Kurz und knapp – darum geht’s

In einer Münchner Neubausiedlung wird der Konditor Andreas Mauritz erschossen aufgefunden – ein scheinbar unspektakulärer Fall, der die Kommissare Batic und Leitmayr jedoch bald in das düstere Milieu des Heiratshandels mit thailändischen Frauen führt. Seine Witwe Sita, die mit ihrer kleinen Tochter Soey in Deutschland lebt, wirkt verstört und versucht ihre Angst mit asiatischen Ritualen zu bannen, was die Ermittler zunächst nicht verstehen können. Als die Kommissare auf immer mehr Fälle von vermittelten Thailänderinnen stoßen, deren Kinder von ihren deutschen Ehemännern missbraucht werden, enthüllt sich ihnen ein erschreckendes System – und sie müssen eine moralisch schwierige Entscheidung treffen, die ihre Berufsethik auf eine harte Probe stellt.

Inhalt der Tatort-Folge „Frau Bu lacht“

Schlaflos wandert Franz Leitmayr durch die kalten, sterilen Flure einer Münchner Neubausiedlung, das künstliche Licht der Überwachungskameras wirft harte Schatten auf die Betonwände. Der Leichnam des Konditors Andreas Mauritz wurde hier im Gemeinschaftsraum gefunden – erschossen aus nächster Nähe, ein blutiger Kontrast zur klinischen Sauberkeit der Umgebung.

Als Leitmayr und sein Kollege Ivo Batic die Wohnung des Opfers betreten, empfängt sie eine fremdartige Welt: überall Schmetterlinge an den Wänden, der Duft von Räucherstäbchen liegt in der Luft. Die thailändische Ehefrau des Toten, Sita, kauert in einer Ecke und murmelt seltsame Beschwörungsformeln, während die kleine Tochter Soey schweigend daneben sitzt. Batic, der sonst so robuste Ermittler, wirkt plötzlich hilflos angesichts dieser Fremdheit, die er nicht zu durchdringen vermag. „Verstehen Sie mich?“, fragt er Sita, doch ihre Antworten sind bruchstückhaft, von Angst durchsetzt.

„Menschen kann man nicht verschenken“, notiert sich Leitmayr in sein Notizbuch, nachdem sie herausfinden, dass das Ehevermittlungsinstitut „Flügel“ auf Frauen mit kleinen Kindern spezialisiert ist. Die Fahndung nach den Hintergründen des Mordes gleicht der Suche nach dem Weg durch ein Labyrinth, dessen Gänge nach Thailand, in die bayerische Provinz Traunstein und wieder zurück nach München führen. Während draußen ein Gewitter über der Stadt aufzieht, schleust sich Batic als vermeintlicher Kunde beim Eheinstitut ein – und stößt auf eine erschreckende Geschäftspraxis, bei der die vermittelten Frauen und ihre Kinder ihren deutschen Ehemännern in den ersten Jahren völlig ausgeliefert sind.

„Die nehmen den Schmetterlingsflügel und verändern ihn, damit man ihn nicht mehr erkennt“, sagt der thailändische Student Crickett zu Batic, als dieser ihn nach der Bedeutung der Schmetterlinge in Sitas Wohnung fragt. Ein Satz, der symbolisch für das Schicksal der vermittelten Frauen steht. Parallel dazu sucht Leitmayr die geflohene Thailänderin Dim in Traunstein auf – eine neonbeleuchtete Tanzbar am Stadtrand, in der Dim arbeitet, wirkt wie eine verwelkte Blume in der bayerischen Provinz. Als sie ihm von den Missbrauchserfahrungen ihrer Tochter erzählt, verdichten sich für die Kommissare die Hinweise auf ein System des organisierten Kindesmissbrauchs.

In der Nacht verschwinden Sita und ihre Tochter plötzlich, vermeintlich geflüchtet. „Ich verstehe jetzt, warum Frau Bu lacht“, sagt Soey zu ihrer Mutter, als sie die Märchenbücher zusammenpackt – ein Satz, der für die Ermittler zunächst rätselhaft bleibt, aber bald eine tiefere Bedeutung offenbart.

Die Verhörszene mit Dr. Zimmer bringt Batic an seine Grenzen. „Das ist in Thailand normal“, behauptet der Anwalt mit kühler Selbstgerechtigkeit über den Missbrauch kleiner Mädchen. Ein Gewitter zieht über München herauf, dumpfes Donnergrollen begleitet die moralischen Abgründe, in die die Kommissare blicken müssen.

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Frau Bu lacht“ wurde anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Reihe im Jahr 1995 vom Bayerischen Rundfunk produziert. Regisseur Dominik Graf, damals bereits bekannt für seinen visuell eigenwilligen Stil bei „Der Fahnder“, schuf gemeinsam mit Drehbuchautor Günter Schütter und Kameramann Benedict Neuenfels einen Film, der die Grenzen des im Fernsehen Machbaren auslotete. Die Dreharbeiten fanden in München statt und wurden von Graf bewusst mit unkonventionellen Kameratechniken inszeniert – bizarre Raumperspektiven, identische Bildfolgen und filmische Totalen, wie man sie sonst nur aus dem Kino kennt.

In den Hauptrollen überzeugten Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl als eingespieltes Ermittlerduo, unterstützt von einem herausragenden Ensemble: Barbara-Magdalena Ahren als mütterliche Freundin der Kommissare, Ulrich Noethen als kaltblütiger Kinderschänder und Maverick Quek als durchtriebener thailändischer Berater.

Die Erstausstrahlung am 26. November 1995 erreichte 8,06 Millionen Zuschauer und einen Marktanteil von 23,0 Prozent für Das Erste. Der Film erhielt überschwängliche Kritiken und wurde unter anderem mit dem Preis für den Besten deutschen Film bei den 29. Hofer Filmtagen sowie dem Goldenen Gong ausgezeichnet. Die Fernsehkritikerin Klaudia Wick zählt „Frau Bu lacht“ zu den großen sozialkritischen Tatort-Folgen, und der Spiegel befand, dass der Tatort „präziser als die meisten deutschen Kinothriller ist, aber längst nicht so kalt“. Viele Kritiker betonten die Intelligenz und Sensibilität, mit der sich Graf dem schwierigen Thema Kindesmissbrauch näherte. Christian Buß urteilte 2013 rückblickend: „Viele halten den Krimi von 1995 für den besten ‚Tatort‘ aller Zeiten.“

Nach der Ausstrahlung kursierten Diskussionen über die ungewöhnliche Erzählweise des Films, die sich deutlich vom damaligen TV-Standard abhob. Regisseur Graf selbst sah seine Ästhetik allerdings nicht als besonders unkonventionell an: „Die Ästhetik halte ich nicht für so wahnsinnig unkonventionell. Höchstens gemessen am Mainstream, dessen Filmsprache konventioneller geworden ist, wirkt das so.“

Besetzung

Kommissar Ivo Batic – Miro Nemec
Kommissar Carlo Menzinger – Michael Fitz
Kommissar Franz Leitmayr – Udo Wachtveitl
Sita Mauritz – Anna Villadolid
Dr. Zimmer – Ulrich Noethen
Evangelina – Petra Kleinert
Jenny – Barbara-Magdalena Ahren
Crickett – Maverick Quek
u.a.

Stab

Regie – Dominik Graf
Kamera – Benedict Neuenfels
Buch – ünter Schütter
Musik – Dominik Graf und Helmut Spanner

Bilder: HR/BR