Kurz und knapp – darum geht’s

In einem Dresdner Mietshaus tropft plötzlich etwas Rotes von der Zimmerdecke in das Abendessen der Familie Ingholm – es ist Wasser aus der darüberliegenden Wohnung, in der Ralf Steiner tot in seiner Badewanne gefunden wird. Die Kommissare Ehrlicher und Kain nehmen die Ermittlungen auf und erkennen schnell, dass es sich nicht um Selbstmord handelt, sondern um Mord. Doch in diesem „ehrenwerten Haus“ hatte praktisch jeder Bewohner ein Motiv, den unbeliebten Musiker umzubringen – und als Kain sich in eine der Mieterinnen verliebt, geraten die Ermittler in einen gefährlichen Konflikt zwischen beruflicher Pflicht und persönlichen Gefühlen…

Inhalt der Tatort-Folge „Ein ehrenwertes Haus“

Nervös stellt Hausbesitzer Vermeier die Uhr in der Dresdner Gaststätte „Kleine Philharmonie“ zurück, denn sie geht seiner Meinung nach fünf Minuten vor. Zur selben Zeit tropft etwas Rotes von der Decke in das friedliche Abendessen der Familie Ingholm – ein verstörender Anblick, der das Unheil vorwegnimmt, das über dem ganzen Haus schwebt.

Hauptkommissar Bruno Ehrlicher ist ein Mann der Fakten, ein scheinbar unerschütterlicher Ermittler, der seine Arbeit mit stoischer Ruhe angeht. Doch hinter der Fassade verbirgt sich ein Mensch, den die Widersprüche im Mietshaus zusehends irritieren: Wie kann eine so respektable Fassade so viel Abgründiges verbergen? Sein jüngerer Kollege Kain hingegen ist impulsiver, lässt sich von Gefühlen leiten – eine Schwäche, die ihn in diesem Fall in besondere Bedrängnis bringt, als er sich in Jo Lohr verliebt, die Tochter eines der Verdächtigen.

Die Ermittlungen gleichen einem komplizierten Schachspiel, bei dem jeder Zug neue Fragen aufwirft. Was auf den ersten Blick wie ein klassischer Selbstmord erscheint – eine von innen verschlossene Tür, der Schlüssel steckt im Schloss – entpuppt sich als raffinierter Mord. Im fahlen Winterlicht von Dresden enthüllt der Gerichtsmediziner lakonisch: „Ein Alkoholiker, der an einer Überdosis Wasser stirbt.“ In Steiners Blut findet sich das Betäubungsmittel Laposan 31, das ihn wehrlos machte, bevor er in der Badewanne ertrank.

Die Kommissare bewegen sich durch das Haus wie durch ein Labyrinth aus Lügen und Halbwahrheiten. Jede Wohnungstür verbirgt ein anderes Motiv: Da ist Barbara Rothe, Steiners Ex-Freundin, die immer noch an ihm hängt; die alte Rebecca Schwarzkopf mit ihren zwanzig Katzen; Dr. Ingholm, der von der Wohnung des Opfers träumt; Melanies und Jos Vater Walter Lohr, verwirrt und unberechenbar; und natürlich Hausbesitzer Vermeier, der Steiner loswerden wollte. „Alle haben ihn umgebracht“, sagt die alte Frau Schwarzkopf, und je tiefer die Kommissare graben, desto mehr scheint dieser Satz eine unheimliche Wahrheit zu enthalten.

In einer eiskalten Dezembernacht konfrontiert Ehrlicher schließlich die versammelte Hausgemeinschaft mit seinen Erkenntnissen. Die Spannung im Raum ist greifbar wie der Nebel, der draußen die Elbe verhüllt. „Jeder von Ihnen hatte ein Motiv“, sagt er in die angespannte Stille hinein, und dann beginnt er systematisch, die dunklen Geheimnisse dieses vermeintlich ehrenwerten Hauses zu entblättern…

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Ein ehrenwertes Haus“ wurde vom Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) produziert und im November und Dezember 1994 in Dresden gedreht. Es handelt sich um die 302. Folge der Tatort-Reihe und den siebten Fall für das Ermittlerteam Ehrlicher und Kain, gespielt von Peter Sodann und Bernd Michael Lade, die zu diesem Zeitpunkt noch in Dresden ermitteln, bevor sie später nach Leipzig wechseln.

Die Hauptrollen sind mit bekannten Schauspielern besetzt: Peter Fricke verkörpert den undurchsichtigen Hausbesitzer Vermeier, während die aufstrebende Schauspielerin Nicolette Krebitz als Jo Lohr zu sehen ist – eine Rolle, die ihr später zu weiterer Bekanntheit verhalf. In Nebenrollen brillieren unter anderem Gudrun Okras als Rebecca Schwarzkopf und Peter Prager als Dr. Ingholm.

Bei ihrer Erstausstrahlung am 8. Januar 1995 erreichte die Folge 7,83 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 22,0 Prozent entsprach – ein beachtlicher Erfolg für das noch relativ neue Ermittlerteam aus dem Osten Deutschlands. Regisseurin Petra Haffter, die später auch bei den Tatorten „Gefährliche Übertragung“ und „Inflagranti“ Regie führte, inszenierte den Fall als atmosphärisches Kammerspiel.

Nach der Erstausstrahlung wurde in Kritiken besonders die Anlehnung an klassische Kriminalromane hervorgehoben. Die TV-Zeitschrift „TV Spielfilm“ verglich den Fall mit den Romanen von Agatha Christie und lobte die Inszenierung „in Hercule-Poirot-Manier“. Drehbuchautor Stefan Kolditz, der später für zahlreiche preisgekrönte Filme und Serien schrieb, gelang mit diesem frühen Tatort-Drehbuch ein raffiniertes Kammerspiel, das bis heute als einer der klassischen Fälle des Ermittlerduos Ehrlicher und Kain gilt.

Besetzung

Kommissar Bruno Ehrlicher – Peter Sodann
Kommissar Kain – Bernd Michael Lade
Dr. Ingholm – Gunter Schoß
Jo Lohr – Nicolette Krebitz
Rebecca – Marga Legal
Melanie – Anne-Sophie Briest
Frau Ingholm – Julia Lindig
Walter Lohr – Vladimir Weigl
Vermeier – Peter Fricke
Barbara – Anne Kasprik

Stab

Regie – Petra Haffter
Kamera – Michael Heiter
Buch – Stefan Kolditz
Musik – Franz Langner

Bilder: WDR