Kurz und knapp – darum geht’s
Eine Frau stürzt von einem Balkon in den Tod, nachdem sie auf einer Firmenfeier den Geschäftsführer Professor Weinkauf öffentlich des Patentdiebstahls bezichtigt hat. Während die Indizien zunächst auf Selbstmord hindeuten, entdecken Kommissar Ehrlicher und sein Assistent Kain bei ihren Ermittlungen, dass der Tod von Linde Treus Ehemann und Weinkaufs Vergangenheit als privilegierter Funktionär im DDR-System miteinander verknüpft sind. Als die Ermittler einen ehemaligen Polizisten aufspüren, der ihnen entscheidende Akten übergibt, geraten sie selbst ins Visier derer, die die Wahrheit um jeden Preis verbergen wollen…
Inhalt der Tatort-Folge „Tod aus der Vergangenheit“
Mürrisch zapft Hauptkommissar Bruno Ehrlicher Bier in der Kneipe seines Sohnes, während draußen der Herbstwind durch die Straßen Dresdens fegt. Die spitzen Bemerkungen seiner Kollegen muss er stoisch ertragen – der Urlaub als Aushilfswirt stellt seine Geduld auf eine harte Probe. Zeitgleich steigt eine unscheinbare Frau namens Linde Treu aus der Schwebebahn in Dresden-Loschwitz, um ins noble Villenviertel Weißer Hirsch zu gelangen. Stunden später liegt ihre Leiche auf dem Gehweg vor einem Hochhaus.
In dem Gebäude fand zur Tatzeit eine Eröffnungsfeier statt, bei der das Opfer den Geschäftsführer Professor Weinkauf lautstark des Patentdiebstahls beschuldigte. „Dieser Mann hat das Patent meines verstorbenen Mannes gestohlen!“, hatte sie vor allen Anwesenden gerufen. Weinkauf behauptet, die Frau sei in Selbstmordabsicht vom Balkon gesprungen, doch die Ermittlungen des jungen, ehrgeizigen Unterkommissars Kain nähren Zweifel an dieser Version.
Der erfahrene Ehrlicher, dessen kantiges Gesicht die Narben eines Lebens im DDR-Polizeidienst trägt, bricht widerwillig seinen Urlaub ab. Sein Gerechtigkeitssinn ist stärker als seine Abneigung gegen den Dienstleiter Veigl, der die Ermittlungen am liebsten schnell abschließen würde. Wie ein geduldiger Angler wirft Ehrlicher seine Köder aus und folgt jeder noch so kleinen Spur bis nach Jena, wo er auf das frühere Forschungsprojekt „Monitum“ stößt. Die Suche nach der Wahrheit gleicht einem Gang durch ein Labyrinth aus alten DDR-Seilschaften und verborgenen Akten.
Zwischen Ehrlicher und seinem jungen Kollegen Kain, der mit einer Journalistin anbandelt, entstehen Spannungen. Die Ermittler sind wie Schachfiguren auf einem Brett, dessen Regeln sich seit der Wende verändert haben, aber dessen Spieler teilweise dieselben geblieben sind. Als Ehrlicher schließlich auf seiner Fahrt zurück nach Dresden einen mysteriösen Autounfall überlebt, bei dem die Bremsen seines Ladas versagen, wird klar: Hier geht es nicht nur um einen Todesfall, sondern um ein Netz aus Korruption und Vertuschung, das bis in die Gegenwart reicht…
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Tod aus der Vergangenheit“ wurde noch vom Deutschen Fernsehfunk produziert und vom MDR als zweiter Beitrag zur Tatort-Reihe am 8. Juni 1992 ausgestrahlt. Die Dreharbeiten fanden in Dresden und Umgebung statt – insbesondere im pittoresken Villenviertel Weißer Hirsch, an der historischen Schwebebahn Dresden-Loschwitz und in der Nähe des berühmten Blauen Wunders.
In den Hauptrollen sind Peter Sodann als Kriminalhauptkommissar Bruno Ehrlicher und Bernd Michael Lade als sein Assistent Kain zu sehen. Es ist ihr zweiter gemeinsamer Fall in Dresden. Als Gaststar brilliert Otto Mellies in der Rolle des zwielichtigen Professors Weinkauf. Besonders bemerkenswert: Gustl Bayrhammer, der zwischen 1972 und 1981 als Oberinspektor Veigl in Münchner Tatort-Folgen zu sehen war, hat hier seinen letzten Auftritt als Dienststellenleiter.
Die Erstausstrahlung verfolgten 9,88 Millionen Zuschauer, was einem beachtlichen Marktanteil von 34,50% entsprach. Der Film spiegelt auf eindrucksvolle Weise die gesellschaftlichen Umbrüche nach der Wiedervereinigung wider. Für Filmhistoriker interessant: Kain trägt hier zum letzten Mal den Rang eines Unterkommissars – eine Position, die es eigentlich nur bei der Deutschen Volkspolizei der DDR gab und die mit dem neuen gesamtdeutschen Polizeisystem verschwand.
Besetzung
Ursula Gottert (Linde Treu / Anne Treu)
Renan Demirkan (Renate Schwippert)
Otto Mellies (Prof. Werner Weinkauf)
Gustl Bayrhammer (Melchior Veigl, Dienststellenleiter)
Renate Blume (Ursula Weinkauf)
Volker Ranisch (Ralf Bohm)
Thomas Rudnick (Tommi Ehrlicher)
Siegfried Voß (Petzhold)
Monika Pietsch (Lore Ehrlicher)
Kathleen Fuhlrott (Angelika Froh, Journalistin)
Thomas Bading (Inhaber einer Computerfirma)
Horst Krause (Elektriker)
Joachim Lätsch (Kfz-Sachverständiger)
Wolf-Dieter Lingk (Polizist)
Walter Nickel (Techniker Walter)
Horst Schönemann (Gerichtsmediziner)
Lutz Teschner (Anwalt Roller)
Wilfried Weschke (Arzt)
Martin Eckermann (Archivar)
Stab
Drehbuch – Hans-Werner Honert
Regie – Hans-Werner Honert
Kamera – Jürgen Heimlich, Werner Helbig
Schnitt – Margrit Schulz
Musik – Christian Steyer
Ein Tatort aus Dresden mit dem Hauptkommissar Ehrlicher und sein Azubi Kommissar Kain. Die Nummer 259 trägt dieser Tatort-Fernsehfilm und zeigt noch die auslaufende DDR-Zeit auf.Kommissar Ehrlicher als Gastronom in Nebentätigkeit. Er versucht seinem Sohn zu helfen. Völlig IQ. Bei den damalig herrschenden Seilschaften hatte es der Ehrlicher auch schwer zu ermitteln und das Weingeschäft zählte damals zu dem Edelprodukthandel. Und nebenher klärt er noch Fälle. Toll! Einer der wenigen Tatort-Spielfilme die man einmal verkraften kann. Ehrlich.
Manche Szenen gleichen eine Computerausstellung, dazu hölzerne Dialoge und ein wirres Skript, da kann Gustl Bayrhammer als Veigl auch nichts mehr retten.
Die zweite Folge des Dresdner Tatorts zeigt sich stark verbessert gegenüber dem Debüt. Der scheinbar einfache Kriminalfall um die Frage Selbstmord oder Mord entwickelt zum einen die Charaktere besser in ihrem Umfeld und präsentiert glaubwürdig die soziale und politische Umbruchszeit von 1992. Vor allem Ehrlicher gewinnt mehr Format, als er letzlich gezwungen durch seine Rolle unangenehme Fragen an die Vergangenheit stellen muss, aber so auch zum Protagonisten der Wahrheitsfindung und Gerechtigkeit wird. Diese Rolle gefällt ihm offensichtlich zunehmend besser und mit etwas Distanziertheit wird klar, dass die scheinbar DDR-typischen Übeltäter fast übergangslos zu BRD-Übeltätern werden könnten. Der letzte nostalgische Auftritt von Gustl Bayrhammer als Veigl mit seinem dackel Moritz sollte nicht unkommentiert bleiben. Immerhin mahnt er den jungen Kain, kein Detail unbeachtet zu lassen, was auch zur Aufklärung des Falles beiträgt. Insgesamt ist der Kriminalfall gut gestrickt und die Balance zwischen Ernst und gelegentlichem Humor gut gelungen. Die Dialoge und schauspielerischen Leistungen sind überdurchschnittlich im Vergleich zu vielen Tatortfolgen der 19090er.