Tatort Folge 061: Zwei Leben

Erscheinungsjahr Icon
Erscheinungsjahr: 1976
Kommissar Icon
Kommissar: Haferkamp

Kurz und knapp – darum geht’s

Ein ehemaliger Mafioso lebt unter neuer Identität als Fotohändler in Essen, bis seine Ex-Frau ihn nach Jahren aufspürt und einen perfiden Plan entwickelt, um ihn zurückzugewinnen. Als ein Mafia-Anwalt seine Tarnung auffliegen lässt, tötet Franz Scheller ihn aus Angst vor Rache – doch Kommissar Haferkamp kommt ihm auf die Spur. Als der verzweifelte Scheller einen weiteren Mord plant und mit seiner Ex-Frau fliehen will, beginnt für den Essener Ermittler ein Wettlauf gegen die Zeit…

Inhalt der Tatort-Folge „Zwei Leben“

Herbstnebel wabert über dem Baldeneysee, als der Mafia-Anwalt Whitman einer Fähre entsteigt und in die feuchtkalte Morgenluft tritt. Er ahnt nicht, dass er bereits im Fadenkreuz steht – ein Schuss hallt über das Wasser, Whitman sinkt zu Boden. Im Dickicht verschwindet eine Gestalt mit einem Gewehr.

Kommissar Haferkamp, den die Kollegen manchmal hinter vorgehaltener Hand als „Frikadellen-Liebhaber mit Trenchcoat“ bezeichnen, wirkt müder als sonst, als er am Tatort eintrifft. Seine kürzliche Scheidung nagt an ihm, doch professionell wie immer inspiziert er akribisch die Umgebung. Im Fotoladen von Franz Scheller wird er später misstrauisch – zu viele Widersprüche, zu wenig Erklärungen. „Etwas stimmt nicht mit diesem Mann“, murmelt er seinem Assistenten zu.

In seinem unscheinbaren Fotogeschäft poliert Scheller nervös Objektive, als hätte er nie etwas anderes getan. Doch hinter der bürgerlichen Fassade verbirgt sich ein Mann, der in seinem früheren Leben als Kronzeuge gegen die amerikanische Mafia ausgesagt hat. Seine neue Frau ahnt nichts von seiner Vergangenheit – für sie ist er einfach der zuverlässige Franz, der jeden Morgen pünktlich den Laden öffnet. Wie ein Schachspieler, der zwanzig Züge im Voraus plant, hat Scheller sein neues Leben bis ins Detail durchdacht, doch ein unerwarteter Bauer auf dem Spielfeld droht nun, die gesamte Partie zu kippen.

Dieses unberechenbare Element ist Vivian Hamilton, glamourös wie ein Hollywoodstar und berechnend wie ein Computer. „Ich weiß, was Franz wirklich will“, sagt sie mit einem Lächeln, das kälter als der Essener Novemberregen ist. In ihrem Hotelzimmer mit Blick über die Stadt spinnt sie ein Netz aus Intrigen, um ihren Ex-Mann zur Rückkehr zu zwingen.

Die Fahndung nach dem Mörder gleicht einem Blindflug durch dichten Nebel. Haferkamp, der sich mit seiner Ex-Frau Ingrid über den Fall austauscht – eine für ihn typische Angewohnheit – spürt, dass er nur die Oberfläche eines tiefen, dunklen Gewässers sieht. Als Schellers Angestellte Claudia ihren Chef zu erpressen beginnt, gerät der vermeintliche Fotohändler zusehends in Bedrängnis. Seine nächtlichen Pokerrunden werden zu einem verzweifelten Spiel um sein Leben.

„Du kannst dein altes Leben nicht einfach abstreifen wie eine Schlangenhaut“, flüstert Vivian Franz zu, als sie sich in einem verlassenen Industriegebäude treffen. Der rostende Stahl der stillgelegten Fabrik wirkt wie ein stummer Zeuge einer vergangenen Ära – ähnlich wie Schellers Vergangenheit, die nie wirklich tot war, sondern nur im Verborgenen lauerte.

Als Haferkamp endlich begreift, dass Scheller und Vivian gemeinsam fliehen wollen, ahnt er noch nicht, welches tödliche Finale der verzweifelte Mann plant. Auf einem kleinen Privatflugplatz am Rande der Stadt setzt ein letztes, gefährliches Katz-und-Maus-Spiel ein…

Hinter den Kulissen

Der WDR-Tatort „Zwei Leben“ wurde vom 27. Oktober bis 26. November 1975 unter der Regie von Wolfgang Staudte gedreht, der zuvor bereits durch seine Arbeit an der TV-Serie „Der Seewolf“ bekannt geworden war. Die Außenaufnahmen entstanden in München, Essen und Düsseldorf, während die Studioaufnahmen im Bavaria Atelier München-Geiselgasteig produziert wurden.

Atmosphärisch besonders eindrucksvoll gelangen die Szenen am Baldeneysee in Essen-Fischlaken, wo die Mordszene am Anleger beim Haus Scheppen gedreht wurde. Das im Film gezeigte Restaurant Baldeneyer Fähre existiert heute noch, allerdings wurde die im Film zu sehende Außentreppe mittlerweile entfernt. Die Eröffnungsszene im Schlosshotel entstand am historischen Schloss Hugenpoet in Essen-Kettwig, und weitere Aufnahmen wurden an der inzwischen abgerissenen Zeche Pörtingsiepen gedreht.

In der Besetzung brillierte neben Hansjörg Felmy als Kommissar Haferkamp und seinem Assistenten Willy Semmelrogge vor allem Heinz Bennent in der komplexen Rolle des Franz Scheller. Bennent war bereits in der Tatort-Folge „Wodka Bitter-Lemon“ (Folge 50) zu sehen gewesen. Die renommierte Schauspielerin Gisela Uhlen, die durch zahlreiche TV-Krimis bekannt wurde, verkörperte überzeugend die ebenso glamouröse wie skrupellose Vivian Hamilton. In der Rolle der erpresserischen Angestellten Claudia überzeugte Susanne Beck.

Musikalisch setzte die Produktion bemerkenswerte Akzente: Als Filmmusik verwendete man den ersten Satz der Sinfonie in Fis von Erich Wolfgang Korngold – eine für die damalige Zeit ungewöhnliche Wahl, da Korngolds Werk außerhalb von Fachkreisen wenig bekannt war. Erst in den späten 1980er Jahren setzte eine Renaissance seiner Kompositionen ein. Zusätzlich wurden Ausschnitte aus Gustav Holsts Suite „Die Planeten“ verwendet, namentlich die Sätze „Mars, der Kriegsbringer“ und „Saturn, der Bringer des Alters“.

Das Drehbuch stammte aus der Feder von Karl Heinz Willschrei, der bereits die Vorlagen zu den ersten Fällen des Essener Kommissars verfasst hatte. Die Erstausstrahlung am 14. März 1976 erreichte mit einer Quote von 60 Prozent ein beeindruckendes Publikum und festigte den Ruf der Haferkamp-Tatorte als Publikumsmagneten.

Videos zur Produktion

ARD Plus Trailer

Besetzung

Kommissar Haferkamp – Hansjörg Felmy
Ingrid Haferkamp – Karin Eickelbaum
Kreutzer – Willy Semmelrogge
Scheffner – Bernd Schäfer
Vivian Hamilton – Gisela Uhlen
Franz Scheller – Heinz Bennent
Kutscher – Dirk Dautzenberg
Whitmann – Günther Stoll
Walburga – Susanne Beck
Änne – Katinka Hoffmann
Kellnerin – Christl Welbhoff
Dritter Mann – Fernando Gomez
Frau Bold – Ruth Brück
Ruth Brück
Claus Fuchs
Wolfgang Kleiner
Holger Petzhold
Jürgen Schornagel
Klaus Schwarzkopf

Stab

Drehbuch – Karl Heinz Willschrei
Regie – Wolfgang Staudte

8 Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

×
  1. vor 15 Jahren

    Wieder ein Tatort und Staudte und Willschrei, der auf ganzer Linie überzeugt. Keine Action und keine Vefolgungsjagden, dafür aber Schauspielkunst auf hohem Niveau, die uns die innere Teilnahme an den Konflikten und Verstrickungen der Protagonisten ermöglicht.

    Überragend Heinz Bennent als Täter und Opfer zugleich. Dieser asketische, melancholisch wirkende Charakterdarsteller entwickelt eine faszinierende Präsenz. Felmy cool und schnodderig wie immer.

  2. vor 13 Jahren

    Die Folge ist gut, aber sie hat 2 Fehler: erstens, sie ist zu langsam, und zweitens, die klassische Musik liegt im Niveau zu hoch, es stört. Paßt nicht zum Tatort.

  3. vor 13 Jahren

    Die Haferkamp Tatorte, gute Qualität ist leider nicht beliebig oft produzierbar.
    Wirklich schade das solche Filme nicht mehr produziert werden.
    Sie spiegeln das Lokalkolorit der 70er Jahre in Essen und Umgebung wieder.

  4. vor 10 Jahren

    Diesen Tatort, 061, heute geschaut, habe ich ihn Erstsendung mit Sicherheit gesehen. Einige wenige Szenen waren zu gut in Erinnerung. Ja, spannend und zum Mitdenken war er, animierte richtig ein Interesse für die Detektivarbeit. Zwei Spitzenkommissare der damaligen Tatort-Szene waren zu sehen. Haferkamp und Finke, natürlich auch Kreutzer, der aber nur als Hauptmeister. Vielleicht hätte er ja einmal den Aufstieg geschafft, wer weiß? Das Dämchen aus dem Fotolabor sicherlich nicht. Alles war interessant an diesem Spielfilm, wenn man die Gegebenheiten vor Ort aus der Vergangenheit kennt. Die Story mehr als gut. Mörderseelen spielen sich untereinander aus. Selbst die Straßenbahnfahrt, Essen-Werden, der Baldeneysee , und, und so weiter, erkannte man aus der Erinnerung. (Sieht aber heute immer noch so aus.) Wenn ich gewußt hätte, daß ich dort 10 Jahre später selbst mal beruflich rumgurke. Und das in Autos von damals. Meine frühere Schüler-Clique mit ihren späteren Bürojobs hätten gelächelt. Und heute! Na ja, der Wandel der Zeit. Immer noch schöne Gegend, immer noch Gauner vor Ort. Nur die Autos haben sich nun doch verändert.

  5. vor 9 Jahren

    Mein liebster Haferkamp-Tatort. Die Szene, in der Kreutzer Kutscher verhört, ist auch heute noch einen Lacher wert.

  6. vor 4 Jahren

    Kann mir jemand sagen, welche Zeche das ist, die man bei der Autobahnszene (wo die Leiche gefunden wird) kurz im Hintergrund sieht oder wo diese Stelle ist?

  7. vor 4 Jahren

    Heinz Bennet überzeugt in diesem Haferkamp Klassiker besonders. Schöne Zeitreise in die 70er Jahre mit einem richtig spannenden Haferkamp Krimi. 4,5 Sterne

  8. vor 3 Jahren

    Hallo bellhammi, dies müsste die Zeche Fitz an der Heßlerstraße in Altenessen sein. Die Autobahn müsste die A42 an der Ausfahrt Essen-Altenessen sein.

Neue Tatort-Folgen
Baden-Baden
14 Folgen
Berlin
96 Folgen
Bern
12 Folgen
Braunschweig
1 Folgen
Bremen
49 Folgen
Bremerhaven
1 Folgen
Dortmund
27 Folgen
Dresden
39 Folgen
Duisburg
29 Folgen
Düsseldorf
15 Folgen
Erfurt
2 Folgen
Essen
22 Folgen
Frankfurt
87 Folgen
Freiburg
1 Folgen
Göttingen
5 Folgen
Hamburg
105 Folgen
Hannover
30 Folgen
Heppenheim
1 Folgen
Kiel
51 Folgen
Köln
100 Folgen
Konstanz
31 Folgen
Leipzig
44 Folgen
Lübeck
2 Folgen
Ludwigshafen
81 Folgen
Luzern
17 Folgen
Mainz
7 Folgen
München
124 Folgen
Münster
47 Folgen
Nürnberg
10 Folgen
Saarbrücken
45 Folgen
Schwarzwald
14 Folgen
Stade
1 Folgen
Stuttgart
78 Folgen
Weimar
11 Folgen
Wien
89 Folgen
Wiesbaden
13 Folgen
Zürich
8 Folgen