Kurz und knapp – darum geht’s

In einer Frankfurter Werbeagentur wird die Cutterin Uschi Terhorst brutal mit einer Schneidelade erschlagen aufgefunden – ihre Schuhe säuberlich neben dem Kopf platziert. Hauptkommissar Sander nimmt die Kollegin Verena Kersten als Hauptverdächtige fest, die blutbefleckt am Tatort entdeckt wurde. Doch als während Verenas Untersuchungshaft eine weitere Frau auf identische Weise ermordet wird, gerät der Fall ins Wanken. Als Sander den wahren Zusammenhang zwischen Verena und ihrem überfürsorglichen Chef Albin Dörhoff zu ergründen beginnt, verstrickt er sich nicht nur emotional in den Fall, sondern gerät selbst in tödliche Gefahr…

Inhalt der Tatort-Folge „Mit nackten Füßen“

Regentropfen peitschen gegen die Fensterscheiben der Frankfurter Werbeagentur, als Verena Kersten nach ihrer Mittagspause ins Büro zurückkehrt und ihre Kollegin Uschi Terhorst leblos im Schneideraum vorfindet. Der polierte Linoleumboden ist mit Blut bedeckt, der Schädel des Opfers durch eine schwere Schneidelade zertrümmert. Besonders verstörend: Jemand hat der Toten die Schuhe ausgezogen und sie ordentlich neben ihrem Kopf platziert.

In ihrer Panik begeht Verena den folgenschwersten Fehler ihres Lebens – sie berührt die Tatwaffe. Ausgerechnet in diesem Moment betritt ihr Chef Albin Dörhoff den Raum und zieht sofort seine eigenen Schlüsse. „Ich weiß, du bist krank, du weißt nicht, was du getan hast“, flüstert er eindringlich. Verwirrt und unter Schock folgt sie seinen Anweisungen, während er fieberhaft versucht, ihre Spuren zu beseitigen.

Für Hauptkommissar Sander, der zum ersten Mal in Frankfurt ermittelt, ist der Fall auf den ersten Blick klar: Die blutbefleckte Verena wird festgenommen. Doch der erfahrene Ermittler spürt, dass hinter der kühlen, verschlossenen Fassade der jungen Frau mehr steckt. „Mein Instinkt sagt mir, dass sie unschuldig ist“, verteidigt er sich gegenüber seinem skeptischen Kollegen Knauf, der ironisch kontert: „Sie benehmen sich wie ihr Strafverteidiger.“

Die herbstliche Kälte Frankfurts scheint in Sanders Ermittlungsarbeit einzusickern. Die Räume der Werbeagentur wirken wie glatte Fassaden, hinter denen sich dunkle Geheimnisse verbergen. „Die Wahrheit ist wie ein Werbespot“, philosophiert einer der Verdächtigen, „man zeigt nur das, was verkaufen soll.“

Als während Verenas Untersuchungshaft die Schauspielerin Eva Eggebrecht auf identische Weise getötet wird – auch ihr wurden die Schuhe ausgezogen und neben den Kopf gestellt – überschlagen sich die Ereignisse. Sander erwirkt Verenas Freilassung und lässt sich ungewöhnlich tief in den Fall hineinziehen. Ein gemeinsamer Abend endet fast romantisch, bis dem Kommissar ein verstörendes Detail auffällt: Verena stellt ihre Schuhe exakt so nebeneinander wie die Schuhe der Opfer.

Währenddessen kommt es zu dramatischen Wendungen: Die Agenturmitarbeiterin Gerda Kalinke gesteht aus Eifersucht den Mord an Uschi Terhorst. Doch wer hat dann Eva Eggebrecht getötet? Sanders Ermittlungen führen ihn zu einem komplexen Beziehungsgeflecht, in dem Verena und ihr Chef Dörhoff eine Schlüsselrolle spielen.

Die Suche nach der Wahrheit gleicht einem Irrweg durch ein Labyrinth aus Lügen und Geheimnissen. Je tiefer Sander gräbt, desto deutlicher wird: Hinter dem Fall verbirgt sich nicht nur die Frage nach dem Täter, sondern auch ein dunkles Familiengeheimnis, das seit Jahrzehnten wie ein Schatten über den Beteiligten liegt und nun zu einer tödlichen Tragödie geführt hat…

Hinter den Kulissen

Die Tatort-Folge „Mit nackten Füßen“ wurde vom Hessischen Rundfunk produziert und von Oktober bis November 1979 in Frankfurt am Main und Umgebung gedreht. Das Szenenbild verantwortete Hartmut Schönfeld. Als Regisseur fungierte Franz Peter Wirth, das Drehbuch stammte von Karl-Heinz Willschrei.

In der Hauptrolle als Kriminalhauptkommissar Sander war Volkert Kraeft zu sehen, der hier seinen ersten und einzigen Auftritt als Tatort-Ermittler hatte. An seiner Seite spielten Tatjana Blacher als Verena Kersten, Dieter Kirchlechner als Albin Dörhoff, Maria Körber als Hilde Kersten und Sky du Mont als Willi Graubner.

Bei der Erstausstrahlung am 9. März 1980 erreichte der Film eine außergewöhnlich hohe Einschaltquote von 54%, was 18,16 Millionen Zuschauern entsprach. Dennoch wurde diese Tatort-Folge nach der Premiere nie wieder im Fernsehen gezeigt und gehört zu den sogenannten „Giftschrank-Folgen“.

Der Grund für das Senderverbot: Die Darstellung von Epilepsie im Film als vermeintliche Geisteskrankheit, die zu Gewalttätigkeit führen könne, löste heftige Kritik aus. Bereits zum Zeitpunkt der Ausstrahlung waren diese Behauptungen wissenschaftlich widerlegt, was zu Protesten von Betroffenen und Ärzten führte. Interessanterweise hatte der WDR das Drehbuch bereits Jahre zuvor abgelehnt, bevor es beim HR landete.

Kurios: Die Folge wurde unter dem Alternativtitel „Mord ohne Reue“ auf VHS veröffentlicht. Ein weiteres amüsantes Detail: Drehbuchautor Willschrei, der auch für die ZDF-Serie „Ein Fall für zwei“ schrieb, nutzte das Skript offenbar zur Eigenwerbung, indem er diese Serie mehrfach mit Sendezeiten im Dialog erwähnen ließ.

Besetzung

Hauptkommissar Sander – Volkert Kraeft
Verena Kersten – Tatjana Blacher
Albin Dörhoff – Dieter Kirchlechner
Willi Graubner, Regisseur – Sky Dumont
Hilde Kersten – Maria Körber
Kommissar Knauf – Udo Thomer
Gerda Kalinke – Madeleine Lienhard
Paul Kersten – Stephan Orlac

Stab

Drehbuch – Karlheinz Willschrei
Regie – Franz Peter Wirth
Kamera – Werner Hoffmann
Szenenbild – Hartmut Schönfeld
Schnitt – Gabriele Rosenhagen
Produktionsleitung – Wolfgang Völker