Kurz und knapp – darum geht’s

Ein hochsensibles Geheimprojekt der Bundeswehr zur Minenentschärfung gerät ins Visier eines feindlichen Geheimagenten. Der Spion Schäfer reaktiviert den seit Jahren schlummernden Agenten Kutschner, der als Referent im Verteidigungsministerium arbeitet, um an die streng geheimen Pläne zu gelangen. MAD-Oberstleutnant Delius, der Schäfer aus früheren Fällen kennt, nimmt die Verfolgung auf und muss ein perfides Täuschungsmanöver durchschauen. Als bei einer Testvorführung der neuartigen Mine eine unerwartete Explosion erfolgt, beginnt ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Kontrahenten…

Inhalt der Tatort-Folge „Der Schläfer“

Grau und nebelverhangen liegt die Ostsee vor der Küste bei Eckernförde, als ein Seenotrettungskreuzer einen erschöpften Mann aus den kalten Fluten rettet. Der geflüchtete NVA-Offizier bringt brisante Informationen mit in den Westen: Der DDR-Auslandsgeheimdienst plant, einen Agenten einzuschleusen, um ein streng geheimes Bundeswehrprojekt mit dem Codenamen „Cosmic“ auszuspionieren. Für MAD-Oberstleutnant Delius bedeutet diese Nachricht Alarmstufe Rot, denn er ahnt bereits, wer dieser Agent sein könnte: Heinz Schäfer, ein gefürchteter Spion, dessen Fähigkeiten Delius nur zu gut kennt. „Der Mann ist ein Phantom“, warnt Delius seine Kollegen. „Er taucht auf und verschwindet wieder, ohne Spuren zu hinterlassen.“

In Bonn betritt derweil ein unauffälliger Mann eine kleine Wohnung in einem Altbau. Es ist Kutschner, ein Ministerialbeamter, dessen Leben in geordneten Bahnen verläuft – bis zu diesem Tag. Schäfer, der sich elegant durch die Sicherheitsnetze des Westens bewegt hat, steht plötzlich vor seiner Tür und erinnert Kutschner an eine längst vergessen geglaubte Verpflichtung aus Studentenzeiten. Der in die Jahre gekommene „Schläfer“ soll nun endlich aktiviert werden. Doch Kutschner zögert – der Konflikt zwischen seiner Loyalität zum Staat und der alten Verpflichtung wird in seinen angespannten Gesichtszügen sichtbar.

Die Novembersonne spiegelt sich in den Wellen der Ostsee, als bei der Marine-Erprobungsstelle in Eckernförde der letzte Test des revolutionären Minenprojekts stattfindet. Ministerialrat Hohleben, sein Referent Kutschner, Fregattenkapitän Wellmann und der Konstrukteur Spitzner beobachten vom Ufer aus die Vorführung. Das ausgeklügelte System soll eigene Seeminen durch Sonarimpulse deaktivieren und somit der Bundeswehr einen entscheidenden taktischen Vorteil verschaffen. Doch plötzlich durchbricht eine gewaltige Explosion die Stille – etwas ist schiefgelaufen. Schnell wird klar: Ein Saboteur hat den Empfänger entfernt.

Für Delius beginnt nun ein Wettlauf gegen die Zeit. In seinem spartanischen Büro beim MAD brennt das Licht bis tief in die Nacht. „Schäfer wird nicht ruhen, bis er auch die Pläne für den Sender hat“, murmelt er, während er Akten durchforstet. Doch wie ein Schachspieler, der seinem Gegner immer einen Zug voraus ist, hat Schäfer bereits seine nächsten Schritte geplant. Mit kühler Präzision manipuliert er die Situation, um Ministerialrat Hohleben als vermeintlichen Verräter erscheinen zu lassen. Die Intrige funktioniert wie ein Uhrwerk – Hohleben wird suspendiert, und ausgerechnet Kutschner rückt als kommissarischer Nachfolger in die Position, in der er endlich Zugang zu den geheimen Dokumenten erhält.

Die Hamburger Altstadt liegt in herbstlichem Licht, als Kutschner und Schäfer sich zu einem konspirativen Treffen verabreden. Der innere Kampf des Referenten spitzt sich zu – er will nicht zum Verräter werden. Doch als seine Frau bei einem vermeintlichen Autounfall verletzt wird, ändert sich die Lage. „Sie wissen, was zu tun ist“, sagt Schäfer nur, ohne direkte Drohungen auszusprechen. Kutschners Hände zittern, als er heimlich die Pläne des Senders in Spitzners Firma fotografiert, nicht ahnend, dass Delius‘ Männer ihm bereits auf den Fersen sind.

Das geschäftige Treiben des Hamburger Hauptbahnhofs bietet die perfekte Kulisse für die geplante Übergabe des Mikrofilms. In der Menschenmenge bewegen sich Delius‘ Agenten wie Schatten, während Kutschner mit schweißnasser Stirn auf Schäfer wartet. Die Übergabe erfolgt in Sekundenschnelle – ein kurzer Moment, in dem sich ihre Hände berühren. Doch Schäfer, dessen Instinkte geschärft sind wie die eines Raubtiers, wittert die Falle und verschwindet im Labyrinth der Bahnhofstunnel und U-Bahn-Gänge, die wie ein zweites, verborgenes Hamburg unter der Stadt liegen.

Die Jagd nach dem Phantom scheint aussichtslos, doch Delius gibt nicht auf. In einem vergessenen Krimi, den Schäfers Komplizin in Spitzners Wohnung zurückgelassen hat, findet er einen verschlüsselten Hinweis. „Manchmal sind die Antworten näher, als wir denken“, sagt er zu seinem Team, während er den Code entschlüsselt, der ihn direkt zu Schäfers Versteck führt…

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Der Schläfer“ ist der 152. Film der ARD-Krimireihe und wurde vom Norddeutschen Rundfunk produziert. Die Dreharbeiten fanden im Jahr 1983 in Hamburg und Umgebung statt, darunter auch in Brunnenbek in der Gemeinde Altenhof bei Eckernförde – einem malerischen Ort an der Ostseeküste, der mit seiner maritimen Atmosphäre den perfekten Hintergrund für die Handlung bot.

Für die authentische Darstellung der militärischen Aspekte erhielt die Produktion Unterstützung vom Militärischen Abschirmdienst sowie der Bundesmarine. Diese Zusammenarbeit ermöglichte es, echte Starfighter eines Marinefliegergeschwaders sowie Schiffe des Marinestützpunktes Eckernförde im Film zu zeigen, was dem Tatort eine dokumentarisch anmutende Glaubwürdigkeit verlieh.

In den Hauptrollen brillierten Horst Bollmann als MAD-Oberstleutnant Delius in seinem zweiten Fall sowie Klaus Höhne – den Krimi-Fans bereits als ersten Tatort-Kommissar des Hessischen Rundfunks kannten – in der Rolle des „Schläfers“ Kutschner. Das Szenenbild wurde von Gerd Staub gestaltet, der es verstand, die Atmosphäre des Kalten Krieges visuell einzufangen.

Der Tatort „Der Schläfer“ wurde am 6. November 1983 im Ersten ausgestrahlt und erreichte mit 16,89 Millionen Zuschauern einen beeindruckenden Marktanteil von 43 Prozent. Besonders bemerkenswert ist, dass dieser Krimi ganz ohne Leiche auskommt – stattdessen konzentriert sich die Handlung auf das spannungsgeladene Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Geheimdiensten, was den Film zu einem untypischen, aber umso faszinierenderen Beitrag zur Tatort-Reihe macht.

Nach der Ausstrahlung wurde der Film vielfach für seine realistische Darstellung der Geheimdienstarbeit im geteilten Deutschland gelobt. Zeitgenössische Kritiker hoben besonders die atmosphärische Dichte und die authentische Darstellung des Ost-West-Konflikts hervor, der in den 1980er Jahren noch allgegenwärtige Realität war.

Besetzung

Schäfer – Günther Ungeheuer
Tummler – Pierre Franckh
Delius – Horst Bollmann
Kutschner – Klaus Höhne
Dr. Spitzner – Klaus Löwitsch
Wellmann – Hellmut Lange
Fr. Kutschner – Monika Madras
Ziller – Werner Cartano
Hohleben – Gunnar Möller
Olga – Erika Weber

Stab

Regie – Jürgen Roland
Kamera – Bernd Schofeld
Buch – Jochen Wedegärtner
Schnitt – Irene Brunhöver
Ton – Wolfgang Schröter
Musik – Nils Sustrate
Szenenbild – Gerd Staub
Produktionsleitung – Günter Handke

Bilder: NDR/Janssen