Tatort Folge 263: Unversöhnlich

Kurz und knapp – darum geht’s

Der Industrielle Erwin Joest wird nach einem Rendezvous mit seiner Geliebten entführt, sein Chauffeur erschossen. Kommissar Flemming und sein Team stoßen bei den Ermittlungen auf eine Mauer des Schweigens – sowohl beim reichen Unternehmer selbst als auch bei seiner Familie. Selbst nach der Lösegeldzahlung und seiner Freilassung verweigert Joest jede Mithilfe bei der Suche nach den Tätern. Als die Kommissare den verworrenen Familienbeziehungen auf den Grund gehen, entdecken sie ein lang gehütetes Geheimnis, das plötzlich alle zu Verdächtigen macht …

Inhalt der Tatort-Folge „Unversöhnlich“

Im strömenden Regen betritt Erwin Joest das wartende Auto seines Chauffeurs, nachdem er die Nacht bei seiner jungen Geliebten verbracht hat. Das Knirschen von Schritten auf nassem Asphalt, ein plötzlicher Überfall – zwei vermummte Gestalten zerren den wohlhabenden Industriellen aus dem Wagen. Ein Schuss peitscht durch die Dunkelheit und trifft den Fahrer tödlich, während die Entführer mit ihrem Opfer in einem Transporter verschwinden. Nur die roten Rücklichter, die im Regenschleier verschwimmen, bleiben als stumme Zeugen zurück.

Als Kriminalhauptkommissar Flemming in der luxuriösen Villa der Joests eintrifft, begegnet er einer Familie, deren Distanziertheit beinahe greifbar ist. Der Sohn Markus wirkt seltsam beherrscht, seine Frau Anita verschlossen und die alte Frau Joest stoisch-gefasst. „Wir zahlen selbstverständlich“, sagt Dorothea Joest mit einer Stimme, kalt wie Marmor, als die Entführer 5 Millionen Mark fordern. Flemmings Instinkt sagt ihm sofort: Hier stimmt etwas nicht.

Die Lösegeldübergabe gleicht einem modernen Katz-und-Maus-Spiel. Über Laptop und Modem dirigieren die Entführer Flemmings Kollegen Ballauf durch mehrere Züge, bis er den Geldkoffer schließlich aus dem Fenster eines fahrenden Schnellzugs werfen muss. „Wie Schatten zwischen Schatten“ bewegen sich die Täter und holen ihre Beute ein, ohne Spuren zu hinterlassen. Die technisch raffinierte Übergabe über Computer und Telefon in einer der markanten Düsseldorfer Telefonzellen auf der mondänen Königsallee deutet auf Täter hin, die wissen, was sie tun.

Während Flemming und seine Kollegin Koch einen vorbestraften Freund von Joests Geliebter observieren, wird der entführte Industrielle von seinen Peinigern gedemütigt. „Iss den Fisch!“, befiehlt einer der Entführer mit eisiger Stimme, obwohl er genau weiß, dass Joest Fisch verabscheut. Es scheint, als ginge es hier um mehr als nur Geld.

Als Joest schließlich freigelassen wird, verweigert er jede Kooperation. Seine Augen blicken kalt, als Flemming ihn nach den Tätern fragt. „Da war nichts zu erkennen“, behauptet er, obwohl der Kommissar spürt, dass Joest lügt. Die Familienmitglieder schweben wie Geister durch die weitläufigen Räume der Villa – jeder scheint ein Geheimnis zu hüten.

Erst als ein neuer Erpressungsversuch die Familie erreicht und kurz darauf Erwin Joest erschossen in seinem Wohnzimmer aufgefunden wird, beginnt die Fassade zu bröckeln. Die Schüsse, die in der Nacht durch das noble Anwesen hallten, haben mehr getroffen als nur den tyrannischen Unternehmer. Sie haben ein Netz aus Lügen zerrissen, hinter dem sich eine Geschichte von Macht, Kontrolle und Demütigung verbirgt. „Ich habe ihn erschossen“, gesteht Dorothea Joest mit einer Stimme, die plötzlich lebendig wirkt, als hätte sie eine schwere Last abgelegt.

Doch die wahre Überraschung kommt, als Flemming die verstörenden Familienverhältnisse aufdeckt: wie Vater Joest vor Jahren seinen Sohn zwang, die eigene Geliebte zu heiraten und deren Kind als seines anzuerkennen. Die Erkenntnis trifft Flemming wie ein Schlag – die Entführung war nie ein gewöhnliches Verbrechen gewesen, sondern der verzweifelte Versuch einer Familie, sich aus den Ketten eines Tyrannen zu befreien.

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Unversöhnlich“ wurde vom Westdeutschen Rundfunk produziert und am 4. Oktober 1992 erstmals im Ersten ausgestrahlt. Es handelt sich um den zweiten Fall des Düsseldorfer Ermittlerteams Flemming, Koch und Ballauf, verkörpert von Martin Lüttge, Roswitha Schreiner und Klaus J. Behrendt.

Die Dreharbeiten fanden in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf statt, wobei besonders die Szenen an der berühmten Königsallee hervorzuheben sind. Die ikonischen Telefonzellen, die in einer Schlüsselszene der Lösegeldübergabe zu sehen sind, wurden 1985 aufgestellt und existierten bis zu ihrem Abbau im Jahr 2013 – ein Stück Stadtgeschichte, das in diesem Tatort festgehalten wurde.

Unter der Regie von Ilse Hoffmann, für die „Unversöhnlich“ der erste Tatort war, agierten namhafte Schauspieler wie Heinz Baumann als Industrieller Erwin Joest, Hannelore Hoger als seine Frau Dorothea, Christoph M. Ohrt als Sohn Markus und Andrea Sawatzki als Schwiegertochter Anita.

Das Drehbuch stammte von Norbert Ehry, der später auch für Produktionen wie „Unter Verdacht – Wölfe und Lämmer“ sowie „Schlaflos“ verantwortlich zeichnete. Die Erstausstrahlung erreichte beeindruckende 11,63 Millionen Zuschauer und damit einen Marktanteil von 38 Prozent – Zahlen, von denen heutige TV-Produktionen nur träumen können.

Bemerkenswert ist zudem, dass Klaus J. Behrendt, der in „Unversöhnlich“ noch als Flemmings Kollege Max Ballauf zu sehen war, nach dem Ausscheiden von Flemming selbst zum Hauptkommissar aufstieg. Noch heute ermittelt er zusammen mit Dietmar Bär als eines der beliebtesten Tatort-Duos in Köln.

Die Folge steht exemplarisch für die frühen 1990er Jahre – eine Zeit, in der sich Deutschland nach der Wiedervereinigung im Umbruch befand und auch die Krimireihe Tatort zunehmend gesellschaftliche Themen und familiäre Abgründe in den Fokus rückte.

Videos zur Produktion

ARD Plus Trailer

Besetzung

Hauptkommissar Bernd Flemming – Martin Lüttge
Kommissarin Miriam Koch – Roswitha Schreiner
Hauptmeister Max Ballauf – Klaus J. Behrendt
Erwin Joest – Heinz Baumann
Dorothea Joest – Hannelore Hoger
Markus Joest – Christoph Marius Ohrt
Ute Vonhoff – Katharina Abt
Dieter Ahrweiler – Uwe Rohde
Kriminalrat Tejung – Dirk Galuba
Anita Joest – Andrea Sawatzki
u.a.

Stab

Buch – Norbert Ehry
Regie – Ilse Hofmann
Musik – Andreas Köbner
Kamera – Wolfgang Dickmann
Szenenbild – Petra Heim

4 Kommentare

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  1. vor 10 Jahren

    Der Tatort Nummer 262, der Düsseldorfer Kommissare. Bislang ohne eine Meinung, eher ungewöhnlich. Und ungewöhnlich ist auch dieser Tatort-Fall. Ein Unternehmer, Ende der Fünfziger, gemein und brutal, verbal unterste Stufe zur Familie, hält sich eine junge Geliebt, zahlt Wohnung und Gehalt für Besuche, zweimal die Woche kommt der. Dann seine Entführung, wobei sein Fahrer erschossen wird. Dubois der Fall, trotz Zahlung des Lösegeldes wird er vorab gequält und gedemütigt. Dem aufmerksamen Tatort-Gucker schwant schon etwas. Hauptkommissar Flemming ermittelt mit gewohnter kriminalpolizeilicher Kleinarbeit. Anders kommt er in diesem Fall auch nicht weiter. Rückendeckung bekommt er vom Polizeirat, auf sein eigenes Team muß er eher aufpassen. Die Lösung des Falles erinnert ein wenig an Edgar Allen Poes Drama, der Untergang des Hauses Usher. Tragik pur. Aber die Hunde, die konnten nun wirklich nichts dafür.

  2. vor 4 Jahren

    Ballauf als Milchbub, schöner Tatort aus der 90er.

  3. vor 3 Jahren

    Der Alt-Tatort Nummer 263 aus, tatsächlich, dem Jahr 1992. Tragik pur und dennoch sehenswert.
    Die Meinung vom 20.06.2015 halte ich.

  4. vor 3 Jahren

    Ein klasse Tatort aus Düsseldorf. Stelldichein von heute noch aktiven Schauspielern und Schauspielerinnen. Lehrjahre von Max Ballauf. Roswitha Schreiner und Martín Lüttge vervollständigen das Team. Absolut sehenswert! Da sollte heutige Drehbuchautoren mal die eine oder andere Anregungen generieren!

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