Kurz und knapp – darum geht’s
In der sächsischen Stadt Dresden verschwindet die junge Katja Beck kurz vor der Hochzeit ihrer Mutter mit dem polnischen Bauarbeiter Daniel Tuskiewitsch. Hauptkommissar Bruno Ehrlicher und sein Kollege Kain ermitteln zwischen einer Serie ungelöster Sexualverbrechen und rätselhaften Spuren am Bootshaus der Familie Beck, wo Katja zuletzt gesehen wurde. Als der Fall eine fremdenfeindliche Dynamik in der Kleinstadt auslöst und Daniel Tuskiewitsch unter Verdacht gerät, setzen die Ermittler eine verhängnisvolle Kettenreaktion in Gang, die sie selbst nicht mehr aufhalten können…
Inhalt der Tatort-Folge „Ein Fall für Ehrlicher“
Graue Häuserfassaden unter bleigrauem Himmel – durch die ruhigen Straßen Dresdens fährt Hauptkommissar Bruno Ehrlicher, ein Mann der alten Schule, dessen mürrisches Gesicht seine Erfahrungen aus Jahrzehnten im Polizeidienst widerspiegelt. Die Wiedervereinigung hat seine Heimat verändert, und nun steht ihm auch noch der arrogante Dienststellenleiter Veigl, ein Bayer, vor der Nase, der offenbar glaubt, den Ostdeutschen erst beibringen zu müssen, wie richtige Polizeiarbeit funktioniert. „Den Unterschied zwischen einem Verbrecher aus dem Osten und einem aus dem Westen müssen Sie mir erst noch erklären“, knurrt Ehrlicher, während sein junger Kollege Kain nur mühsam ein Schmunzeln unterdrücken kann.
Der Fall Katja Beck führt die beiden Ermittler zu einem Bootshaus am Elbufer, wo ein Angler Schreie gehört hat. Die Spurensicherung findet Blut an einem der Boote – ein ungutes Zeichen. Der Verdacht fällt schnell auf Daniel Tuskiewitsch, einen polnischen Bauarbeiter, der kurz vor der Hochzeit mit Katjas Mutter Anne steht. Die Ermittlungsarbeit gleicht einem Eiertanz: Einerseits drängt Veigl auf einen Zusammenhang mit einer Reihe von Sexualdelikten, andererseits scheinen die Tatumstände nicht zusammenzupassen – wie ein Puzzle, bei dem jemand die Teile aus verschiedenen Schachteln vermischt hat.
Parallel zu den Ermittlungen führt uns der Fall in Ehrlichers Privatleben: Der Kommissar steht in einem ungeklärten Konflikt mit seinem Sohn Tommi, der die alte, zu DDR-Zeiten mühevoll errichtete Veranda abreißt, um eine Kneipe zu eröffnen. Dieser Generationenkonflikt spiegelt im Kleinen den Umbruch wider, den die gesamte Gesellschaft durchlebt – das Alte muss weichen, ob man will oder nicht.
Die Inhaftierung von Daniel Tuskiewitsch setzt in der kleinen Stadt eine unheilvolle Dynamik in Gang. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht, und latente Fremdenfeindlichkeit bricht sich Bahn. „Polensau“ steht an der Wand des Bootshauses, Kollegen auf der Baustelle wenden sich ab. In den frostigen Gesichtern der Anwohner ist die Verurteilung bereits gefällt, lange bevor die Ermittler die Wahrheit kennen. Als Katja schließlich wieder auftaucht, scheint der Fall eine Wendung zu nehmen. Doch was die Ermittler vorfinden, als sie zum Bootshaus eilen, übersteigt ihre schlimmsten Befürchtungen…
Hinter den Kulissen
„Ein Fall für Ehrlicher“ markiert einen historischen Meilenstein in der Geschichte des Tatorts: Als erste Folge aus den neuen Bundesländern wurde der Film vom Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) produziert und am 19. Januar 1992 im Ersten ausgestrahlt. Die Dreharbeiten fanden vom Spätsommer bis Herbst 1991 in Dresden und Umgebung statt, unter anderem in der Nähe des berühmten „Blauen Wunders“, der Loschwitzer Brücke über die Elbe.
Unter der Regie von Hans-Werner Honert, der auch das Drehbuch verfasste, feierten Peter Sodann als Hauptkommissar Bruno Ehrlicher und Bernd Michael Lade als sein Assistent Kain ihr Debüt als Ermittlerteam. Die Idee für einen „Ostkrimi“ entstand bei den Dreharbeiten zum Film „Trutz“, an dem sowohl Honert als auch Sodann und Lade beteiligt waren. Mit dem Ende des Deutschen Fernsehfunks (DFF) und der Gründung des MDR konnte das Projekt schließlich verwirklicht werden.
In Gastrollen waren unter anderem Gustl Bayrhammer als Dienststellenleiter Veigl (eine Figur, die Bayrhammer bereits von 1972 bis 1981 in 15 Münchner Tatort-Folgen verkörpert hatte), Aleksander Trabczynski als Daniel Tuskiewitsch, Rita Feldmeier als Anne Beck und Claudia Stanislau als Katja zu sehen. Walter Nickel, der später als Kriminaltechniker zum festen Ensemble gehören sollte, hatte hier ebenfalls seinen ersten Auftritt.
Die Erstausstrahlung war ein voller Erfolg: 12,19 Millionen Zuschauer verfolgten den Fall, was einem beachtlichen Marktanteil von 35,70 Prozent entsprach. Die Kritiker lobten den „spannenden Einstand“ und die TV Spielfilm befand: „Die Osterweiterung hat sich gelohnt!“ Aus dem ersten Fall sollte eine erfolgreiche Reihe werden – insgesamt 45 weitere Fälle ermittelten Ehrlicher und Kain gemeinsam, zunächst in Dresden und später in Leipzig.
Eine interessante Randnotiz: Kain trägt in diesem ersten Fall noch den Rang eines Unterkommissars – eine Dienstbezeichnung, die es nur bei der Deutschen Volkspolizei gab und die nach der Wiedervereinigung eigentlich nicht mehr existierte. Ein kleines Detail, das den historischen Übergangscharakter dieser ersten ostdeutschen Tatort-Folge zusätzlich unterstreicht.
Besetzung
Hauptkommissar Bruno Ehrlicher – Peter Sodann
Kain – Bernd-Michael Lade
Daniel Tuskiewitsch – Aleksander Trabczynski
Anne – Rita Feldmeier
Katjas Vater – Detlev Heintze
Karl – Bert Franzke
Sexualtäter – Axel Reinshagen
Katja – Claudia Stanislau
Lore Ehrlicher – Monika Pietsch
Leiter der Dienststelle – Gustl Bayrhammer
Stab
Drehbuch – Hans-Werner Honert
Regie – Hans-Werner Honert
Bilder: MDR
Juhu…ein Tatort mit Ehrlicher und Kain…Für mich sowieso ein Skandal, dass man Herrn Sodann damals abgesägt hat, weil er angeblich zu „alt“ sei. Für mich waren Ehrlicher und Kain mit die besten Tatort – Kommissare!
Dies nervt: überall steht startzeit 22:35, aber der Programm hat in diese Zeit schon längst angefangen! Nur im Teletext steht eine andere Zeit: 22:05… Grrrrrrrrrrrrr
Dresden, nicht Leipzig! Und dieses dauernde „im Tatort “ in sämtlichen Beschreibungen nervt gewaltig, wenn ich das mal sagen darf.
Der erste Fall für Ehrlicher, meiner Meinung nach ziemlich langweilig, der einzige Höhepunkt ist der Leiter der Dienststelle mit seinem Dackel Oswald.
Sehr trauriger Tatort, aber gut. Schade dass es Kain und Ehrlicher nicht mehr gibt als Team.
Da habt ihr nen Verhauer drin: Die ersten Folgen mit Ehrlicher spielen in Dresden und nicht in Leipzig. Auch die Landeshauptstadt ist und war schon immer Dresden und nicht Leipzig wie Ihr da schreibt. Korrigiert das mal.
Der Film an sich ist gut gemacht, wenn er auch ein wenig seltsam anmutet. Die Figuren noch ein wenig unterentwickelt aber schöne Bilder aus dem Nachwende-Dresden.
Der Tatort mit der Nummer 253 aus Dresden. Das Ermittler-Duo Ehrlicher und Kain, zwei Kommissare der dortigen Mordkommission, treten erstmalig in Erscheinung. Den beiden „Ossi“-Polizeibeamten wird als Dienststellenleiter ein bekannter „Wessi“-Kommissar vorgesetzt, Veigl aus München kommt nach Dresden. Ja, ja, so war es nun einmal Anfang der 1990iger Jahre in den neuen Beitrittsgebieten. Die alten Kader wurden gegangen oder eins runtergesetzt, andere übernahmen das belehrende Ruder. Der Tatort-Spielfilm entwickelt sich schnell zum langsamen Fernseh-Spielfilmchen. Die beiden, E. & K., ermitteln in einem satten Familiendrama, durch das der gelehrige Zuschauer erst einmal durchblicken muss. Durchaus sehenswert, der Neugier wegen. Man muss diese beiden Slapsticks halt mögen oder auch nicht.
Heute schon ein Zeitdokument, diese erste Folge aus Dresden zeigt den damals noch sehr trist wirkenden Ostteil Deutschlands kurz nach der Wende. Der Mief vom „real existierenden Sozialismus“ ist noch sehr gut zu wittern. Jede Menge Trabis, Wartburgs und andere DDR-Fahrzeuge sind zu sehen, auch schrottreife Exemplare. Ehrlicher wirkt weniger entspannt, wie man ihn aus späteren Folgen kennt. Der Fall an sich ist nichts besonderes, eher fast Nebensache. Nicht schlecht fand ich den Gastauftritt vom bayrischen Urgestein Veigl, der als „Besser-Wessi“ agiert und die nette Nacktszene am Anfang ;-)
Fantastischer Start für Ehrlicher und Kain. Ohne Zweifel gehört dieser Filmkrimi zu meinen Lieblings Tatortfolgen aufgrund der schönen Bilder aus Dresden, dem schönen 90er Wendezeit Feeling und dem tollen Veigl.
Gestern mal wieder gesehen. Ist schon ein großer Sprung ins Dresden des Jahres 1992: Diese Verhaltensweisen (Rauchen von jedem/jeder und natürlich überall, insbes. in den Innenräumen), gefilmter Beischlaf des Kommissars unter der Tuchent (!) – wenigstens hat er in diesem Moment seine braune Schweinsleder-Aktentasche aus der Hand gelegt – diese Autos und diese Frisuren …
Ein Film wie ein Museumsbesuch!
Sehr langweiliger Tatort und auch handwerklich schlecht gemacht. Den zweiten Stern gibt es für das Wendezeit-Flair.