Tatort Folge 286: Bienzle und das Narrenspiel

Kurz und knapp – darum geht’s

Mitten im närrischen Treiben der schwäbisch-alemannischen Fastnacht wird in Ravensburg ein Bankkassierer ermordet. Maskenschnitzer Albrecht Behle gerät schnell unter Verdacht, da der Täter im Narrenhäs hinkte – genau wie er. Während der ortsansässige Kommissar Keuerleber den Fall bereits als gelöst betrachtet, mischt sich der zufällig anwesende Stuttgarter Kommissar Bienzle in die Ermittlungen ein und stößt auf ein Netz aus Korruption und Wirtschaftskriminalität. Als Behle aus dem Gefängnis ausbricht und ein zweiter Mord geschieht, gerät Bienzle bei seiner Suche nach der Wahrheit selbst in Lebensgefahr…

Inhalt der Tatort-Folge „Bienzle und das Narrenspiel“

Glockenläuten und schrilles Narrengeschrei erfüllen die Gassen von Ravensburg. Hinter kunstvoll geschnitzten Holzmasken verbergen sich die Gesichter der Einheimischen, die in wallenden Kostümen durch die Stadt ziehen. Die traditionelle schwäbisch-alemannische Fasnet – eine Welt der Verkleidung und des Regelbruchs – bildet die perfekte Kulisse für ein Verbrechen.

In einer Bank, abseits des närrischen Treibens, herrscht plötzlich Totenstille. Filialleiter Schmoller liegt erstochen auf dem Boden, während ein Mann im Narrenhäs mit einer Mappe voller Dokumente und gestohlenen Geldscheinen flieht. Kinder und die Bankangestellte Regina Finkbeiner werden Zeugen des Geschehens. „Der Täter hinkt“, berichtet eines der Kinder später der Polizei – und lenkt den Verdacht direkt auf Maskenschnitzer Albrecht Behle, der eine Werkstatt gegenüber der Bank betreibt.

Der zuständige Ermittler Kommissar Keuerleber scheint den Fall schnell lösen zu können: In Behles Werkstatt findet sich nicht nur die Tatwaffe, sondern auch ein Teil der Beute. Doch Kommissar Ernst Bienzle aus Stuttgart, eigentlich privat mit seiner Lebensgefährtin Hannelore zum Fasching in Ravensburg, wittert Ungereimtheiten. Die Beweislage erscheint ihm zu offensichtlich.

„Ich bin Opfer eines Komplotts“, behauptet der verhaftete Behle gegenüber Bienzle im Gefängnis. Der eigensinnige Maskenschnitzer, dem die Sympathien der Ravensburger gehören, wirkt auf den erfahrenen Kommissar nicht wie ein kaltblütiger Mörder. Doch bevor Bienzle seine Unschuld beweisen kann, flieht Behle aus dem Gefängnis. Er entwendet ein Narrenhäs aus dem Museum, um unerkannt zu bleiben.

Der Mordfall zieht immer weitere Kreise. Bienzle entdeckt, dass Behle früher als Ingenieur für die einflussreiche Firma Phillipp gearbeitet und bedeutende Erfindungen gemacht hat, für die er nie angemessen entlohnt wurde. Gerüchte über Steuerhinterziehung und Patentrechtsverletzungen machen die Runde. Die gestohlene Dokumentenmappe scheint der Schlüssel zu einem größeren Geheimnis zu sein.

Als ein zweiter Mord geschieht – wieder begangen von einer Person im Narrenhäs – scheint Behles Schuld besiegelt. Doch Bienzle, der seinen Urlaub längst vergessen hat, ist nicht überzeugt. Die Fasnet, die einst dazu diente, die Obrigkeit zu verspotten und soziale Hierarchien auf den Kopf zu stellen, wird für Bienzle zum Symbol eines komplexen Spiels aus Macht, Gier und Vertuschung. Seine Ermittlungen führen ihn in ein Labyrinth aus Lügen, das so verwirrend ist wie die engen, verwinkelten Gassen Ravensburgs während des Narrensprungs.

Hinter den Kulissen

Die Tatort-Episode „Bienzle und das Narrenspiel“ wurde vom Süddeutschen Rundfunk produziert und feierte am 23. Januar 1994 ihre Erstausstrahlung im Ersten Deutschen Fernsehen. Es handelt sich um die 286. Episode der Filmreihe und den dritten Fall mit dem Stuttgarter Kommissar Ernst Bienzle, dargestellt von Dietz Werner Steck.

Die Dreharbeiten fanden am authentischen Spielort im oberschwäbischen Ravensburg statt, unterstützt von der örtlichen „Schwarze Veri Zunft e.V.“. Um die traditionelle schwäbisch-alemannische Fastnacht originalgetreu darzustellen, musste eine eigene Narrengruppe kreiert werden, da keine bestehende Zunft ihre Figuren mit einem Mörder in Verbindung bringen wollte. Der Ravensburger Zunftmeister Otto Lutz erschuf daher speziell für den Film die Maskengruppe der „Butzhansel“. Diese fiktive Narrengruppe gefiel den Einheimischen jedoch so gut, dass sie später offiziell in die Ravensburger Schwarze Veri Zunft aufgenommen wurde.

In der Rolle des verdächtigen Maskenschnitzers Albrecht Behle brilliert Robert Atzorn, der später selbst zum Tatort-Kommissar aufsteigen sollte – von 2001 bis 2008 ermittelte er als Jan Casstorff in 15 Fällen für den NDR in Hamburg. Auch Klaus Spürkel, der in dieser Folge einen Polizeibeamten spielt, kehrte später in den Bienzle-Tatorten als Gerichtsmediziner Dr. Kocher zurück.

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Felix Huby aus dem Jahr 1988 – dem zweiten Bienzle-Tatort, der einer Romanvorlage folgt. Die Erstausstrahlung verfolgten 9,44 Millionen Zuschauer, was einem beachtlichen Marktanteil von 26,2 Prozent für Das Erste entsprach. Die Verbindung von traditionellem Brauchtum und modernem Kriminalfall machte diese Episode zu einem besonderen Highlight in der Geschichte der Krimireihe.

Videos zur Produktion

Video 30 Sekunden aus den ersten 30 Minuten

Besetzung

Rita Russek (Hannelore Schmiedinger)
Robert Atzorn (Albrecht Behle)
Pia Hänggi (Maria Matras)
Andrea L’Arronge (Regina Finkbeiner)
Ulrich Matschoss (Wilhelm Phillipp)
Hubertus Gertzen (Gerhard Freudenreich)
Hans-Georg Panczak (Werner Phillipp)
Thomas Goritzki (Horst Keuerleber)
Klaus Spürkel (Polizeiobermeister Koch)
Dietmar Walbeck (Egon Zimmermann)
Claus Boysen
Alexander Gittinger
Angelika Hartung
Peter Jochen Kemmer
Tobias Krafft
Dirk Salomon
Georg Scharegg
Nikolai Sukup
Erika Wackernagel
Günter Zulla

Stab

Regie – Hartmut Griesmayr
Buch – Felix Huby
Kamera – Wolfram Hahn · Johannes Rühle · Georg Steinweh
Schnitt – Jens Klüber · Christiane Krafft
Musik – Roland Baumgartner
Produktion – SDR

Bilder: SWR

9 Kommentare

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  1. vor 12 Jahren

    Sicherlich eine der interessantesten Tatort-Folgen: Hier stimmt einfach alles: die schwäbische Atmosphäre, die Spannung und vor allem die ausgezeichneten Schauspieler. Die schwäbisch-alemannische Fassenacht als Background, immer wieder sehenswert!

  2. vor 11 Jahren

    Ein gutes Kultfilm.

  3. vor 10 Jahren

    Ein mir bislang unbekannter Tatort, den ich mir gestern, auf SWR um 20:15 h, angesehen habe. Ich muß aber gestehen, dass ich mir bestimmte Tatort-Produktionen vor 20 Jahren bewußt nicht angeschaut habe, ebenso die Augsburger Puppenkiste. Aus heutiger Sicht ein durchaus gemütlicher Kulturfilm, mit sympathischen Darstellern und einem gut gepflegtem Brauchtum, welcher durch die guten Beziehungen eines Regional-Autors zum deutschen Fernsehen entstanden sein dürfte. Der Dialekt, oder auch Mundart, ist auf 90 Minuten bezogen gewöhnungsbedürftig. Aber ehrlich dargestellte Charaktere.

  4. vor 8 Jahren

    Eine meiner Lieblingsfolgen des „Tatorts“, spielt er doch in „meiner“ Heimatstadt Ravensburg! :-)) Als damals 26-jährige habe ich einen Teil der Dreharbeiten zur Fasnetszeit 1993 mitbekommen, das Team befand sich gerade auf dem Marienplatz beim Gasthof „Engel“, in dem „Bienzle“ und seine Lebensgefährtin im Film wohnen! :-)) Schöne Erinnerungen nach jetzt schon 24 Jahren!! „Kolba hoch – Verio!!“

  5. vor 5 Jahren

    Diese Folge wird am Mittwoch, 12.2.2020 im SWR 22:00 Uhr wiederholt. Wer es ganz eilig hat, kauft die neu erschienene Bienzle-Komplettbox mit 24 Fällen (oder die alte Box mit 4 Fällen).
    Viele Grüße!
    Klaus

  6. vor 4 Jahren

    Alexander Gittinger ist mittlerweile Streetworker in Malibu. Tatort ist super. 4 Sterne

  7. vor 2 Jahren

    Ich wünsche dem Herrn Alexander Gittinger in seiner neuen beruflichen Tätigkeit alles Gute. Meine Meinung vom 28.01.2015 zum Tatort Stuttgart mit der Nummer 286 aus dem Jahr 1994 halte ich.

  8. vor 2 Jahren

    Sehr kammerspielartig; man kommt sich vor wie im Theater, so steif wird hier gespielt..
    Nett ist das Wiedersehen mit Hans-Georg Panczak (bekannt aus dem Kult-TO ‚Peggy hat Angst‘), wenn auch nur in einer kleinen Nebenrolle.

  9. vor 2 Jahren

    Zunächst mal ist mir diese alemannische Fasnet sowas von fremd und die Masken finde ich total hässlich, so dass mir dieser Tatort schon allein deshalb nicht gefiel. Aber noch mehr stört mich im Nachhinein, dass vieles so unplausibel war (jedenfalls für mich). Wieso hat Behle im Museum von den vielen Kostümen ausgerechnet das geklaut, welches auch der Mörder trug? War das Zufall oder Absicht, und wenn Absicht, welcher Sinn sollte dahinterstecken und woher wusste er überhaupt, welches Kostüm das „richtige“ war? Und wie ist der zweite Mörder ebenfalls an das gleiche Kostüm gekommen? Solche Kostüme gibt es bestimmt nicht an jeder Ecke zu kaufen. Und für mich war auch überhaupt nicht nachvollziehbar, warum Bienzle plötzlich seinen Kollegen verdächtigt hat. Hab dann nochmal bei Wikipedia nachgelesen, ob ich irgendwas nicht mitbekomemen habe, aber dort stand nur, dass es ihm verdächtig vorkam, dass er „einseitig ermittelt hat“. So so, das reicht dann schon aus, um bei einem Kollegen widerrechtlich in die Wohnung einzubrechen und dessen Schrank aufzubrechen? Dieser Bienzle scheint sowieso übernatürliche Fähigkeiten zu haben. Bin mal gespannt, wie die Reihe weitergeht, schaue die Bienzle-Folgen zum ersten Mal.

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