Kurz und knapp – darum geht’s

In einem Berliner Postauto explodiert eine Briefbombe und tötet einen unschuldigen Postboten – scheinbar ein Versehen, denn das Päckchen war für jemand anderen bestimmt. Parallel wird die Leiche einer jungen Russin im Stadtforst entdeckt, die Verbindung zum organisierten Menschenhandel mit osteuropäischen Frauen aufweist. Kommissar Roiter und sein Assistent Zorowski müssen einen grausamen Mafia-Ring aufdecken, der Frauen aus Russland einschleust und an Bordelle „vermietet“. Als die Ermittler die verzweifelte Schwester des Opfers aufspüren, die als einzige Zeugin des Mordes überlebt hat, entbrennt ein tödlicher Wettlauf mit der Zeit…

Inhalt der Tatort-Folge „Krokodilwächter“

Neonlichter spiegeln sich in den Pfützen des nächtlichen Berlin, während eine Briefbombe in einem Postwagen den Himmel für Sekunden erhellt. Der Körper eines unschuldigen Postboten liegt leblos zwischen verstreuten Briefen. Kommissar Ernst Roiter steht am nächsten Morgen im fahlen Herbstlicht am Tatort, seine Müdigkeit kaum verbergend. Das stürmische Wetter passt zu seiner inneren Unruhe – wieder ein Fall, der ihn an seine Grenzen bringen wird.

Roiter und sein Assistent Zorowski stehen vor einem Rätsel. Die Laborergebnisse lassen auf sich warten, und ohne konkrete Spuren können sie nur abwarten. „Manchmal ist unser Job wie Angeln im Trüben“, murmelt Roiter frustriert, während er die kargen Hinweise betrachtet. Sein Assistent Zorowski, stets um Professionalität bemüht, stürzt sich in die Ermittlungsarbeit, um seine eigene Unsicherheit zu überspielen.

Die Entdeckung der Leiche einer jungen Russin namens Irina im Berliner Stadtforst wirkt zunächst wie ein separater Fall. Doch die Nebelschwaden der beiden Verbrechen beginnen sich allmählich zu verflechten. Die verlassenen Lagerhallen und heruntergekommenen Wohnblocks Berlins werden zu stummen Zeugen eines grausamen Spiels. Das Ermittlerduo dringt immer tiefer in die Schattenwelt der russischen Mafia ein, wo Menschen wie Waren gehandelt werden.

Die Suche nach der Wahrheit führt die Ermittler in ein moralisches Labyrinth, als sie erfahren, dass junge Frauen aus Russland mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt und dann an Bordelle „vermietet“ werden. „In Russland gibt es ein Sprichwort“, erklärt ein Informant aus der Szene leise. „Du kriegst das Fleisch, aber ich die Knochen…“ Die Bordellbesitzer, in der Szene als „Krokodilwächter“ bekannt, zahlen der Mafia Anteile für die erbarmungslose Ausbeutung der Frauen.

Die Ermittlungen gleichen einem Tanz auf dünnem Eis. Jede neue Erkenntnis bringt Roiter und Zorowski in größere Gefahr. Als sie Nadja, die Schwester des Opfers, aufspüren, erkennen sie die volle Dimension des Falls. Das verängstigte Mädchen versteckt sich vor den Mördern ihrer Schwester – zitternd wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Die Jagd auf die Hintermänner wird zum Wettlauf mit der Zeit, denn Nadja schwebt in höchster Lebensgefahr.

In den verwinkelten Straßen Berlins, wo das kalte Licht der Straßenlaternen auf nassen Asphalt fällt, wird die Verfolgung immer verzweifelter. Der Fall ist wie ein Sumpf – je mehr die Ermittler darin waten, desto tiefer drohen sie zu versinken. Die Grenzen zwischen Jägern und Gejagten verschwimmen zusehends in dieser düsteren Großstadtsymphonie aus Angst, Gewalt und zerbrochenen Hoffnungen.

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Krokodilwächter“ wurde als vierter Fall des Ermittler-Duos Roiter und Zorowski von der Opal-Filmproduktion GmbH im Auftrag des Senders Freies Berlin (SFB) produziert. Die Dreharbeiten fanden in Berlin und Umgebung statt, wobei der Film mit Betacam-Videokameras aufgezeichnet wurde, was ihm eine für damalige Verhältnisse ungewöhnliche Videoclip-Ästhetik verlieh.

In den Hauptrollen waren Winfried Glatzeder als Kommissar Ernst Roiter und Robinson Reichel als sein Assistent Michael Zorowski zu sehen. Die besondere Videotechnik und der ungeschönte Blick auf das Berliner Milieu sollten dem Fernsehkrimi eine dokumentarische Härte verleihen.

Bei seiner Erstausstrahlung am 10. November 1996 erreichte der Film 7,30 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 20,05 % entsprach. Trotz dieser beachtlichen Quote geriet der Tatort „Krokodilwächter“ schnell in die Kritik. Der damalige Medienbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Hans-Otto Wilhelm, bezeichnete den Film als „brutal, sexistisch und menschenverachtend“ mit „unerträglich wirkenden Gewaltszenen“.

Die Folge wurde nach ihrer Erstausstrahlung in den sogenannten „Tatort-Giftschrank“ aufgenommen und seither nicht mehr im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt. Damit ist das Ermittler-Duo Roiter und Zorowski das einzige in der Geschichte der Krimireihe, bei dem gleich zwei Folgen (neben „Tod im Jaguar„) im „Giftschrank“ landeten.

Die Kritik an „Krokodilwächter“ entzündete sich nicht nur an den expliziten Gewaltdarstellungen, sondern auch an der polarisierenden Videotechnik der SFB-Produktionen. Die Fachzeitschrift TV Spielfilm urteilte vernichtend: „Miese Skripte, trüber Video-Look: Die oft brutalen Berlin-Krimis erwarben zu Recht den Ruf, in der falschen Liga zu spielen.“

Besetzung

Kommissar Ernst Roiter – Winfried Glatzeder
Michael Zorowski – Robinson Reichel
Dima Kaschpirowskij – Dirk Martens
Viktor – Stefan Jürgens
Sascha Gorbunow – Hermann Lause
Irina – Nadeshda Brennicke
Nadja – Theresa Hübchen
Wittkowski – Karl Kranzkowski

Stab

Regie – Berno Kürten
Buch – Andreas Pflüger
Produktion – SFB