Kurz und knapp – darum geht’s
Eine Ärztin wird in ihrer verbrannten Praxis tot aufgefunden, und Hauptkommissarin Charlotte Lindholm muss ermitteln – ausgerechnet in dem Moment, als ihr langjähriger Mitbewohner Martin ohne Vorwarnung aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist. Während der Ermittlungen kreuzt immer wieder ein verwahrloster, geistig zurückgebliebener Junge namens Tim ihren Weg, zu dem die Kommissarin eine besondere Verbindung aufbaut. Als Charlotte in einem Videotagebuch der toten Ärztin entdeckt, dass diese eine Affäre mit ihrem Chef hatte und kurz darauf Tim ermordet auf einer Müllhalde gefunden wird, gerät sie in ein Netz aus Lügen, Korruption und einem erschreckenden System von Kindesmissbrauch…
Inhalt der Tatort-Folge „Der letzte Patient“
Schlaflos steht Charlotte Lindholm in ihrem leeren Wohnzimmer, mit einem Brief in der Hand, der alles verändert. Ihr Mitbewohner Martin ist weg – ohne Ankündigung, ohne Abschied. Nur seine Worte auf Papier bleiben: Er war es leid, nur Babysitter zu sein und ständig hinter ihr aufzuräumen. Die kalte Morgendämmerung kriecht durch die Fenster ihrer nun zu großen Wohnung, während sie verzweifelt versucht, ihn auf seinem Handy zu erreichen. Vergeblich.
Als wäre diese emotionale Erschütterung nicht genug, wird Charlotte zu einem Brandfall gerufen. Benzin, Flammen, eine verkohlte Leiche – die Kraft dieser ersten Bilder hallt nach, als sie die ausgebrannte Praxis von Dr. Silke Tannenberg betritt. Der beißende Geruch von verbranntem Plastik und Holz hängt in der Luft. Kriminaldirektor Stefan Bitomsky besteht merkwürdig nervös darauf, dass ausgerechnet Charlotte den Fall übernimmt.
Vor Ort trifft sie auf Oberkommissarin Anja Dambeck – das Musterbeispiel einer berufstätigen Mutter, die problemlos Karriere und Familie unter einen Hut bringt. Für Charlotte, die selbst mit ihrer Mutterrolle hadert und nun ohne Martins Unterstützung auskommen muss, wirkt Dambecks vermeintliche Perfektion wie ein ständiger, unausgesprochener Vorwurf. „Meine Kinder lernen nach der Suzuki-Methode Geige“, erwähnt Dambeck beiläufig, während Charlotte insgeheim darüber verzweifelt, dass sie nicht einmal das Pausenbrot ihres Sohnes rechtzeitig schmieren konnte.
Bei den Ermittlungen begegnet Charlotte immer wieder einem verwahrlosten Jugendlichen namens Tim. Der scheue Junge wirkt wie ein verängstigtes Tier – vorsichtig, misstrauisch, stets bereit zu fliehen. In seinen klaren Augen spiegelt sich eine Verletzlichkeit, die Charlotte nicht loslässt. Als sie entdeckt, dass Tim der letzte Patient der ermordeten Ärztin war und niemanden hat, der sich um ihn kümmert, nimmt sie ihn kurzerhand mit nach Hause. Eine Entscheidung, die ihr Leben verändern wird.
In Tannenbergs Wohnung stößt Charlotte auf ein ungewöhnliches Videotagebuch. Die einsame Ärztin hat ihre Begegnungen mit Männern akribisch auf Kassetten festgehalten – sortiert nach Vornamen wie in einem menschlichen Archiv der Einsamkeit. „Manchmal ist es einfacher, zu einer Kamera zu sprechen als zu einem Menschen“, hört Charlotte die Stimme der Toten sagen. Und plötzlich entdeckt sie auch eine Kassette mit dem Namen ihres Chefs Bitomsky.
Die Ermittlungen gleichen einem Puzzlespiel mit fehlenden Teilen. Jeder Hinweis führt Charlotte tiefer in ein Geflecht aus Schweigemauern und falschen Fährten. Als sie schließlich die Wahrheit über Tims Lebensumstände in seiner Pflegefamilie aufdeckt, offenbart sich ein Abgrund menschlicher Grausamkeit, der selbst die hartgesottene Kommissarin erschüttert. Die Videoaufzeichnungen der Ärztin werden zum Schlüssel in einem Fall, der immer mehr Abgründe offenbart.
Als Tim plötzlich verschwindet und kurz darauf tot auf einer Müllhalde gefunden wird – weggeworfen wie ein Stück Abfall – gibt sich Charlotte die Mitschuld an seinem Tod. „Er ist tot, weil er etwas gesehen hat, was er nicht sehen durfte“, stellt sie fest, während Tränen in ihre Augen steigen. Ihre Trauer verwandelt sich in eiserne Entschlossenheit, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Dabei stößt sie auf ein perfides System, das verwundbare Kinder ausnutzt und missbraucht – ein System, das von Menschen aufrechterhalten wird, die eigentlich für den Schutz dieser Kinder verantwortlich sein sollten.
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Der letzte Patient“ ist die 778. Folge der beliebten Krimireihe und der 17. Fall für Hauptkommissarin Charlotte Lindholm vom LKA Hannover. Die Dreharbeiten fanden vom 5. Mai bis 4. Juni 2010 in Hannover und Umgebung statt, ursprünglich unter dem Arbeitstitel „Schrei nicht!“. Regie führte Friedemann Fromm, der auch das Drehbuch von Astrid Paprotta überarbeitete.
In den Hauptrollen sind neben Maria Furtwängler als Charlotte Lindholm auch Joel Basman als geistig zurückgebliebener Tim König, Christina Große als Oberkommissarin Anja Dambeck, Jan Messutat als Jörg Sallwitz und Cristin König als Dr. Silke Tannenberg zu sehen. Besonders bemerkenswert ist das Fehlen von Ingo Naujoks, der nach acht Jahren als Martin Felser aus der Serie ausstieg, weil er keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr für seine Figur sah.
Bei der Erstausstrahlung am 31. Oktober 2010 um 20:15 Uhr im Ersten erreichte der Film 8,79 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 25,1 Prozent entsprach – ein beachtlicher Erfolg für diese emotional aufwühlende Folge, die sich mit dem schwierigen Thema Kindesmissbrauch auseinandersetzt.
Die Produktion von Regisseur Friedemann Fromm, der zuvor für seine Arbeit am Dreiteiler „Die Wölfe“ mit der „Goldenen Nymphe“ in Monte Carlo und dem „Emmy Award“ in New York ausgezeichnet worden war, zeichnet sich durch eine besonders intensive Kameraführung aus. Ein Beispiel hierfür ist eine siebenminütige Verhörszene, in der Klaus Eichhammers Kamera jeden Gesichtsausdruck des Verdächtigen einfängt. Nach der Ausstrahlung wurde besonders die darstellerische Leistung von Joel Basman gelobt, der für seine Rolle in anderen Produktionen bereits mit dem „European Shooting Star“ und dem „Bernhard Wicki Filmpreis“ geehrt worden war.
Nun ja eher Mau der Tatort
Ich fand diesen Tatort unglaublich gut, für mich der beste seit langem! Und gerade im Vergleich zu diesem Murx letzten Sonntag strahlt der Stern noch ein bisschen heller.
Lindholm hat unglaublich gut gespielt, ich fand sie sehr glaubwürdig. Der weinerlich-selbstmitleidige pädophile Architekt war auch gut gecastet. Die Homöophathie-Kollegin war der heitere Kontrapunkt zum sehr düsteren Fall- das hat für mich funktioniert, das Milieu haben sie gut getroffen. Das Drehbuch war voll von kleinen, unaufdringlichen und guten Einfällen- gleiche Bananenschältechnik von Sohn und (gestörtem) Adoptivvater etc.
Ich bin ehrlich überrascht von den vielen negativen Kritiken hier, hätte das echt nicht gedacht.
Mir hat der Tatort gefallen, das Kind rausschreiben und es kann noch besser werden. Starke Fahrrad umtretszene. Nachahmenswert. Die Bereitschafts- und Feierabenddialoge waren köstlich, endlich wurden die „immer im Dienst“ Kommissare auf die Schippe genommen. Mit mehr Mut und und gegen den Trend der leichten Abendunterhaltung hätte man die Familie zum Schluss gerne auch mal ihrem angedachtem Schicksal überlassen können.
Ich bin mit negativen Erwartungen in den Tatort gegangen und fand ihn auch ausgesprochen unterhaltsam.
Genaus das, was ich an einem solchen Sonntag Abend sehen wollte.
Allerdings hat mich etwas irritiert zwischendurch, dass die Charaktere mit Vor- oder Nachnamen angesprochen bzw. von ihnen erzählt wurde.
Lag aber vielleicht auch daran, dass ich ab und an abgelenkt wurde.
Ich hab mich nur gefragt, wie David soooo schnell auf die Straße kam mit seinen kurzen Beinchen, um seiner Mutter zu folgen.
Aber das hab ich schnell abgelegt, denn so richtig zum nachdenken sind die Tatorte nicht mehr – sondern eher unterhaltsame, leichte Sonntagskost.
Nach längerer selbstauferlegter Lindholm-Pause hab ich heute mal wieder eingeschaltet und fand es überraschend gut!
Furtwängler und die Autoren scheinen sich von der perfekten, arroganten und gefühlskalten Superkommissarin Lindholm zu verabschieden, stattdessen wurde eine Figur gezeigt, die Fehler macht und Emotionen zeigt.
Auch ist es diesem Film m.E. nach gelungen, das Private und den Fall miteinander zu verbinden, nicht mal die olle Mutter hat mich genervt. Und langweilig wurde es mir auch nicht.
Ich habe irgendwo mal gelesen, daß die Furtwängler Einflussmöglichkeiten bei den Drehbüchern hat. Und, da ihre Filmmutter ja auch ihre leibliche Mutter ist, braucht man sich noch nichtmal wundern, daß die Mutter ständig in irgendeiner Form involviert ist.
bin eingepennt, wer war denn der Mörder ???
Weiß man eigentlich, wer der Vater von Charlotte Lindholms Sohn ist? Der Martin kann es ja wohl nicht sein, denn Charlotte sagt ja, dass sie gar keinen Sex haben. Hmm…
Ich selbst habe den Tatort leider nicht gesehen. Aber kann vielleicht mal jemand schreiben, wer letztendlich der Mörder war? Vielen Dank im Voraus!!!
Danke gjb für die Antwort. Aber was für ein Urlaubsausrutscher denn? Hat man das in einer Tatortfolge (welcher? wer spielte den lover?) gezeigt oder wurde das nur „nacherzählt“? Könnte der Vater von David vielleicht mal wieder auftauchen? Fände ich eine gute Idee. Der arme Martin hatte ja, so wie die Rolle von den Drehbuchschreibern vernachlässigt wurde, überhaupt keine Chance, weiterzumachen.
Hallo Fragezeichen. Also einen Mörder in dem Sinne gab es nicht, war eher ein Unfall mit anschließender Brandstiftung (Bandstifter war der „Pflegebruder“ von Tim, er hats aber nur gut gemeint;-) Schuld war mal wieder die „Gesellschaft“, oh je…
Hey, hätte mal eine „allgemeine“ Frage zum Lindholm- TO: Gibts bald mal wieder was neues von Ihr?
Die letzte Folge gab es ja Ende 2012…
Hallo Gisela, Danke für den Tipp: „Schuld war mal wieder die “Gesellschaft”“. Solchen immer wieder aufgewärmten Tatort-Stuß braucht man sich wirklich nicht anzutun. Daß die Schwuchtel an ihrer Seite endlich das Weite gesucht hat, halte ich allerdings für einen Fortschritt. So wird das Alternativ-Leben dieser Figur in Zukunft sicher weniger aufdringlich ausgemalt und die Krimihandlung könnte mehr in den Vordergrund rücken.
Der Tatort Nummer 778 aus Hannover. Die beim Landeskriminalamt angesiedelte Hauptkommissarin Lindholm ermittelt. Alleine und warum sie, weiß auch so richtig keiner, wahrscheinlich war die regionale Sitte überfordert. Es geht um einen Fall von Kindesmissbrauch, Gefahr von Entlarvungen, Körperverletzungen und Mord. Ihr Wohngemeinschaftskumpel hat sie überraschend verlassen, es erfolgte hierüber eine Mitteilung per Brief. Als männliche Amme ihres molligen Sohnes auch nicht gerade die feine Art. Diesen Fernseh-Streifen muß man nicht zweimal sehen. Finde ich.