Kurz und knapp – darum geht’s
Hat Medizinstudentin Rojin Lewald tatsächlich Selbstmord begangen? Diese Frage beschäftigt die Bremer Hauptkommissare Inga Lürsen und Nils Stedefreund, als sie den Tod der jungen Frau untersuchen, die aus einer angesehenen türkischen Familie stammt und sich von ihrem deutschen Mann scheiden lassen wollte. Während die streng gläubige Familie der Toten auffällig unbeeindruckt wirkt und trotz des Todesfalls die Hochzeit der jüngeren Tochter vorbereitet, verhärtet sich durch die Obduktion der Verdacht: Es war kein Selbstmord. Als die Kommissare in das komplexe Geflecht aus Familienehre, religiösen Traditionen und verborgenen Gefühlen eindringen, ahnen sie nicht, dass die Wahrheit ihre schlimmsten Befürchtungen noch übersteigen wird…
Inhalt der Tatort-Folge „Familienaufstellung“
Regungslos steht Inga Lürsen vor der Leiche der jungen Türkin Rojin Lewald, während der kalte Novemberregen an die Fensterscheiben trommelt. Das vermeintliche Selbstmordopfer liegt im Bett, als sei es nur eingeschlafen, doch das Blut an ihrer Kleidung erzählt eine andere Geschichte. „Kein typischer Selbstmord“, murmelt Lürsen ihrer Kollegin zu, ihre sonst so klaren Augen momentan getrübt von Müdigkeit und Zweifel.
Die erfahrene Hauptkommissarin ist bekannt für ihre direkte Art, die manchmal an Ruppigkeit grenzt, und ihre Intuition, die sie selten im Stich lässt. Doch die Ermittlungen in dieser Welt der strenggläubigen türkischen Oberschicht Bremens bringen selbst sie an ihre Grenzen. Ihr Kollege Nils Stedefreund versucht derweil, seine eigene Hilflosigkeit hinter kühler Professionalität zu verbergen, während er mit den kulturellen Unterschieden ringt, die den Fall überschatten.
Das Haus der Familie Korkmaz spiegelt den Wohlstand wider, den sich Rojins Eltern in der Hansestadt erarbeitet haben – teure Möbel, erlesene Kunstwerke, perfekte Fassade. Doch die Stimmung im Haus gleicht einem gefrorenen See – an der Oberfläche glatt und spiegelnd, darunter gefährlich brüchig. „Wir trauern auf unsere Weise“, erklärt Vater Korkmaz mit beherrschter Stimme, während die Vorbereitungen für die Hochzeit der jüngeren Tochter Arzu unbeirrt weitergehen. Das Festzelt im Garten wirft groteske Schatten, als würde es die Trauer verschlucken, die in diesem Haus fehlt.
Jedes Gespräch mit den Geschwistern der Toten gleicht einem Tanz auf dünnem Eis. Sie wirken genervt von den Fragen der Polizei, die lästigen Mücken gleich, die man verscheuchen will. „Sie hat sich selbst getötet, was gibt es da noch zu ermitteln?“, fragt Rojins Bruder, während sein Blick unruhig durch den Raum wandert wie ein Vogel, der einen Ausweg sucht.
Als die Obduktion eindeutig ergibt, dass Rojin nicht Selbstmord begangen haben kann, verdichtet sich der Nebel der Vermutungen zu einer beunruhigenden Frage: War es ein Ehrenmord? Lürsen und Stedefreund tauchen immer tiefer in die Familienstrukturen ein, die undurchsichtig sind wie die Weser am frühen Morgen.
Die Anwältin der Verstorbenen, die Rojin bei ihrem Kampf für Selbstbestimmung unterstützt hatte, wirft ein neues Licht auf den Fall. „Sie wollte frei sein, ihr eigenes Leben führen“, sagt sie mit tränenerstickter Stimme. Die beiden Frauen waren eng befreundet, vielleicht zu eng. Stedefreund glaubt in den Augen der Anwältin mehr als nur freundschaftliche Gefühle zu erkennen, unerfüllte Sehnsüchte, die in Wut umschlagen können wie eine plötzliche Sturmflut.
Während Lürsen dagegen den deutschen Ehemann in Verdacht hat – ein klassisches Eifersuchtsdrama statt eines kulturell motivierten Mordes – gleitet ihre Ermittlung durch die verwinkelten Gassen der gegensätzlichen Wertvorstellungen. Jede neue Erkenntnis ist wie ein Stein, der ins Wasser fällt und konzentrische Kreise der Verunsicherung zieht.
Die Wahrheit, die am Ende zum Vorschein kommt, ist erschütternd wie ein Bremer Wintergewitter und stellt alle Vorurteile und Vermutungen auf den Kopf…
Hinter den Kulissen
Die Tatort-Folge „Familienaufstellung“ wurde unter dem Arbeitstitel „Feuerstelle“ von Radio Bremen im Auftrag des WDR und BR produziert. Die Dreharbeiten fanden von November bis Dezember 2007 in den regenverhangenen Straßen Bremens und in Hamburg statt, wo das Filmteam die typisch norddeutsche Atmosphäre gekonnt einzufangen wusste.
In ihrer 18. Tatort-Folge brilliert Sabine Postel als Hauptkommissarin Inga Lürsen, die in diesem Fall bereits zum 13. Mal von Oliver Mommsen als Kriminalkommissar Nils Stedefreund unterstützt wird. Als hochkarätiger Gaststar überzeugt Erol Sander in der Rolle des Familienoberhaupts Korkmaz, der mit seiner facettenreichen Darstellung die Ambivalenz seiner Figur eindrucksvoll verkörpert.
Das herausfordernde Drehbuch stammt aus der Feder von Thea Dorn und der Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ates, die mit diesem Tatort zeigen wollten, „dass religiös-kultureller Dogmatismus nicht nur ein Problem ungebildeter Schichten ist“. Ihre Intention war es, die Komplexität der Thematik jenseits gängiger Klischees darzustellen.
Bei der Erstausstrahlung am 8. Februar 2009 im Ersten verfolgten 8,45 Millionen Zuschauer die packende Folge, was einem beachtlichen Marktanteil von 22,9 Prozent entsprach. Die kontroverse Thematik und die ungeschönte Darstellung religiös-kultureller Konflikte löste nach der Ausstrahlung intensive Diskussionen aus. Während einige Kritiker die reißerischen Effekte bemängelten, wurde die intensive Farblogistik des Regisseurs Mark Schlichter und die dichte Atmosphäre überwiegend positiv aufgenommen.
Der Bremer Tatort, der in der Vergangenheit oft provoziert und öffentliche Debatten angestoßen hatte, setzte mit „Familienaufstellung“ die Tradition des offenen Endes fort und stellte damit auch die Konventionen des TV-Krimis infrage – ganz im Sinne des früher oft als „linkes Radio Bremen“ bezeichneten Senders, der für ungewöhnliche Formate und aufmüpfige Unterhaltung bekannt ist.
Das war widerlich! Jeder Mensch kann von da ausgehend zwischen 5 Minuten und einem Jahr recherchieren und wird wissen warum. Egal wer es am Ende aus welchem Grund wirklich war!
Ein fantastischer Tatort – exzellente Darsteller!
hi weiß weiner wie die folge 721: Familienaufstellung war, und wo man die finden kann ich hab sie leider noch nicht gesehen, und würde sie mir gerne anschauen, bitte wenn eine oder einer weiß wo man die findet oder anschauen kann bitte um antwort danke glg babsi
Ich würde gern diesen Tatort noch einmal sehen. Wann könnte er wiederholt werden?
Der Tatort Nummer 721 mit den beiden Vorzeigebeamten Lürsen und Stedefreund. Zwei Hauptkommissare aus Bremen ermitteln bei den Türken. Die kamen nach den Italienern und sind gut dabei. Nach einer gewissen Eingewöhnung lösen die beiden Polizeibeamten der Mordkommission auch diesen komplizierten Fall souverän. Intelligenter Tatort zum Mitdenken und Kniffeln. Sehenswert, wer den noch einmal braucht.
And after all the drama, the yelling, the knife fights, the murders, the culture clash, the wedding that went wrong and the vendetta between the families that this will bring, Lursen and Stedefreund walk away talking about a dog. They too probably thought: so what? Not my problem.