Kurz und knapp – darum geht’s
Ein grausamer Fund erschüttert Hamburg: Am Elbufer wird die Leiche eines brutal ermordeten Mädchens entdeckt. Die Spuren führen Kommissare Stoever und Brockmöller in ein scheinbar idyllisches Dorf vor den Toren der Hansestadt, wo nicht nur das von seinen Eltern verlassene Opfer lebte, sondern auch der zunächst verdächtige Bauer Walter Grambek, der kürzlich Haus und Hof verloren hat. Doch als der Landwirt selbst tot aufgefunden wird, erkennen die Ermittler, dass der Mädchenmord nur dazu diente, ein anderes Verbrechen zu verschleiern. Als Stoever und Brockmöller hinter die Fassade der Dorfgemeinschaft blicken, geraten sie ins Visier einer skrupellosen „Dorfmafia“, die einen gnadenlosen Kampf um den Grund und Boden des Grambek-Hofes führt…
Inhalt der Tatort-Folge „Um Haus und Hof“
Das Licht der Morgensonne glitzert auf dem kalten Wasser der Elbe, als Kommissar Paul Stoever mit schweren Schritten die Uferböschung hinabsteigt. Der Herbstwind trägt den Geruch des Hafens heran und lässt die Absperrbänder flattern. Am Ufer liegt, halb im schlammigen Wasser, der Körper eines jungen Mädchens – brutal ermordet. Stoever, dessen sonore Stimme heute besonders rau klingt, tauscht einen Blick mit seinem Kollegen Brockmöller, der die Spuren am Tatort inspiziert. Beide wissen: Dies ist ein Fall, der sie fordern wird.
Die Ermittlungen führen die beiden Großstadtfahnder in ein Dorf vor den Toren Hamburgs, wo die trügerische Idylle schnell bröckelt. „Auf dem Land geht es nicht friedlicher zu als in der Stadt“, brummt Stoever, während er durch die engen Gassen des Ortes streift, in dem jeder jeden kennt – und jeder etwas zu verbergen hat. Das Opfer, ein von den Eltern verlassenes Mädchen aus Sachsen, lebte hier, ebenso wie der erste Verdächtige: der verbitterte Bauer Walter Grambek, der kürzlich alles verloren hat.
Die Befragungen der Dorfbewohner gleichen einem Waten durch Morast – jede Antwort wirft nur weitere Fragen auf. Stoever, dessen Intuition ihm selten einen Streich spielt, spürt, dass die Dorfgemeinschaft wie eine Festung wirkt, deren Mauern undurchdringlich scheinen. „Die schweigen wie ein Grab“, seufzt Brockmöller, der vergeblich versucht, durch Charme an Informationen zu gelangen. Als jedoch auch Grambek tot aufgefunden wird, müssen die Ermittler ihre Theorien neu überdenken.
Mit der Unterstützung des jungen Polizisten Lukas Thorwald, der sich als kriminalistisches Naturtalent entpuppt, stoßen Stoever und Brockmöller auf ein Netz aus Abhängigkeiten und Machtspielen. „Das ist wie ein Spinnennetz“, erklärt Stoever seinem jungen Kollegen, „man sieht es erst, wenn man direkt davorsteht – und dann ist es meist schon zu spät.“
Die Wahrheit liegt, wie so oft, unter mehreren Schichten vergraben: Der Tod des Mädchens sollte nur von einem anderen Verbrechen ablenken – dem Mord an der alten Bäuerin Grambek, die mit ihrem Wohnrecht die Verwertung des Hofgrundstücks blockierte. Hinter der Fassade des beschaulichen Dorflebens tobt ein gnadenloser Kampf um Grund und Boden, in dem ein Bauunternehmer, ein Großschlachter und ein Hotelier die Fäden ziehen. Diese selbsternannte „Dorfmafia“ geht buchstäblich über Leichen, um ihre Interessen durchzusetzen.
In einem dramatischen Showdown versammelt Stoever alle Beteiligten und konfrontiert den Mörder mit seiner Tat. Wie ein Jäger, der seine Beute in die Enge treibt, dringt er mit unnachgiebigen Fragen auf ihn ein, bis schließlich die Fassade bricht. „Er hat das Mädchen umgebracht, weil es den Mord an der alten Frau zufällig mitbekommen hatte“, donnert Stoevers Stimme durch den Raum – ein menschliches Werkzeug, benutzt von denen, die im Hintergrund die Strippen ziehen.
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Um Haus und Hof“ ist die 280. Folge der Krimireihe und wurde am 26. September 1993 erstmals im Ersten Programm der ARD ausgestrahlt. Mit knapp 13 Millionen Zuschauern erreichte der Film eine beachtliche Einschaltquote und festigte den Ruf des Ermittlerduos Stoever und Brockmöller als eines der beliebtesten Tatort-Teams.
Für Manfred Krug als Paul Stoever und Charles Brauer als Peter Brockmöller war es der 14. gemeinsame Fall – von insgesamt 41 Fällen, mit denen Stoever lange Zeit den Rekord unter allen Tatortermittlern hielt. Das Drehbuch stammte aus der Feder von Raimund Weber, Regie führte Werner Masten. Die Dreharbeiten fanden im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks (NDR) statt.
In der Rolle des talentierten Nachwuchspolizisten Lukas Thorwald ist Mark Keller zu sehen, der damit andeutete, dass er das Team der Hamburger Mordkommission in Zukunft verstärken würde. Die Besetzung der Nebenfiguren, die „Dorfmafia“, wurde von der Kritik besonders gelobt: Mit ihrer archaischen, verschlagenen und brutalen Darstellung verkörperten sie glaubwürdig die unheilvollen Verstrickungen einer Dorfgemeinschaft.
„Um Haus und Hof“ gehört zu jenen älteren Tatort-Folgen, die der NDR im Rahmen seiner Traditionspflege wiederholt. Der Film gilt als klassischer Krimi mit verdichteter Atmosphäre, der ein ungünstiges Entwicklungsmuster einer Dorfgemeinschaft zeigt – und auf seine Art hintergründigen Humor sowie urwüchsigen Charme versprüht. Nicht zuletzt wegen seiner ambivalenten Figuren und des symmetrisch angelegten Ermittlerduos Stoever/Brockmöller genießt der Film bis heute Kultstatus bei Tatort-Fans.
Fast zwei Jahrzehnte nach seiner Entstehung wirkt dieser aus rauem Holz gezimmerte Krimi noch immer sehenswert – ein Zeugnis dafür, dass das Konzept des Tatorts als Spiegelbild gesellschaftlicher Realitäten zeitlos ist.
Stoever und Brockmöller – da werden nostalgische Gefühle wach. Schön, dass diese Tatort-Folge wiederholt wurde. Gute Darstellung einer kleinbürgerlichen, norddeutschen „Dorf-Mafia“ Anfang der 1990er-Jahre, welche es durchaus in sich hat und die Kommissare ganz schön fordern. Von den beiden würde ich gerne noch mehr sehen.
Das waren einfach tolle Kommisare mit schönen Handlungen.
Ich finde das Dorf mit den Seilschaften und den Abgründen der Bewohner zur klischeehaft und deutlich übertrieben. Aber das Duo der Kommissare macht Spaß wie immer.
Der Tatort mit der Nummer 280 aus Hamburg. Die beiden Hauptkommissare Stoever und Brockmöller ermitteln in einer Mordsache an einem jungen Mädchen, die als Leiche in der Elbe aufgefunden worden ist. Ein interessanter und grundsolider Tatort-Fernsehfilm über einen mordenden Triebtäter und einem gemeinen Auftrags- und Vertuschungsmörder, welche parallel zueinander tätig sind und Tote hinterlassen. Die Spannung war in diesem Stoevi und Brocki Tatort weniger vertreten und wer die Kombinationen der beiden Mordermittler mag, kann den auch ein zweites Mal schauen. Ansonsten etwas überspitzte Klischeedarstellungen.
Sicher, etwas klischeehaft wirkt sie schon, diese dörfliche Vetternwirtschaft. Wer wie ich aber in einem norddeutschem Dorf aufwuchs weiß, dass die Geschichte und auch die Figuren nicht an den Haaren herbeigezogen sind. Man fühlt förmlich mit diesen beiden Kommissaren, wie sie versuchen, diese seit vielen Jahren gewachsenen Strukturen und Abhängigkeiten nachvollziehen zu können. Dass sie der Bevölkerung nicht unbedingt willkommen sind, unterstreicht die spätherbstliche Umgebung, die für einen gewissen „Graufilter“ sorgt. Und das schafft der Film sowieso insgesamt: Atmosphäre! Genau so wie der bärtige Stöver, der in seiner Beweisnot mit sicher nicht ganz legalen Mitteln das Geständnis des Mörders erzwingt… und dabei durchaus den Nerv des „gesunden Volksempfindens“ trifft. Nebenbei findet die Nachwendezeit mit Auffanglagern für Bürger der ehemaligen DDR, welche so viele Geschichten zu erzählen hat, eine kleine Bühne… wofür man ihr wohl nie wieder die Gelegenheit geben wird, weil sich das heutige, gesellschaftliche Augenmerk nur noch auf wenige Facetten dieser Zeit beschränkt.
Manfred Krug als Kommissar Stoever auf dem Lande. Netter Tatort für zwischendurch. Kein Highlight aus dem Norden noch ok. Weniger spannend. 3 Sterne dennoch
Solider Tatort, skurriles Ermittlerduo, machen aber immer Spass. Aber: Wieso ist der Ton dieses alten Klassikers um Längen besser als bei den heutigen Produktionen?
In der Mediathek war der Film gestern abend schon nicht mehr zu bekommen. Wahrscheinlich zu gut.
Gottlieb, und Stoevers Fall ist auch nicht zu finden. Ich weiß nicht, was die für ein Problem haben.
@Gottlieb / @W. Warnecke
Der war nie in der Mediathek – nicht weil „zu gut“, sondern weil i.d.R. die Rechte fehlen, denn das uns bekannte Internet in Form des WWW begann ja erst 1993 bzw. 2000 mit dem Web 2.0.
Damals konnte man sich nicht vorstellen, daß darüber mal Filme bzw. TV-Produktionen verfügbar sein würden.
Und wenn heute auch nur ein Rechtehalter querschießt, nicht mehr lebt oder die Produktionsfirma schlicht nicht mehr existiert (wie die Horst-Film bei ‚Der Fall Geisterbahn‘), wird es richtig kompliziert – oder den Erben, sofern sie aufzufinden sind, die Rechte für „teuer Geld“ aus dem Kreuz zu leiern. Deshalb finden sich gerade die alten Folgen selten bis nie in der Mediathek, Finke z.B. fehlt ebenso in schöner Regelmäßigkeit.
Der SWR ist dahingehend etwas besser aufgestellt, da finden sich dann manche Schätzchen von Bienzle u.a.
Meine Empfehlung: Mitschneiden, Trimmen, eine mp4-Datei draus machen, ins Archiv legen – fertich!
Da hätte ich doch beinahe den Kommentar vergessen ;-))
Mit diesem Einsatz beging Stoever das 20. Dienst(folgen)-Jubiläum (fast genau Halbzeit), Brocki war erst ab dem 4. Fall dabei – geadelt durch die drittgrößte ab 1992 gemessene Einschaltquote, als Rekordhalter löste die Münsteraner Folge ‚Summ, Summ, Summ‘ sie erst im Jahre 2013 ab.
Warum der NDR uns die beiden noch ausstehenden Finke-Folgen vorenthält, sondern – obwohl kein Grund vorliegt – plötzlich Stoever & Brockmöller vorzieht, ist schleierhaft und bleibt das unergründliche Geheimnis der Programmplanung in der Anstalt.
Obwohl „Norddeutsch by Nature“, habe ich mit dem Hamburger Duo meine Probleme: Waren die von der Handlung anfangs noch Spitze (Leiche im Keller, Tod auf dem Eis, Pleitegeier, Blindekuh), agierten sie zunehmend wie ein altes Ehepaar, daß sich gegenseitig auf die Nerven geht, und zum Ende hin ging es häufig nur noch darum, wie denn Peter & Paul was gesanglich zum Besten geben würden.
So auch hier: Nicht immer ist alles logisch bei den dunklen Machenschaften unter Dörflern im Hamburger Umland, dem fiktiven Steinbostel/b. Trittau.
Zugegeben, eine ziemlich knifflige Gemengelage erwartet die Ermittler: Kumpanei unter Jagdfreunden, Schützenbrüdern, Parteifreunden, Geschäftsfreunden, allesamt verstrickt in dubiose Immobiliengeschäfte; ein Arzt fälscht einen Totenschein, weshalb wir einer Exhumierung beiwohnen; dazu ungeklärte Mädchenmorde.
Alles stimmig, gewiß: Kernige Charaktere, atmosphärisch dichte Darstellung der Dorfmafia, jede Menge landwirtschaftliches Gerät (Belarus 552, Fendt Farmer); im nebligen Spätwinter stapft Stoever im ‚guten‘ beigen Trenchcoat mißmutig über den aufgelassenen Bauernhof der Grambecks, und die ominösen Göhrde-Morde finden Erwähnung – da ist man besser nicht mehr hingefahren…
Aber gegen Ende fangen die Unstimmigkeiten an: Brocki verpennt fast die Lösung, weil er einem Kreuzworträtsel nicht die gebührende Beachtung schenkt, was den Kreis der Verdächtigen für den Zuschauer schon früh eingeschränkt hat (zugegebenermaßen ein geschickter Schachzug, wodurch sich die Aufklärung hinauszögert), der Doppelmörder verzehrt am Tatort in aller Seelenruhe Räucherforelle, wird im Verhör hart rangenommen und gesteht die Tat ohne Umschweife – und die Figur des Mädchenmörders Holm? Ist der Darsteller eigentlich bekannt?
Lediglich angerissen dessen Geschichte, und es ist eigentlich schade, daß die Mordserie mit den Kratzspuren/DNA-Abgleich/Verhaftung so nebenbei gelöst wurde.
Delektieren konnten wir uns immerhin an gestandenen Schauspielern Hamburger Provenienz: Gerda Gmelin, Prinzipalin des ‚Theater im Zimmer‘ und ein bekanntes Gesicht in 9 TOen, dazu Edgar Bessen und Ulrich Faulhaber; knorrigen Typen wie Jürgen Janza, der viele, aber meist kleine TV-Rollen bekleidete sowie Florian Martens (‚Ein starkes Team‘, Sohn von Wolfgang Kieling, Susanne Uhlen ist seine Halbschwester); ergänzt durch die Jungspunde Mark Keller (1990 durchgestartet mit ‚Sterne des Südens‘) und Götz Schubert.
Keller verdient sich Meriten bei der Ermittlungsarbeit, punktet zusätzlich mit einer Verhaftung und darf deshalb bei den drei folgenden Folgen Ersatz für Meyer II sein; Viktoria Pawlowski spielt bei ihrem ersten und einzigen Fernsehauftritt die kleine Janine ganz wunderbar; Martina Schiesser legt als etwas spröde Serviererin anfangs falsche Fährten, sie ist hiernach nur sporadisch im TV zu sehen – 11 Jahre später wird sie nochmal in zwei TO dabei sein: Abschaum/Verlorene Töchter, beide 2004.
Alles in allem ein guter 3-Sterner, für den vierten reicht es leider nicht ganz.