Kurz und knapp – darum geht’s
Vier angesehene Männer kehren verstört und traumatisiert von ihrem Urlaub auf Sylt zurück – ein Regierungsdirektor mit Gedächtnisverlust, ein angehender Staatssekretär mit gebrochenen Knochen, ein Dekan, der kurz darauf Selbstmord begeht, und ein Ingenieur, der plötzlich Geld unterschlägt. Als zwei junge Frauen tot am Strand der Nordseeinsel angespült werden, übernimmt Hauptkommissar Finke aus Kiel den mysteriösen Fall. Kompromittierende Fotos der Urlauber mit den verstorbenen Frauen bringen erste Hinweise auf ein raffiniertes Erpressungsnetz. Als Finke den Strandwärter Hannes und den Inselarzt Dr. Kühne genauer unter die Lupe nimmt, ahnt er nicht, dass ihn ein perfides Täuschungsmanöver erwartet…
Inhalt der Tatort-Folge „Strandgut“
Graue Wolken jagen über den weiten Strand von Sylt, während die Nordsee unbarmherzig gegen die Küste peitscht. In dieser unwirtlichen Herbstlandschaft wird die Leiche einer jungen Frau von den schäumenden Wellen an Land gespült – Strandgut, wie der Titel des zweiten Falls von Kommissar Finke düster andeutet. Der norddeutsche Kommissar mit den prägnanten Gesichtszügen und dem messerscharfen Verstand muss seine geliebte Dienststelle in Kiel verlassen, um auf der Insel der Reichen und Schönen zu ermitteln.
Die Befehlskette ist eindeutig: „Diskretion ist oberstes Gebot bei diesem Fall“, mahnt Finkes Vorgesetzter mit sorgenvoller Miene. Zu prominent sind die Männer, deren Leben nach einem Sylt-Urlaub aus den Fugen geraten ist. Finke, der sich lieber auf sein Bauchgefühl als auf Vorschriften verlässt, nickt nur knapp. Gemeinsam mit seinem Assistenten Jessner reist er inkognito auf die Insel – getarnt als Bauunternehmer mit Sohn, um ungestört ermitteln zu können.
Der Wind trägt den salzigen Geruch des Meeres durch die schmalen Gassen von Kampen, als Finke beginnt, die Puzzleteile zusammenzusetzen. Die Nervosität des angehenden Staatssekretärs Warrlau ist mit Händen zu greifen, als der Kommissar ihn zu seinen Verletzungen befragt. „Ein Unfall“, behauptet er steif, doch seine Augen verraten die Lüge. Das zweite Todesopfer, Manuela Borsdorf, hatte eine Affäre mit dem Inselarzt Dr. Kühne – eine Verbindung, die Finkes Misstrauen weckt.
Das Brüderpaar Helmut und Karli Possky wirkt wie ein Fremdkörper in der feinen Gesellschaft Sylts. Ihre rauen Manieren und die dunkle Vergangenheit stehen im krassen Kontrast zu den eleganten Villen und exklusiven Strandhotels der Insel. „Die beiden sind wie ein Geschwür am Leib der Insel“, raunt ein Einheimischer Finke zu. Die Brüder streiten jede Beteiligung an den Todesfällen ab, doch ihre Nervosität ist nicht zu übersehen.
Die Dämmerung legt sich über die Dünenlandschaft, als Finke die kompromittierenden Fotografien betrachtet, die die Erpressungsopfer zeigen. Die Aufnahmen sind wie ein stummer Schrei nach Hilfe, und plötzlich ergibt alles einen grausamen Sinn: Die jungen Frauen waren Teil eines perfiden Spiels. Während der anbrechenden Nacht observiert der Kommissar gemeinsam mit seinem Assistenten den Strandwärter Hannes, der sich verdächtig oft mit Dr. Kühne trifft. Der Nebel kriecht über den nächtlichen Strand und verschluckt die Silhouetten der beiden Männer – ein gespenstisches Bild, das Finkes Misstrauen nur verstärkt.
Die Ermittlungen gleichen einem Tanz auf dünnem Eis. Jede neue Erkenntnis droht, das fragile Konstrukt aus Lügen zum Einsturz zu bringen. Als eine unerwartete Zeugenaussage die gesamte Theorie auf den Kopf stellt, muss Finke sein Weltbild neu ordnen. Plötzlich erscheint ihm der Fall wie eine russische Matrjoschka-Puppe – in jeder Wahrheit steckt eine weitere Lüge, und hinter jeder Lüge verbirgt sich ein Stück Wahrheit.
Bei der finalen Konfrontation in Dr. Kühnes Villa, wo die salzige Meeresluft durch die geöffneten Fenster dringt, wird Finke Zeuge eines schockierenden Moments, der das wahre Ausmaß der menschlichen Abgründe offenbart…
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Strandgut“ wurde im Herbst 1971 unter der Regie von Wolfgang Petersen gedreht, der später mit Filmen wie „Das Boot“ und „Air Force One“ in Hollywood Karriere machen sollte. Die Dreharbeiten fanden an authentischen Schauplätzen in Kampen und Westerland auf Sylt statt, was dem Film seine charakteristische norddeutsche Atmosphäre verleiht.
In der Rolle des Hauptkommissars Finke brilliert Klaus Schwarzkopf, der zu den beliebtesten Tatort-Ermittlern aller Zeiten zählt. Seine Interpretation des norddeutschen Kommissars mit der unbestechlichen Menschenkenntnis prägte insgesamt sieben Tatort-Folgen. Die Erstausstrahlung von „Strandgut“ am 25. Juni 1972 im Ersten markierte einen frühen Höhepunkt der Tatort-Reihe – es war erst die 19. Folge der inzwischen legendären Krimireihe und der zweite Fall für Kommissar Finke.
Für Film-Enthusiasten besonders interessant: Regisseur Wolfgang Petersen zeigt bereits in diesem frühen Werk sein Talent für atmosphärische Spannungsaufbauten und psychologische Tiefe, die später zu seinem Markenzeichen werden sollten. Die Einschaltquoten und Kritiken waren durchweg positiv, was den Grundstein für Schwarzkopfs erfolgreiche Karriere als Tatort-Kommissar legte.
Ein faszinierendes Detail für Kriminalhistoriker: In einer Szene auf der Polizeiwache ist im Hintergrund ein echtes Fahndungsplakat der Polizei Flensburg-Weiche zu sehen. Es handelt sich dabei um einen tatsächlichen Mordfall aus dem Jahr 1970, bei dem ein Mädchen am Bahndamm ermordet wurde. Besonders tragisch: Der Fall konnte erst 42 Jahre später mittels DNA-Analyse aufgeklärt werden, doch der Täter, ein Bundeswehrsoldat, war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben.
Hallo,
ich bin ja sehr erstaunt!!
Klaus Schwarzkopf als Kommissar Finke ist Hauptdarsteller und mit keinem Wort erwähnt unter den Darstellern!!
Ein grossartiger Schauspieler und ein wunderbarer Mensch.
Ich war das erste Jahr auf Sylt und habe als Statist mitgewirkt!!
Zu dieser Zeit arbeitete ich bei „Karlchen“ Rosenzweig in Kampen!!
Ja ja, wie die Zeit vergeht!!
Gruss Régine
weiß jemand was für songs und interpreten bei „strandgut“ mitgewirkt haben? einen bob dylan songs hörte ich raus aber mich würden die anderen brennend interessieren
Seltsam, ein Fehler in der Besetzungsliste: Es hat nicht Hannelore Elsner gespielt, sondern Heidy Bohlen. Weiß jemand über die noch weiteres? Taucht ja nach diesem Tatort kaum noch in Filmen auf…
Hat jemad eine DVD des dieses Tatorts? Habe als Kind eine Statistenrolle darin gepielt, jedoch den Film nie gesehen.
Hier meine Mailanschrift: rp-1234@t-online.de
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Grandios! Eben habe ich ihn mir angeschaut, den Tatort 019, seit der Erstsendung. Ein zweiter in letzter Zeit, nach cherchez la femme, mit Hauptkommissar Finke als ermittelnder Mordkommissionsbeamter. Die Geschichte spannend und bis heute mit Sicherheit keine Erfindung und kein Einzelfall. Die Schauspieler einmalig und von Rang. Finke gehörte damals sowieso mit zu den besten Darstellern im Tatort, immer sehr gern gesehen und verfolgt. Sein leicht angedeuteter Sarkasmus einmalig. Die Insel Sylt habe ich ein paar Jahre später aus beruflichen Gründen für mehr als zwölf Monate kennengelernt und hätte fast bei den Landschaftsaufnahmen das vergilbte Fotoalbum herauskramen können, welches aber gar nicht nötig war. Sah alles identisch aus, ich gönnte mir glatt zwei Bourbon Black Pearl, im Film. Der kann m.E. jederzeit wieder erweckt werden.
Ich schließe mich scheylocks Dank an, zumal es sich um eine illustre Besetzung handelt. Fünf Sterne.
Wie toll, mal in so vergangene Zeiten einzutauchen. Leider stimmt die Nennung der Schauspieler nicht mit den Tatsachen überein, daher fehlen uns zu vielen bekannten Gesichtern dann doch die Namen, schade!
Trotzdem, gerne mehr davon ;)
Dieser Krimi hat mich nicht enttäuscht. Besonders eindrucksvoll ist neben der bewährten Figur des Kommissars Finke das grotesk gezeichnete Täterduo, das für alle möglichen Verbrechen und im Grunde auch auch für die beiden Todesfälle verantwortlich ist, aber für letztere juristisch nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann – ein eher verstörender Ausgang der Mördersuche. Auch die Wendung zum Schluß, die als Motiv für den Mord eine scheinbar ausweglose Situation enthüllt, finde ich sehr gelungen. Alles in allem ein spannender facettenreicher Krimi, weit entfernt vom üblichen Mittelmaß.
Auch wenn man das bei der auf den ersten Blick sehr bedächtigen und biederen Art von Kommissar Finke erst mal gar nicht so auf dem Schim hat – die Lichtenfeld-/Petersen-TO schwammen sehr stark auf der Zeitgeistwelle ihrer Entstehungsjahre, wozu unter anderem das Zeigen von blanken Busen gehört, was in dieser Folge ausgiebig zelebriert wird. Ein Handlungselement, das oft verwendet ist, ist der Fehltritt eines duchschnittlichen Menschen, der ihn schließlich in einen unaufhaltsamen Abwärtsstrudel reißt (Der Schutzmann in Krurzschluss, der Lehrer in Reifezeugnis…). All das scheint mir in dieser Folge nicht so stimmig ausbalanciert wie in anderen. Zacher und Kirchlechner spielen ihre Rollen als Inselluden zwar hinreißend, aber ihre weiblichen Lockvögel bleiben recht eindimensional gezeichnet, und auch die feinen Herren, die von den beiden ausgenommen werden, lassen beim Zuschauer wenig Empathie aufkommen. So kommt der Spannungsbogen bei mir nicht so richtig in Gang. Dennoch ein sehenswerter Klassiker, der nicht nur mit dem Retro-Bonus von Koteletten, Schlaghosen und Porsche Targa punktet.
Die in bemühender Art erzählte, verkrampft ausgedachte Geschichte mit flickschusterisch zusammengesetzten Handlungen, die gegen Ende des Spiels noch dazu mehr hererzählt werden als daß sie dramaturgisch ablaufen, wirkt öde. Einzige Entschädigung sind die Bilder von Sylt (und ihren Schönen).
Entspricht im Unterhaltungswert eher den Sexklamotten der damaligen 70er Jahre.
Welch schöne Erinnerungen an das gute, alte Sylt.
Gibt es diese Folge als DVD (einzeln) zu kaufen?
Ein Tatort, eher wie ein alter Spielfilm.
Sehr nett anzusehen, auch nicht völlig unspannend,- aber es hätte durchaus ein wenig mehr Spannungsaufbau sein können!
Immerhin entsteht beim Zuschauen ein Gefühl von „Sommerfrische“ und das ist doch auch schon etwas, oder?!
Kindlich naiv, das trifft es wohl am besten.
Nachdem man sich einen „früher war alles besser Tatort“ angesehen hat ist man auch schon satt.
Schauspielerische Fähigkeiten Fehlanzeige, wohl eher Textaufsagerei.
Ja so war das DAMALS mit dem Tatort.
Ganz starker Tatort mit dem „alten“ schönen Sylt, einer toll erdachten Geschichte und einem noch sehr jungen Rolf Zacher. Dieser Film fiel mir wieder ein, weil Zacher gestern morgen verstorben ist. Ruhe in Frieden.
Wenn man bedenkt, dass der am 20.07.2020 vom SWR (zu später Stunde) gesendete Tatort nun bereits 48 Jahre alt ist, dann kommt man selbst etwas ins grübeln.
Schönes altes Sylt bzw. Kampen, damals. Die dortigen Preise – in Kampen – aber auch schon nicht von schlechten Eltern. Zwei Tassen Kaffee und zwei Stücke Kuchen: 16,50 D-Mark. Nicht schlecht! Kann mich noch daran erinnern, dass eine Kugel Eis beim guten Italiener, zu dieser Zeit (`72), 20 Pfennig kostete.
Einfach schöne Bilder von Sylt verpackt in einer tollen Story. Absoluter Tatort Muss. Dafür gibt’s natürlich 5 Sterne
Letztens einmal die NDR-Ausstrahlung vom 21.07.2020 mit einer alten Aufnahme von 2008 verglichen. In der 2020er-Fassung fehlen gut anderthalb Minuten! (Nein, nicht in den Nacktszenen.)
Kennt jemand die Hintergründe?
Grad im EPG gesehen: ‚Strandgut‘ läuft am Sa. 20.8. um 00:30 Uhr im NDR (also heute Nacht); in Erinnerung an Wolfgang Petersen läuft zuvor um 0:00 Uhr eine halbstündige Würdigung.
Immer wieder gut auch heute noch mal heute abend 22:15 Uhr rbb!!👍
Neil Diamonds „I am … I said“ als aktuelle Musik. Ein Auto: das gleiche fuhr mein Vater, als er nicht viel älter war als meine Kinder heute. Die Möbel und Tapeten: fast wie mein Elternhaus, als ich Kind war. Wegen solcher Dinge gucke ich gern Tatort-Folgen aus der Anfangszeit. Meine Mutter hätte nach 2 Minuten ausgeschaltet bei den Nackedeien zu Beginn…
Der Fall selber: würden solche Krimis heute gefilmt, würde geschimpft. „bin eingeschlafen“, „langweilig, habe umgeschaltet“, „für sowas wird Fernsehgebühr verschwendet“. Die Nostalgie verklärt vieles.
Der Tatort 019 aus dem Jahre 1972 und ein Kieler. Der spielt aber auf Sylt und ist zweifelsohne einer der besten aus der Tatort-Filmreihe.
Die Meinung vom 08.04.2015 halte ich.