Er hat uns zum Lachen gebracht, zum Nachdenken angeregt und manchmal sprachlos zurückgelassen – unser Klaus Borowski. Nach über zwei Jahrzehnten und 44 Fällen hat Axel Milberg nun seinen letzten Auftritt als Kieler Ermittler absolviert. Für viele von uns fühlt sich sein Abschied an wie der eines alten Freundes, mit dem wir unzählige Sonntagabende verbracht haben.
Ein Kommissar wie kein anderer
Erinnert ihr euch noch an unsere erste Begegnung mit ihm, 2003 in „Väter„? Damals wussten wir noch nicht, welche Reise vor uns lag. Dieser knorrige Einzelgänger mit seinem unverkennbaren „Ich höre“ und den unkonventionellen Methoden hat sich in unsere Herzen geschlichen, ohne dass wir es zunächst bemerkten.
Was an unserem Borowski so besonders war? Er durfte Fehler machen. Er war kein strahlender Held, sondern ein Mensch mit Ecken und Kanten. Wie oft haben wir den Kopf geschüttelt über seine soziale Unbeholfenheit oder gelächelt über seine trockenen Kommentare? Das machte ihn so menschlich, so real – jemanden, den man fast im eigenen Bekanntenkreis haben könnte.
Ich werde nie vergessen, wie er sich in „Borowski und die einsamen Herzen“ durch diese Dating-Termine quälte.
Die Frauen, die ihn prägten
Bei all seinen Eigenheiten war Borowski nie wirklich allein. Die Frauen an seiner Seite haben ihn herausgefordert, unterstützt und manchmal auch in die Schranken gewiesen:
Frieda Jung
– oh, wie haben wir mit den beiden mitgefiebert! Diese stille Anziehung, das unausgesprochene Verständnis zwischen den beiden. Als sie in „Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“ wieder nach Kiel kam, saß ich mit klopfendem Herzen vor dem Fernseher. Und dann dieses allerletzte Wiedersehen in „Borowski und das Haupt der Medusa“ – typisch Borowski! Selbst in der Untersuchungshaft schmiedet er noch Pläne, und wer steht plötzlich vor ihm? Frieda Jung. Ein Kreis, der sich schließt, ein letztes Aufflackern dieser besonderen Verbindung, bevor der Abspann läuft und wir uns fragen: Schafft er es noch einmal, aus dieser Situation herauszukommen? Dieses offene Ende ist so passend für ihn – Borowski lässt sich eben nicht in eine Schublade stecken, nicht einmal bei seinem Abschied.
Mit Sarah Brandt
erlebten wir einen anderen Borowski – väterlicher, beschützender. Ihr epileptischer Anfall in „Borowski und der stille Gast“ und wie er damit umging, zeigte eine Fürsorge, die er sonst so selten offenbarte. Ich erinnere mich, als er Sarahs Geheimnis für sich behielt – ein stiller Vertrauensbeweis, der mehr sagte als tausend Worte.
Und dann Mila Sahin
– jung, direkt, temperamentvoll. Als sie ihren Boxsack in der Dienststelle aufhängte, musste ich lachen über Borowskis Gesichtsausdruck. Sie brachte neuen Schwung in sein Leben und zeigte uns, dass auch ein alter Hund wie unser Kommissar noch lernen und sich anpassen konnte.
Die Fälle, die uns nicht losließen
Manche seiner Fälle haben mich buchstäblich nachts wachgehalten:
Die Korthals-Trilogie – ich gestehe, nach „Borowski und der stille Gast“ habe vermutlich nicht nur ich tagelang sorgfältiger als sonst meine Wohnungstür überprüft. Die Vorstellung, dass jemand unbemerkt in unsere intimsten Räume eindringen könnte, hat etwas zutiefst Verstörendes. Lars Eidingers Darstellung dieses fast geisterhaften Mörders, der „durch Wände geht“. Besonders der Moment, als Korthals Sarah Brandts persönliche Dinge durchsuchte, während sie duschte – ich spüre noch heute den kalten Schauer, der mir damals den Rücken hinunterlief.
Und dann „Borowski und die Kinder von Gaarden“ – dieser Fall hat viele tagelang beschäftigt. Die Darstellung der vernachlässigten Kinder in diesem Kieler Problembezirk wirkten so schonungslos real. Manchmal hat Borowski uns eben nicht nur unterhalten, sondern auch den Spiegel vorgehalten.
Der nordische Charme
Was ich an den Kieler Tatorten immer besonders liebte, war diese einzigartige nordische Atmosphäre. Die nebelverhangene Förde, der raue Wind, die schweigenden Menschen – all das passte so perfekt zu unserem wortkargen Ermittler. Besonders in „Tango für Borowski„, als er nach Finnland reiste, zeigte sich diese skandinavische Seele in ihrer vollen Pracht. Die endlosen Wälder, die weißen Nächte, der melancholische finnische Tango – es war, als würde Borowski endlich nach Hause kommen, in eine Landschaft so spröde und tiefgründig wie die Figur selbst.
Unser letzter Fall
Mit „Borowski und das Haupt der Medusa“ hat er nun seinen letzten Fall abgeschlossen – oder doch nicht? Diese letzte Szene in der Untersuchungshaft, mit Frieda Jung, die plötzlich vor ihm steht, und Borowski, der offensichtlich einen Plan hat… Und dann – Schwarzblende, Abspann! Ich saß fassungslos vor dem Fernseher, lachend und den Kopf schüttelnd zugleich. So typisch Borowski, uns selbst beim Abschied noch einen Cliffhanger zu hinterlassen! Kein pathetisches Ende, keine tränenreiche Verabschiedung – stattdessen bleibt er seinem Charakter treu bis zum letzten Moment. Er lässt uns mit Fragen zurück, mit der Imagination, wie es weitergehen könnte. Genau dieses Unbequeme, dieses Unfertige macht ihn aus – und genau deshalb lieben wir ihn.
Es fühlte sich an wie das Schließen eines Buches, bei dem die letzte Seite bewusst freigelassen wurde – damit wir selbst entscheiden können, wie die Geschichte weitergeht. Vielleicht sitzt Borowski jetzt irgendwo in Finnland mit Frieda an einem See, oder er löst inkognito Fälle in einem kleinen dänischen Dorf. Die Möglichkeiten sind endlos, und irgendwie ist genau das der perfekte Abschied.
Das Erbe des Königs von Kiel
Nun sind es Mila Sahin und Elli Krieger, die in Kiel weitermachen. Ich bin gespannt, welche Geschichten sie uns erzählen werden. Aber ein Teil von mir wird immer an den Sonntagabenden auf Borowskis typisches „Ich höre“ warten und seine stille, durchdringende Art vermissen, mit der er Menschen durchschaute.
Lieber Klaus Borowski, du wirst fehlen – deine Eigenheiten, deine stillen Momente der Erkenntnis, deine unbeholfenen Versuche, menschliche Nähe zuzulassen. Danke für 22 Jahre, in denen du uns Einblick in deine Welt gegeben hast. Du magst ein fiktiver Charakter sein, aber für viele von uns bist du zu einem verlässlichen Begleiter geworden, einem Sonntagabend-Vertrauten, der nun einen Platz in unseren Erinnerungen hat.
Wir werden dich vermissen. Aber zum Glück können wir dich jederzeit besuchen – in den Wiederholungen, in unseren Gesprächen über den besten Tatort-Kommissar, den Kiel je hatte. Und wer weiß? Vielleicht taucht er ja irgendwann wieder auf – ein unverhofftes Wiedersehen, das nur Borowski inszenieren könnte, mit diesem leichten Schmunzeln. Ich würde es ihm zutrauen.
Danke für diesen super-liebevollen Nachruf an die Figur ‚Klaus Borowski‘! 😘
Welche Person auch immer den Text geschrieben hat, es steckt viel Liebe und ‚Nachsicht‘ dahinter –> das Verhältnis von Borowski zu Sarah Brandt war etwa nicht immer ausschließlich ‚fürsorglich‘, sh. etwa die Folge ‚Borowski und das Fest des Nordens‘! 🧐😉
Jedenfalls könnte die Zukunft von Klaus und Frieda tatsächlich ‚irgendwo an einem See in Finnland‘ liegen (vielleicht tanzen sie ja sogar einen Erinnerungs-Tango dazu?) … 🥳
… KI-Produkt nicht ausgeschlossen … 🥳
@Hilcher Schoppenhausen::
Selbst wenn der obige Text von einem allfälligen KI-Tool: „liebevolle Erzählart“ unterstützt worden sein sollte (wer weiß das in der heutigen Zeit schon außer dem Verfasser), fand ich es sehr gut gemacht. Chapeau! 😎
„… die Zukunft von Klaus und Frieda tatsächlich ‚irgendwo an einem See in Finnland“ erinnert mich an den letzten Tatort-Auftritt mit dem Titel „Vielleicht“ des von mir ebenfalls sehr geschätzten Boris Aljinovic alias Hauptkommissar Felix Stark aus Berlin, nach dessen Erstausstrahlung am 16.11.2014 besorgte Fans darüber rätselten, ob diese Figur Felix Stark seine schwere Schussverletzung wohl überlebt habe, sh. auch Auszug meines dortigen Kommentars zur TO-Folge 922:
„Gelöste Stimmung verbreitet das Kurzvideo (62 Sekunden), gedreht auf dem Abschlussfest der Dreharbeiten „Tatort Vielleicht … inoffizielles Ende“, zu sehen auf „Das Erste“ sowie auf „Boris Aljinovic – YouTube-Kanal“ ein Jahr später in einem Fjord in Norwegen, wo es dem Hauptkommissar Felix Stark (zusammen mit der Episodenhauptdarstellerin Lise Risom Olsen) erfreulicherweise inzwischen offenbar sehr gut geht … 😉