Tatort Folge 603: Bienzle und der Sizilianer

Kurz und knapp – darum geht’s

Ein gezielter Kopfschuss am Flughafen Stuttgart beendet das Leben des jungen Sizilianers Luigi Ricci, kurz vor seinem geplanten Abflug. Hauptkommissar Ernst Bienzle nimmt die Ermittlungen auf und verfolgt die Spuren, die ihn ins beschauliche Allgäu führen, wo das Opfer bei seinem Bruder Giovanni gelebt hatte. Schnell geraten mehrere Personen ins Visier des schwäbischen Ermittlers: die trauernde Freundin Marlene Mergenthaler, ihr eifersüchtiger Ex-Freund und ihre Eltern, die die Beziehung missbilligten. Als Bienzle entdeckt, dass beide Familien mafiöse Strukturen aufweisen, gerät er zwischen die Fronten zweier gefährlicher Clans…

Inhalt der Tatort-Folge „Bienzle und der Sizilianer“

Der Stuttgarter Flughafen liegt im Morgennebel, als das laute Echo eines einzelnen Schusses durch die Abflughalle hallt. Kommissar Ernst Bienzle, mit seinem unverkennbaren Trenchcoat und Hut, betrachtet nachdenklich die Leiche des jungen Sizilianers Luigi Ricci, der mit einem präzisen Kopfschuss hingerichtet wurde. Das Blut auf dem kalten Fliesenboden bildet einen erschreckenden Kontrast zur geschäftigen Atmosphäre des Flughafens, wo Reisende hektisch um die abgesperrte Szene herumgeleitet werden.

„Ein Mafiaauftrag?“, fragt Bienzles Kollege Gächter, während der Gerichtsmediziner alte Narben am Körper des Opfers entdeckt. Der schwäbische Hauptkommissar zieht bedächtig an seiner Pfeife und lässt seinen Blick über die Überwachungsbilder schweifen. „Zu offensichtlich“, murmelt er. Bienzle ist bekannt für seine ruhige, besonnene Art des Ermittelns, die ihn zu einem der erfolgreichsten Kommissare Stuttgarts gemacht hat. Doch hinter seiner gemütlichen Fassade verbirgt er einen scharfen Verstand, der stets die unerwarteten Zusammenhänge wittert.

Die Spur führt ihn in das verschlafene Wagenbrunn im Allgäu, wo Luigi zuletzt bei seinem Bruder Giovanni untergekommen war. Der frühherbstliche Wind trägt den Duft frisch gemähter Wiesen und den Klang entfernter Kuhglocken, als Bienzle die gut besuchte Pizzeria von Giovanni Ricci betritt. Die Atmosphäre des Ortes steht in starkem Kontrast zur Tragik des Falles – hier scheint die Zeit stillzustehen, während die Ermittlungsuhr unerbittlich tickt.

„Mein Bruder hatte keine Feinde“, behauptet Giovanni mit glänzenden Augen. Doch Bienzle spürt, dass er etwas verschweigt. Die Fahndung gleicht bald der Suche nach einem Wassertropfen im Bodensee – niemand will etwas gesehen haben, niemand will etwas wissen. Wie Puzzle-Teile, die nicht zusammenpassen wollen, wirken die widersprüchlichen Aussagen der Dorfbewohner.

Ein besonderes Augenmerk richtet der Kommissar auf Marlene Mergenthaler, die Freundin des Opfers. Sie hatte Luigi zum Flughafen gebracht, war nach dem Mord fluchtartig geflohen und später in einen Autounfall verwickelt worden. Ihre Augen, gerötet vom Weinen, können den prüfenden Blick des Kommissars kaum ertragen. „Er wollte für drei Monate nach Toronto“, schluchzt sie. Doch warum hielt sie sich zum Tatzeitpunkt am Tatort auf? Und warum floh sie? Bienzle registriert jeden ihrer nervösen Blicke, jedes Zucken ihrer Hände.

Auch andere Personen geraten ins Visier: Simon Groß, Marlenes Ex-Freund und Geschäftsführer der elterlichen Molkerei, der seinen Nebenbuhler aus dem Weg geräumt haben könnte. „Ich wusste nicht einmal, dass sie Schluss machen wollten“, beteuert er, während seine Finger unruhig mit dem Autoschlüssel spielen. Und dann sind da noch die Eltern von Marlene, die die Verbindung mit dem Sizilianer von Anfang an missbilligten und ihre Tochter lieber mit Simon verheiratet sehen wollten.

Je tiefer Bienzle gräbt, desto komplexer wird das Bild. Wie ein Gemälde, das sich erst aus der Entfernung erschließt, beginnt er zu erkennen, dass die familiären Strukturen beider Seiten – der Mergenthalers und der Riccis – mehr Ähnlichkeiten aufweisen, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Der Nebel der Verwirrung lichtet sich langsam, und Bienzle erkennt die Umrisse eines Familiendramas, das in seiner Intensität der sizilianischen Blutrache in nichts nachsteht.

Zwischen den Ermittlungen erfährt Bienzle, dass seine Lebensgefährtin Hannelore ganz in der Nähe eine Wellness-Kur macht. Ein innerer Konflikt beginnt den sonst so rationalen Kommissar zu beschäftigen: Sollte er sie besuchen? Will sie ihre Ruhe haben? Oder würde sie es ihm übelnehmen, wenn er nicht auftaucht? Diese persönliche Frage beschäftigt ihn fast so sehr wie der Mordfall selbst – eine seltene Schwäche des sonst so sachlichen Ermittlers.

Als Bienzle schließlich eine überraschende Verbindung zwischen dem letzten Anruf auf Luigis Handy und einem der Verdächtigen entdeckt, führt ihn dies zu einer erschütternden Erkenntnis über die wahren Beweggründe hinter dem Mord. Doch als er dieser Spur nachgeht, begibt er sich selbst in eine gefährliche Situation zwischen den Fronten zweier Familien, deren Werte und Strukturen trotz aller kulturellen Unterschiede erschreckend ähnlich sind…

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Bienzle und der Sizilianer“ wurde vom Südwestrundfunk (SWR) produziert und ist die 603. Episode der beliebten Krimireihe. Für Darsteller Dietz-Werner Steck war es bereits der 21. Fall als schwäbischer Kommissar Ernst Bienzle – eine Rolle, die er von 1992 bis 2007 in insgesamt 25 Tatort-Episoden verkörperte und mit seinem charakteristischen Trenchcoat, Hut und der gemütlichen Art zu einem Publikumsliebling machte.

Die Dreharbeiten fanden vom 14. April bis zum 13. Mai 2004 unter dem Arbeitstitel „Bienzle und der Neapolitaner“ statt. Als Kulisse dienten die Städte Stuttgart und Baden-Baden sowie Wangen im Allgäu, das mit seiner malerischen Landschaft dem Film eine besondere Atmosphäre verleiht. Das im Film gezeigte Hotel, in dem Hannelore ihre Wellness-Kur macht, ist in Wirklichkeit das Hotel Allgäu Sonne in Oberstaufen im Landkreis Oberallgäu – nicht, wie im Film angegeben, in Bad Buchau am Federsee.

Für das Drehbuch zeichneten Felix Huby und Zoran Solomun verantwortlich, zwei Autoren mit viel Erfahrung in der Bienzle-Reihe, während Hartmut Griesmayr die Regie übernahm. Bemerkenswert ist, dass der SWR vor der Ausstrahlung eine Szene mit Schleichwerbung für Joghurt und Rapsöl herausschneiden musste, was für einige mediale Aufmerksamkeit sorgte.

Die Erstausstrahlung am 24. Juli 2005 im Ersten Deutschen Fernsehen erreichte beachtliche 7,28 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 23,2 Prozent entsprach. Die Kritiken fielen allerdings gemischt aus: Während viele Zuschauer die ruhige, besonnene Art des schwäbischen Ermittlers schätzten, bemängelten Kritiker wie Rainer Tittelbach das konventionelle Erzählmuster als „Fernsehen von gestern“ und „Krimi aus dem Setzbaukasten“. Die Fernsehzeitschrift TV Spielfilm urteilte mit dem griffigen Satz: „Pizza Lango Weilo mit Extraportion Käse.“

Interessant ist, dass „Bienzle und der Sizilianer“ als fünftletzter Fall des beliebten Kommissars das nahende Ende einer Ära im Stuttgarter Tatort einläutete. Nach 25 Fällen verabschiedete sich Dietz-Werner Steck 2007 von seiner Paraderolle und hinterließ eine Lücke, die bei den treuen Fans des schwäbischen Ermittlers noch lange zu spüren war.

Videos zur Produktion

ARD Plus Trailer

Video 30 Sekunden aus den ersten 30 Minuten

Besetzung

Ernst Bienzle – Dietz Werner Steck
Günter Gächter – Rüdiger Wandel
Marlene Mergenthaler – Alma Leiberg
Luise Mergenthaler – Angelika Bender
Ruth Ricci – Astrid Posner
Simon Groß – Marcus Michalski
Hannelore Schmiedinger – Rita Russek
Giovanni Ricci – Luca Zamperoni
Arnold Mergenthaler – Arnulf Schumacher

Stab

Regie – Hartmut Griesmayr
Kamera – Hans-Jörg Allgeier
Szenenbild – Jochen Schumacher
Buch – Felix Huby, Zoram Solomun
Musik – Joe Mubare

Bilder: SWR/Schweigert

7 Kommentare

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  1. vor 17 Jahren

    Habe leider das Ende verpasst und somit weiss ich nicht wer der Mörder war. Kann mir jemand helfen?
    Vielen Dank.

  2. vor 9 Jahren

    Der Tatort Nummer 603 aus Stuttgart mit Hauptkommissar Bienzle – Mordkommission. Eigentlich ist der Fall eine Nummer zu groß für Bienzle, aber mit seiner Perle war auch der durchaus zu schaffen gewesen. Sein Einsatz als Tatort-Kommissar ging beim Dreh dieses Fernsehfilms auch so langsam dem Ende entgegen, unaufhaltsam und gottseidank. Aber sich den drei Meinungen vorab anschließend: Wer war es denn nun? ………..

  3. vor 3 Jahren

    Einer der schwächsten Bienzle-TO’s. Zu Recht selten gesendet. Bedingt sehenswert nur wg. Alma Leiberg als Marlene.

    @Dirk + der 1. Kommentator:
    Die Mutter von Marlene war’s, da sie nicht auch noch das 2. Kind ‚verlieren‘ wollte (durch Wegziehen mit dem Sizilianer, das 1. Kind starb an einem Schuss-Unfall) …

    Amüsant, dass beide Vor-Kommentatoren das Ende verpasst haben (war offenbar ein gutes Schlafmittel). ;-)

  4. vor 3 Jahren

    PS: Rita Russek hat offenbar ein Faible für korrekt-biedere Ermittler und wechselte als ‚Dauer-Freundin‘ relativ umgehend von Bienzle zu Wilsberg …

  5. vor 2 Jahren

    Ich finde die Folge durchgehend unterhaltsam

  6. vor 2 Jahren

    @ Der Fremde vom 29.09.2022: Danke für die Hilfe. Wahrscheinlich war ich damals telefonisch abgelenkt, das Datum lässt darauf schließen.
    Meine Meinung vom 28.12.2015 relativiere ich. Mittlerweile finde ich den eher bedächtigen Tatort-Kommissar in seinen Fällen und mit seiner fast stressfreien Fernseh-Beziehung ausgesprochen beruhigend zu schauen.

  7. vor 2 Jahren

    @Dirk:
    Auch ich mag gelegentlich das langsame Tempo der alten Bienzle-Folgen, das wirkt wie ‚aus der Zeit gefallen‘.
    Innerhalb der Bienzle- Serie gibt es aber m.E. (wie überall) bessere und schlechtere Folgen. Die gegenständliche war schon arg klischee-behaftet: Ein Sizilianer muss grundsätzlich und immer ein Mafioso sein (und die blonden deutschen Frauen täuschen) ?!

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