Kurz und knapp – darum geht’s
Eine junge Malerin wird tot in ihrem Atelier gefunden, erstochen mit einem Schnitzmesser. Das Hamburger Ermittler-Duo Paul Stoever und Peter Brockmüller nimmt die Fährte des Hauptverdächtigen Valentin Sander auf, eines angesehenen Kaufhausbesitzers, der seit dem Mord spurlos verschwunden ist. Sowohl er als auch sein Sohn Georg waren leidenschaftlich in die schöne Künstlerin verliebt. Während der Ermittlungen stößt das Team auf Sanders gut gehütetes Geheimnis: Als Kind mit Sinti-Wurzeln entkam er einst als Nanosh Steinberger der Deportation durch die Nationalsozialisten. Als Stoever und Brockmüller nach ihm in der Sinti-Gemeinschaft suchen, ahnen sie nicht, dass hinter dem Fall ein Abgrund aus Hass und verdrängter Geschichte lauert, der tödlich enden könnte…
Inhalt der Tatort-Folge „Armer Nanosh“
Dunkle Silhouetten zeichnen sich gegen das schimmernde Wasser des Hamburger Hafens ab, als Kommissar Paul Stoever nachdenklich aus dem Fenster seiner Dienststelle blickt. Die regennasse Straße unter ihm glänzt im Licht der Laternen. Ein Fall, der anders ist als die anderen, liegt vor ihm und seinem Kollegen Peter Brockmüller.
In einem lichtdurchfluteten Atelier, zwischen farbenfrohen Gemälden und halbfertigen Skulpturen, wurde die Leiche der jungen Künstlerin Ragna Juhl gefunden – erstochen mit einem ihrer eigenen Schnitzmesser. Die Blutspuren auf dem Holzboden erzählen von einem leidenschaftlichen Kampf. „Sie hatte etwas an sich, das Männer den Verstand verlieren ließ“, murmelt ein Zeuge, während er auf eines ihrer ausgestellten Porträts blickt.
Der Hauptverdächtige Valentin Sander, ein wohlhabender und angesehener Kaufhausbesitzer, der offenkundig in die Künstlerin verliebt war, ist verschwunden – „wie vom Erdboden verschluckt“, wie Brockmüller es ausdrückt. In seinem prachtvollen Kaufhaus hängen noch die Plakate für Ragnas letzte Ausstellung, die er höchstpersönlich in seiner Galerie ausrichtete. Sanders Ehefrau empfängt die Kommissare mit einer Mischung aus Verbitterung und Resignation: „Diese Frau hat ihn verzaubert, ihn mir entrissen – und jetzt ist er fort.“
Bei den Ermittlungen stoßen Stoever und Brockmüller auf einen weiteren Liebhaber der Künstlerin: Georg Sander, den Sohn des Verdächtigen. Der junge Mann mit den fiebrigen Augen spricht von seiner „unendlichen Liebe“ zu Ragna, während seine Hände nervös zittern. „Mein Vater ist kein Mörder“, beteuert er, doch seine Stimme verrät Zweifel.
Die Nachforschungen führen die Kommissare tiefer in die Vergangenheit des Hauptverdächtigen. Wie ein aufgewirbelter Staub, der sich langsam senkt, kommen lang verdrängte Wahrheiten ans Licht: Valentin Sander wurde einst als Sinti-Kind Nanosh Steinberger vom reichen Kaufmann Sander adoptiert und so vor der Deportation im Dritten Reich bewahrt. „Seine Familie hat er hinter sich gelassen wie einen abgelegten Mantel“, erklärt ein früherer Bekannter, „aber die Vergangenheit trägt man in sich wie Blut in den Adern.“
Die Suche nach dem Flüchtigen gleicht dem Versuch, Nebel mit bloßen Händen zu greifen. In den engen Gassen der Stadt, wo die Sinti-Gemeinschaft lebt, treffen Stoever und Brockmüller auf skeptische Blicke und verschlossene Türen. Erst als sie Yanko, das Oberhaupt der Sippe und Nanosh‘ Onkel, ausfindig machen, beginnt sich der Nebel zu lichten. „Er hat seinen Namen abgelegt, seine Wurzeln verleugnet“, sagt der alte Mann mit verbitterter Stimme. „Jetzt kommt er zurück zu uns, wenn er in Not ist.“
In einem verzweifelten Versuch, den Verdächtigen aus seinem Versteck zu locken, verhaften die Kommissare seinen Sohn Georg. Ein gefährliches Spiel mit ungewissem Ausgang. Als Valentin Sander schließlich vor den Ermittlern steht und ein Geständnis ablegt, wirkt es wie der fallende Vorhang eines Theaterstücks – doch für Stoever hat diese Aufführung zu viele Ungereimtheiten.
Der ehrgeizige Prokurist Heinrich Frohwein, dessen kalte Augen jede Bewegung im Kaufhaus verfolgen, rückt zunehmend ins Visier der Ermittler. Seine Filme, die er mit seiner Kamera aufnimmt, sind mehr als nur ein Hobby – sie sind Ausdruck einer Besessenheit, einer Macht, die er über andere ausüben will. Während Stoever und Brockmüller der Wahrheit näherkommen, verdichten sich die Schatten um Frohwein. Und plötzlich wird klar: Der Mordfall um Ragna Juhl ist nur die Spitze eines Eisbergs aus Vergangenheitsschuld und verdrängter Geschichte, der tief in die dunkelsten Kapitel deutscher Vergangenheit reicht…
Hinter den Kulissen
„Armer Nanosh“ wurde als 220. Folge der Tatort-Reihe am 9. Juli 1989 erstmals ausgestrahlt. Der Film markiert den 11. Fall für Kriminalhauptkommissar Paul Stoever (Manfred Krug) und den 8. Fall für Peter Brockmöller (Charles Brauer). Regie führte der aus der Tschechoslowakei stammende Stanislav Barabas, der mit seiner einfühlsamen Bildsprache der komplexen Geschichte einen besonderen visuellen Rahmen gab.
Das Drehbuch stammt aus der Feder des renommierten deutschen Schriftstellers Martin Walser („Ein fliehendes Pferd“) und Asta Scheib. Es erschien im selben Jahr auch als Kriminalroman. Die Hauptrollen wurden neben Krug und Brauer mit Juraj Kukura als Valentin Sander/Nanosh, Renate Krößner als Ragna Juhl und Edgar Selge als Heinrich Frohwein besetzt. Für die musikalische Atmosphäre sorgten die Musiker Titi Winterstein und seine Band, darunter Häns’che Weiss, die im Film zu sehen und zu hören sind.
Der NDR-Tatort „Armer Nanosh“ sorgte nach seiner Ausstrahlung für kontroverse Diskussionen. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma kritisierte den Film wegen seiner vermeintlich folkloristischen Verklärung und der Darstellung von Vorurteilen gegenüber der Minderheit. Im historischen Kontext ist bemerkenswert, dass die Folge kurz vor dem Fall der Berliner Mauer produziert wurde und somit den letzten gemeinsamen Fall des Ermittler-Duos Stoever und Brockmöller vor der politischen Wende in Deutschland darstellt.
In filmhistorischer Betrachtung nimmt „Armer Nanosh“ eine besondere Stellung ein, da er über den gewöhnlichen Kriminalfall hinaus gesellschaftskritische Themen wie Identität, Herkunft und die Nachwirkungen der NS-Zeit beleuchtet – Themen, die Martin Walser später in seiner umstrittenen Rede in der Frankfurter Paulskirche 1998 mit dem bekannten Begriff der „Moralkeule“ erneut aufgreifen sollte.
Die erste halbe Stunde dachte ich immer wieder ich bin im falschen Film, wer denkt sich so eine Handlung aus?! Schwächster Tatort mit Top-Besetzung, nicht sehenswert, dafür überzeugen fast alle anderen Stoever/Brockmöller Tatorte, ein schlechter ist halt immer dabei.
Der schwächste Tatort Krimi mit Manfred Krug und Charles Brauer, bei den vielen Folgen ist ein schlechter wahrscheinlich nicht vermeidbar.
wirkilich toll
Der Tatort Nummer 220 mit den Hauptkommissaren Stoever und Brockmöller aus Hamburg. Ermittelt wird der begangene Mord an einer Frau. Aber vorsichtig!! Ja, ansonsten will hier jemand auf Kosten der Zuschauer seine Aufmerksamkeit wecken. Einmal gesehen, nein zweimal, den kenne ich noch aus der Erstsendung, wird es dabei auch bleiben. Brocki und Stoevi aber wieder einmal die Träger des Rahmens. Das Drehbuch war von Walser, Regie führte Barabas.
Ausnahmen bestätigen bekanntlicherweise die Regel. So verhält es sich auch mit dieser Tatort-Folge. Denn alle anderen mit Stöver und Brocki sehe ich jederzeit gerne wieder – anders als dieses klischeebehaftete Werk. Und was will uns Martin Walser eigentlich mit dem Ende sagen, wo sich der bürgerlich aufgewachsene Sohn des Nanosch mit den Musikerkumpels auf Tour begibt, weil er gar nicht anders kann? „Steckt eben im Blut“ oder was ist die Message?
Nicht wirklich sehenswert, das Klo beim durchspülen beobachten ist interessanter…
Au weia. Das tut echt weh!
Dieses Niveau ist kaum zu unterbieten.
Dieser Tatort aus Hamburg mit Kommissar Stoever bleibt mir immer in Erinnerung. Egal wo ich Juraj Kukura ich denke automatisch an Armer Nanosh. Juraj Kukura spielt den Valentin „Nanosh“ Sander wirklich grandios. Ein besonderer Tatort, der sich viel Zeit lässt. Fast 50 Minuten dauert es bis Manfred Krug auftaucht. Eine Perle. 5 Sterne