Tatort Folge 169: Miese Tricks

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Erscheinungsjahr: 1985
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Kommissar: Lutz

Kurz und knapp – darum geht’s

Eine harmlose Begegnung im Intercity zwischen Hamburg und Karlsruhe wird zum Auftakt eines perfekt geplanten Banküberfalls: Als eine Bilanzbuchhalterin von einem Maskierten als Geisel genommen wird, ahnt zunächst niemand, dass mehr hinter der Geschichte steckt. Kriminalhauptkommissar Lutz und sein Assistent Wagner stoßen bei ihren Ermittlungen auf zahlreiche Ungereimtheiten im Aussageverhalten der vermeintlichen Geisel. Als ein zwielichtiger Heiratsschwindler auf den Plan tritt und die Bilanzbuchhalterin plötzlich über unerklärlich viel Geld verfügt, setzen die Ermittler auf einen riskanten Trick, der sie selbst in moralische Grauzonen führt…

Inhalt der Tatort-Folge „Miese Tricks“

Rastlos gleitet der Intercity durch die Landschaft, während sich Erich Wessel im Abteil erster Klasse der schlafenden Gerda Pommer nähert. Als die Frau erwacht, entspinnt sich ein Gespräch zwischen den beiden Mittvierzigern, das von einer ungewöhnlichen Vertrautheit geprägt ist. Der elegant gekleidete Wessel entdeckt später Gerdas körperliche Behinderung – ein verkürztes Bein, das sie stark hinken lässt – und bietet ihr an, sie vom Karlsruher Bahnhof mit dem Taxi nach Hause zu bringen. Ein höflicher Abschied, der nur der Anfang einer verhängnisvollen Verstrickung ist.

Kommissar Eugen Lutz wirkt auf den ersten Blick wie ein biederer Beamter der alten Schule – doch hinter seiner unscheinbaren Fassade verbirgt sich ein scharfsinniger Ermittler, der nicht vor unkonventionellen Methoden zurückschreckt. Sein Assistent Wagner dagegen ist akribisch und misstrauisch; wo Lutz zunächst an Zufälle glaubt, wittert Wagner bereits Komplizenschaften. Die Dynamik zwischen den beiden gleicht einem Tanz auf dem schmalen Grat zwischen Intuition und analytischer Polizeiarbeit.

In der überfüllten Schalterhalle einer Karlsruher Bankfiliale zerreißt plötzlich der Alltag: Ein vermummter Mann presst einer behinderten Frau eine Pistole an die Schläfe und erzwingt die Herausgabe des Geldes. Der Überfall eskaliert auf der Straße, als ein junger Mann den Täter aufhalten will und dabei tödlich getroffen wird. Wie ein Labyrinth ohne Ausgang erscheinen die widersprüchlichen Zeugenaussagen, die Lutz und Wagner nach dem Überfall sammeln. Die Geisel Gerda Pommer liefert nur vage Beschreibungen des Täters – „Er war vermummt, mittelgroß, ich war so verängstigt“ – doch stutzig macht die Ermittler, dass sie erst dreizehn Minuten nach ihrer Freilassung die Polizei alarmierte.

Die Karlsruher Altstadt mit ihren engen Gassen und dem fächerförmigen Straßennetz wird zum stillen Mitspieler in einem Katz-und-Maus-Spiel, als die Polizei beginnt, Gerda zu observieren. Die neonbeleuchteten Schriftzüge der Geschäfte spiegeln sich in den Pfützen nach einem kurzen Regenschauer, während Sandhäuser, Lutz‘ Mitarbeiter, beobachtet, wie Gerda von dem Kleingangster Friedel Grossmann angesprochen wird. Wie ein Spinnennetz, in das die Fliege freiwillig hineinfliegt, scheinen sich die Fäden um Gerda zusammenzuziehen.

„Die Wahrheit ist wie eine schwer zu öffnende Auster“, murmelt Lutz, als er und Wagner über die Verbindung zwischen Gerda und Grossmann grübeln. Unter der Oberfläche des scheinbar einfachen Falles tun sich Abgründe von Einsamkeit, Ausnutzung und Vertrauen auf, als Gerda und Grossmann sich über dessen angebliche Geschäftsidee zur Konservierung von Schnittblumen unterhalten – eine Metapher für die Konservierung von Hoffnungen, die genauso welken könnten.

Die Fahndung nach dem wahren Täter gleicht der Suche nach einem Phantom, während im Casino von Bad Dürkheim das Roulette rattert und die Jetons klappern. Hier versucht Gerda, die Herkunft ihres plötzlichen Reichtums zu verschleiern, unwissend, dass jeder ihrer Schritte von der Polizei verfolgt wird. Als Lutz schließlich zu einem moralisch fragwürdigen Trick greift, um Gerda die Identität ihres Komplizen zu entlocken, schließt sich der Kreis einer Geschichte, in der am Ende alle Beteiligten mit leeren Händen dastehen könnten…

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Miese Tricks“ wurde vom Süddeutschen Rundfunk produziert und zwischen dem 12. März und dem 13. April 1984 in Karlsruhe, Stuttgart und Bad Dürkheim gedreht. Die Erstausstrahlung am 26. Mai 1985 im Ersten Programm der ARD erreichte beachtliche 12,95 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 37 Prozent entsprach – ein Wert, von dem heutige TV-Produktionen nur träumen können.

Für Werner Schumacher als Kriminalhauptkommissar Eugen Lutz markierte diese 169. Folge der Tatort-Reihe seinen 15. und vorletzten Fall. An seiner Seite ermittelte Frank Strecker als Assistent Wagner. Die Hauptrollen der Geisel bzw. Komplizin Gerda Pommer und des Bankräubers Erich Wessel wurden von Schauspielern verkörpert, die die komplexe moralische Ambivalenz ihrer Figuren überzeugend zum Leben erweckten.

Die Folge „Miese Tricks“ entstand in einer Zeit, in der das Fernsehen noch ein gemeinschaftliches Erlebnis war. Die gesellschaftskritischen Untertöne des Films – insbesondere die Thematisierung der Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung – waren für die damalige Zeit durchaus progressiv. Nach der Ausstrahlung wurden in Zuschauerbriefen an den Süddeutschen Rundfunk die moralisch fragwürdigen Ermittlungsmethoden des Kommissars kontrovers diskutiert: War Lutz‘ List, Gerda über ihren Anteil an der Beute zu täuschen, rechtlich und ethisch vertretbar?

Besonders die Darstellung der körperbehinderten Gerda Pommer, die sich vom Opfer zur Täterin und schließlich wieder zum Opfer wandelt, fand in der Presse viel Beachtung. Die Szenen im Bad Dürkheimer Spielcasino verleihen dem Film zusätzlich eine Atmosphäre, die an die großen Krimis der 70er Jahre erinnert und gleichzeitig den gesellschaftlichen Glanz und die Abgründe der frühen 80er Jahre einfängt.

Videos zur Produktion

Video 30 Sekunden aus den ersten 30 Minuten

Besetzung

Frank Strecker (Assistent Richard Wagner)
Angelika Bender (Gerda)
Michael Mendl (Wessel)
Rolf Zacher (Grossmann)
Klaus Spürkel (Sandhäuser)
Fred Reyes (Chef)
Ingeborg Stüber (Sekretärin)
Christian Hoening (Arzt)
Manfred Boehm (Zugverkäufer)
Richard Baier
Christl Dörr
Heinz Kiefer
Stefan Kistner
Hans J. Korff
Steffen Laube
Reinhard Nöltner
Rudi Spieth

Stab

Regie: Theo Mezger
Buch: Karl Heinz Willschrei
Kamera: Justus Pankau
Schnitt: Christa Kemnitz
Musik: Jonas C. Haefeli
Produktion: SDR

4 Kommentare

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  1. vor 9 Jahren

    Der Tatort Nummer 169 aus Stuttgart mit dem damaligen Ermittler-Duo Hauptkommissar Lutz und Assistent Wagner. Mordkommission. Fast ein perfektes Verbrechen, wenn nicht einmal wieder Faktor Mensch auf die Bühne der Eitelkeiten und Gierheit erschienen wäre. Diesen Coup traue ich wohlhabenden, mittelständischen und armen Charakteren zu, nur der IQ muss stimmen und die Phase „Konsequent“. Das die Komplizin anschließend an einen Heiratsschwindler und Betrüger geraten war, das war Eins von Hunderttausend. Sehenswerter Tatort-Krimi mit dem beliebten Kommissar Lutz, welcher aber schon unwesentlich geringer in Erscheinung trat. Nicht schlecht, dass der Zugverkäufer Manfred Böhm war. Weniger gut, dass dieser Tatort-Fernsehfilm bislang meinungslos geblieben ist. Für mich ist der sehenswert, selbst am Wochenendabend.

  2. vor 6 Jahren

    „Miese Tricks“ is well acted. It’s a bit slow, but the story needs time. We have to get to know Angelika Bender’s character. She steals the show when she tells Lutz „Sie, zum Beispiel, beeindrucken mich gar nicht.“ Just look at his face.

  3. vor 2 Jahren

    In diesem Tatort sind die Straftäter moralisch und halten sich an ihr Wort, während die Kommissare mit hinterlistigen und schmutzigen Methoden, eben „miesen Tricks“ arbeiten! Am Ende siegt natürlich das Gesetz, jedoch hat das Vertrauen in die Mitmenschen verloren!
    Absolut sehenswerter Krimi! 5 von 5 Sterne!

  4. vor 2 Jahren

    Interessant finde ich an dieser Folge den Werte-Wandel, den die TO-Reihe seit damals (’85) erlebt hat.

    Wurde damals noch das charakterlich minderwertige Verhalten von Kommissar Lutz (um die Komplizin des Täters zu täuschen) offenbar gesellschaftlich akzeptiert, würde ein Kommissar heutzutage bei so einem Verhalten ‚mit nassen Fetzen davon gejagt‘ werden (m.E.) … 😡

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