeit.
Mir bleibt dieser Tatort als ein, wieder einmal, grandioses Beispiel, wie man ein wichtiges Thema versemmelt.
⭐⭐
Für das Ensemble, dass nichts für das Drehbuch kann.