Kurz und knapp – darum geht’s
Kommissar Ivo Batic nimmt Urlaub, um seine Verwandten aus dem Kosovo zu empfangen, als ein gefesselter und gefolterter Kosovoalbaner an der Isar aufgefunden wird. Obwohl sein pedantischer Urlaubsvertreter aus Nürnberg den Fall übernehmen soll, kann Batic nicht widerstehen, sich einzumischen – mit fatalen Folgen für ihn selbst. Als er nach einer Auseinandersetzung neben einer weiteren Leiche erwacht und selbst unter Mordverdacht gerät, muss er erkennen, dass die Schatten des Balkankrieges bis nach München reichen…
Inhalt der Tatort-Folge „Der Prügelknabe“
Rastlos betrachtet Kommissar Ivo Batic die Fotos seiner Cousine Branka und ihrer Familie, während die Aprilsonne durch die Jalousien seines Büros fällt. Endlich Urlaub – zwei Wochen frei von Mordfällen, um seinen Besuch aus dem Kosovo durch München zu führen. Das Klingeln seines Telefons zerreißt die friedliche Stimmung wie ein plötzlicher Schuss. An der Isar wurde eine Leiche gefunden.
Die Münchner Ermittler stehen am Flussufer, wo sich Wasser tosend seinen Weg bahnt. Zwischen den Bäumen liegt, an einen Stamm gefesselt, der leblose Körper des Kosovoalbaners Maruf Selmani – gefoltert bis zum Tod. Während Leitmayr und Menzinger sich bereits umsehen, stolziert Hauptkommissar Wolfgang Hackl aus Nürnberg, Batics Urlaubsvertretung, mit übertriebener Akribie über den Tatort. „Haben Sie die Markierung am Baum fotografiert?“, fragt er scharf und rügt jeden noch so kleinen Fehler. Seine Besserwisserei und sein steifes Auftreten fallen bei den Münchner Kollegen wie Regentropfen auf heiße Steine – sie verdampfen in Gereiztheit.
Batic, der eigentlich mit Darko, dem Mann seiner Cousine, unterwegs ist, kann seine Neugierde nicht bezähmen. Wie ein Schatten taucht er immer wieder in den Ermittlungen auf, besonders als der Autohändler Fritz Wagner ins Visier gerät, der angeblich Waffengeschäfte mit der UÇK, der kosovarischen Befreiungsarmee, gemacht haben soll. „Das ist mein Fall, Ivo“, mahnt Leitmayr seinen Freund eindringlich, doch Batic hört nicht. Seine Sturheit wird zu seinem Verhängnis.
Bei einer Befragung Wagners eskaliert die Situation. Handgemenge, schnelle Bewegungen, ein kurzer Schrei – Wagner blutet, Batic hat ihn verletzt. Der pedantische Hackl droht sofort mit Konsequenzen, ein Disziplinarverfahren schwebt wie ein Damoklesschwert über Batics Kopf. Die Nacht senkt sich über München, als Batic, vom Alkohol benebelt, beschließt, sich bei Wagner zu entschuldigen. Eine Flasche Schnaps als Friedensangebot in der Hand, klopft er an Wagners Tür. Was dann folgt, ist wie ein Filmriss – Dunkelheit, dann Schmerz und das entsetzliche Bild des erstochenen Autohändlers neben ihm auf dem Boden.
Die Ermittlungen nehmen eine schwindelerregende Wendung wie ein Boot im Strudel der Isar. Batic, selbst unter Verdacht, wird von seinem eigenen Team isoliert, während Menzinger mysteriöse Details über Hackls Vergangenheit beim Verfassungsschutz ausgräbt. „Der war seinerzeit mit einem Serben aneinandergeraten“, raunt Menzinger Leitmayr zu. Die Jagd nach dem flüchtigen Albaner Schakir führt die Kommissare durch düstere Moscheen und über verwinkelte Waldwege, während Batic zunehmend den Verdacht hegt, dass sein Schwager Darko mehr über die Morde weiß, als er zugibt.
Wie Puzzleteile fügen sich die Verbindungen zusammen: Eine Autobombe im Kosovo, Zeugen, die gesehen haben, was sie nicht hätten sehen dürfen, und eine Blutspur, die bis nach München führt. Für Batic wird der Fall zu einer Zerreißprobe zwischen familiärer Loyalität und beruflicher Pflicht, als sich herausstellt, dass seine geliebten Verwandten tiefer in den Fall verstrickt sind als gedacht…
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Der Prügelknabe“ wurde vom Bayerischen Rundfunk produziert und feierte am 21. April 2003 seine Erstausstrahlung im Ersten Programm der ARD. Regie führte Thomas Jauch, bekannt für seine intensive Bildsprache und die Fähigkeit, komplexe menschliche Konflikte einzufangen. Das Drehbuch stammte aus der Feder von Christian Limmer, der es verstand, den Balkankonflikt und seine Auswirkungen bis nach Deutschland zu transportieren.
In den Hauptrollen brillierten wie gewohnt Miroslav Nemec als Ivo Batic und Udo Wachtveitl als Franz Leitmayr, die zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwölf Jahren gemeinsam vor der Kamera standen. Vervollständigt wurde das Ermittlertrio durch Michael Fitz als Carlo Menzinger. Als Gaststar überzeugte Thomas Schmauser in der Rolle des pedantischen Hauptkommissars Wolfgang Hackl aus Nürnberg, der mit seiner überkorrekt-nervigen Art für Spannungen im Team sorgte.
Besonders authentisch wirkten die Szenen mit Batics Familie – kein Wunder, denn sowohl Nemec selbst als auch die Darsteller seiner Verwandten stammen tatsächlich aus Kroatien, was der Geschichte eine zusätzliche Glaubwürdigkeit verlieh. Die Dreharbeiten fanden hauptsächlich in München statt, wobei die dramatischen Szenen an der Isar der Handlung eine besondere Atmosphäre gaben.
Bei der Erstausstrahlung verfolgten 6,64 Millionen Zuschauer den Fall und bescherten dem Ersten einen Marktanteil von beachtlichen 20,5 Prozent. Die Kritiker lobten vor allem die Einbindung des Kosovokrieges als Hintergrund der Handlung, was dem Krimi eine gesellschaftspolitische Relevanz verlieh, die über den üblichen Sonntagabendkrimi hinausging. Einige Rezensenten bemängelten allerdings die teilweise holprige Story und die Figurenzeichnung.
Interessanterweise war diese Folge eine der wenigen, in denen Batic selbst zum Verdächtigen wird und die Loyalität seines langjährigen Partners Leitmayr auf die Probe gestellt wird. Nach der Ausstrahlung diskutierten Fans intensiv über die moralischen Konflikte des Falles – insbesondere über die Frage, wie weit familiäre Bindungen reichen dürfen, wenn es um Gerechtigkeit geht.
Besetzung
Hauptkommissar Ivo Batic – Miroslav Nemec
Hauptkommissar Franz Leitmayr – Udo Wachtveitl
Carlo Menzinger – Michael Fitz
Wolfgang Hackl – Thomas Schmauser
Darko – Peter Davor
Branka – Zeljka Preksavec
Malina – Yasmin Asadie
Milic – Valentin Platereanu
Schakir – Lenn Kudrjawitzki
Fritzi Wagner – Wilfried Labmeier
Imam – Abbas Maghfurian
Beamter – Christian A. Koch
Maruf Selmani – Thomas Trentinaglia
Wallross – Georg Blumreit
u.a.
Stab
Drehbuch – Christian Limmer
Regie – Thomas Jauch
Kamera – Clemens Messow
Schnitt – Helga Kriller
Musik – Stephan Massimo
Produktion – BR
guten abend!
ich hätte eine frage wegen des tatorts „der prügelknabe“ von 2003. Kommt in der Folge ein silberner 315er bmw vor der baujahr 1981 ist?
danke im vorraus
Hallo Michael,
in welcher Scene wird denn gesucht?
Gruß
Der Tatort 530 ( i ) aus München mit den beiden beliebten Hauptkommissaren Batic und Leitmayr von der dortigen Mordkommission. Tja, diesen Fall wollen die Herren einmal untereinander klären. Ad absurdum! Würde ich einmal einfach behaupten. Aber allen Beteiligten viel Glück. Und dem Staatsschutz ein Gutes Nestle. Hurra. Und wo war nun der BMW?
1. Der albanische Name ist falsch ausgesprochen, es heißt „Shaqir“ (Betonung auf der 2. Silbe) und nicht „Shakir“.
2. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Batic den albanischen Brief vom Blatt übersetzt, weil die slawischen Sprachen eine ganz andere Sprachfamilie sind als das Albanische, das einen eigenständigen Zweig der indogermanischen Sprachen darstellt.
3. Die muslimischen Floskeln sind ebenso unwahrscheinlich. Der Islam spielt als von den Osmanen aufgezwungene Religion in der albanischen Kultur eine relativ untergeordnete Rolle (und wenn sich das bei einigen in der letzten Zeit geändert hat, liegt das am Einfluss bestimmter Gruppen aus bestimmten islamischen Ländern). Kosova-Albaner trafen sich um die Kriegszeit herum in Kulturvereinen anstatt in Moscheen.
4. Albanien ist ein anderer Staat; man ließ Kosova und nicht Albanien hochleben, auch nicht im Sinne eines wiedervereinigten Gesamtalbaniens, das nur von einer Minderheit angestrebt wurde.
5. Aus der undeutlichen Schnitzerei am Baumstamm lässt sich nur mit viel Fantasie das Emblem der UCK ableiten; es könnte genausogut ein anderes rundes Emblem sein.
Mal sehen, was sonst noch für Vorurteile gegen Albaner und die albanische Kultur auf den Tisch kommen oder ob sich diese Perspektive in der zweiten Hälfte des Films noch relativiert.
6. Der Name „Maruf“ ist auch nicht gerade typisch albanisch. Ich kenne keinen einzigen Maruf und habe in Google auch nur einen einzigen albanischen Träger dieses Namens gefunden sowie einen gewissen Maruf Arnauti, den ersten syrischen Romanautor, dessen Familienname auf seine albanische Abstammung hinweist.
7. „Milic“ ist nie und nimmer ein albanischer Name. Er klingt slawisch, und weder ist das Albanische eine slawische Sprache noch sind die Albaner Slawen.
8. „Ksevdet Schakir“, wie Milic ihn nennt, soll wohl für Xhevdet Shaqiri stehen (was, wie gesagt, ganz anders ausgesprochen ist).
8. Obwohl Kosovaren zahlreiche Reisebüros führten, die zugleich chaotisch-kreative Tante-Emma-Läden für alles Mögliche waren, sahen sie normalerweise nicht so aus wie Milics Laden. Dort wurden überwiegend Reisen in die Heimat und weniger in andere Teile des ehemaligen Jugoslawiens verkauft; die Läden richteten sich auch eher an Landsleute als an deutsche Pauschalurlauber.
Der Tatort-Redaktion sei daher eine genauere Recherche empfohlen, wenn es um andere Länder und Sprachen geht. 2003 gab es in München genug Albaner, denen es eine Freude und Ehre gewesen wäre, unentgeltlich auf diese Art und Weise zu einem realistischeren Bild der albanischen Welt beizutragen.
Da hab ich schon viel bessere TO`s mit Batic und Leitmayr gesehen.
Einer der schwächsten TO´s vom Team München mit einem völlig „overacted“ agierenden Miroslav Nemec und ebenso unglaubwürdiger Handlung. Zu Recht ganz selten gespielte Folge. Eineinhalb Punkte, abgerundet.