Tatort Folge 486: Hasard

Kurz und knapp – darum geht’s

Ein grausamer Fund erschüttert Hamburg: In einem Waldstück wird die Leiche des Softwareunternehmers Michael Scholten entdeckt – an einen Baum gefesselt und mit vier Schüssen in den Oberkörper regelrecht hingerichtet. Hauptkommissar Jan Casstorff und sein Team stoßen schnell auf zahlreiche Verdächtige, denn Scholtens Firma stand kurz vor dem finanziellen Aus, was viele Anleger in den Ruin getrieben hätte. Als der Staatsanwalt Peter Fröhlicher den Fall an das BKA übergeben will, wittern die Ermittler Ungereimtheiten und stoßen auf ein brisantes Geheimnis im Privatleben des Opfers. Als Casstorff die Identität von Scholtens Geliebter enthüllt, gerät er selbst in tödliche Gefahr…

Inhalt der Tatort-Folge „Hasard!“

Nebelschwaden ziehen durch den Hamburger Wald, als die Polizei an einem regennassen Morgen den Tatort absperrt. Kriminalhauptkommissar Jan Casstorff starrt auf die Leiche des Softwareunternehmers Michael Scholten, der mit nacktem Oberkörper an einen Baum gefesselt wurde. Vier Einschusslöcher zieren seine Brust – drei davon offensichtlich abgegeben, nachdem er bereits tot war. Eine Hinrichtung? Casstorff reibt sich müde die Augen. Der Fall könnte sein ohnehin kompliziertes Privatleben noch weiter durcheinanderwirbeln.

Mit seinen Kollegen Oberkommissar Eduard Holicek und Kommissarin Jenny Graf begibt sich Casstorff auf Spurensuche. Der Kommissar wirkt distanziert, fast schon kühl in seiner Herangehensweise, was seine innere Zerrissenheit nur mühsam verbirgt. Sein Sohn Daniel fühlt sich vernachlässigt, während Casstorffs Ex-Frau nach fünfzehn Jahren Abwesenheit plötzlich wieder auftaucht und Kontakt zu ihrem Kind sucht. Der Kommissar steht zwischen den Stühlen – einerseits will er für seinen Sohn da sein, andererseits treibt ihn der Fall voran wie ein Schiff im Sturm.

Die Ermittlungen offenbaren schnell, dass Scholtens Unternehmen vor dem Ruin stand. „Scholtens Firma war wie ein Kartenhaus“, erklärt Holicek trocken, während er durch Aktenberge wühlt, „und er wusste, dass der erste Windstoß alles zum Einsturz bringen würde.“ Der Wind kam in Form von riskanten Geschäften, die viele Menschen in den finanziellen Abgrund rissen. Der Tankwart Roland Pötschke verlor sein gesamtes Erspartes durch einen Tipp Scholtens – ein starkes Motiv. Ebenso verdächtig: Scholtens Geschäftspartner Manfred Feurer, mit dem er zuletzt heftig gestritten hatte.

In den Verhören prallen die Welten aufeinander wie Billardkugeln. „Ich wollte ihn zur Rede stellen, nicht umbringen“, beteuert Pötschke mit zitternder Stimme. Die Hamburger Hafenkneipen, in denen Casstorff nach Informationen sucht, wirken im fahlen Licht wie ausgebrannte Hüllen vergangener Zeiten – genau wie Scholtens Firma, deren glänzende Fassade längst bröckelte.

Der Oberstaatsanwalt Peter Fröhlicher drängt mit ungewöhnlichem Nachdruck darauf, den Fall an das BKA abzugeben. „Die Sache ist größer als Sie denken, Casstorff“, behauptet er mit seltsam nervösem Unterton. Doch der Kommissar lässt nicht locker. Seine Hartnäckigkeit führt ihn zu Scholtens Witwe, die überraschend gelassen wirkt. „Wir hatten eine offene Ehe“, erklärt sie mit kühler Stimme, „Michael hatte seit einigen Wochen eine Affäre.“

Die Suche nach der mysteriösen Geliebten gleicht dem Versuch, einen Schatten zu fangen. In akribischer Kleinarbeit spürt Casstorff das Hotel auf, in dem sich Scholten mit seiner Geliebten traf. Als er ein Phantombild der Frau erstellen lässt, beschleicht ihn ein ungutes Gefühl. Das Gesicht kommt ihm bekannt vor – doch woher? Während das BKA Manfred Feurer am Flughafen festnimmt und der Fall gelöst scheint, erkennt Casstorff plötzlich die Wahrheit hinter der Fassade. Eine Wahrheit, die ihn in Lebensgefahr bringen wird…

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Hasard!“ wurde vom Norddeutschen Rundfunk produziert und in Hamburg sowie der Umgebung der Hansestadt gedreht. Die Ausstrahlung am 18. November 2001 im Ersten erreichte beachtliche 8,5 Millionen Zuschauer und einen Marktanteil von 23,5 Prozent.

Für Hauptdarsteller Robert Atzorn war es erst der zweite Fall als Kriminalhauptkommissar Jan Casstorff, nachdem er die populären Vorgänger Manfred Krug und Charles Brauer als Kommissare Stoever und Brockmöller abgelöst hatte. An seiner Seite ermittelten Tilo Prückner als Oberkommissar Eduard Holicek und Julia Schmidt als Kommissarin Jenny Graf.

Regisseur und Drehbuchautor Thomas Bohn hat sich einen besonderen Cameo-Auftritt gegönnt: In der 17. Minute des Films ist er selbst zu sehen, wie er von zwei Polizisten abgeführt wird und dabei Kommissar Holicek verbal angreift. Eine amüsante Randnotiz für aufmerksame Zuschauer.

Die Episode „Hasard!“ fiel in eine Zeit des Umbruchs für den Hamburger Tatort. Nach dem beliebten Ermittlerduo Stoever und Brockmöller musste sich Casstorff erst beim Publikum etablieren. Die Kritiken waren gespalten – während einige die neue, kühlere Ermittlerfigur schätzten, vermissten andere den Charme des Vorgängerteams. Nach der Ausstrahlung diskutierten Fans besonders über die wirtschaftskritischen Aspekte des Falls, der die Schattenseiten der New Economy beleuchtete – ein damals hochaktuelles Thema.

Videos zur Produktion

ARD Plus Trailer

Video 30 Sekunden aus den ersten 30 Minuten

Besetzung

Tilo Prückner (Eduard Holicek)
Julia Schmidt (Jenny Graf)
Fjodor Olev (Daniel Casstorff)
Nina Petri (Judith Vorbeck)
Hans Kremer (Peter Fröhlicher)
Dietrich Hollinderbäumer (Dr. Kevin Lohmann)
Nils Düwell
Nicole Leon
Eric Schäffler

Stab

Regie – Thomas Bohn
Buch – Thomas Bohn
Kamera – Axel Henschel
Schnitt – Inge Bohmann
Musik – Hans Franek · Saafi Brothers
Produktion – NDR

9 Kommentare

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  1. vor 11 Jahren

    Sehr spannend und interessant!

  2. vor 9 Jahren

    Der Tatort Nummer 486 aus Hamburg und der Hauptkommissar Casstorff ermittelt und lässt sich auch durch eine Entziehung des Falles davon nicht abhalten. Spannender Tatort-Thriller mit Familie und im kollegialen Angestellten- und Beamtenkreise spielend. Durchaus sehenswert. In der Erstausstrahlung gesehen, war dieser Tatort packend und spannungsgeladen. In den anfänglichen 2000ner Jahren waren Casstorff und sein Team mit die besten Tatort-Ermittler. Ehrlich.

  3. vor 8 Jahren

    Guter Zweiter Fall. Robert Atzorn mochte ich schon als Lehrer Specht im ZDF. Starke Schauspieler, spannender Fall und ganz klar ein Hamburg Tatort. Gut. Holicek Castorff passt

  4. vor 2 Jahren

    Neben Baudelaires „Blume des Bösen“ wird auch Bertolt Brechts „Kaukasischer Kreidekreis“ gern mal in einem TO zitiert (sh. etwa auch im Finale der TO-Folge ‚Hundstage‘):
    Wer um ein Kind mit Gewalt kämpft (es – im übertragenen Sinn – mit Gewalt aus dem Kreidekreis ziehen will), hat sich als Elternteil als nicht geeignet erwiesen und die Obsorge nicht verdient … (ist hier nur ein kleiner Nebenstrang)

    So kleine literarische ‚Leckerlis‘ gefallen mir (wenn sie passen)!

  5. vor 2 Jahren

    Mir hat der Tatort, den ich jetzt viele Jahre nach der Entstehung erstmals sehe, grundsätzlich gefallen. Er hatte eine menschliche Komponente, die mich überzeugte, ebenso ansprechend war das Spiel der Darsteller. Die Handlung mit dem Mord durch den Oberstaatsanwalt war etwas dünn gesponnen (darum meine Formulierung „grundsätzlich“), deshalb wurde parallel und ohne Zusammenhang die familiäre Situation des Kommissars und seines Sohnes mit eingeflochten. Der Strang mit der Muttererzählung und dem Hinweis auf Brechts „Kaukasischen Kreidekreis“ passte ebenfalls nur bedingt, denn die Hintergründe für das „Nicht-Kümmern“ der Mutter wurden nicht aufgeklärt und passten nicht zur Persönlichkeit der entsprechenden Person. Übrigens, das aber nur am Rande, dürfte das Urteil im Theaterstück von Brecht (nach biblischer Vorlage) als reine Klassenjustiz heute so nicht mehr gesprochen werden (wiederum abgesehen von den brutalen Aspekten der Urteilsfindung) , das nur am Rande. Das Kind bekam bei Brecht nicht die leibliche, sondern die sorgende „Mutter“.

  6. vor 2 Jahren

    der ARD Mediathek sei es gedankt , daß man sich deartig gut gemachten TO Produktionen nach über 20 Jahren anschauen kann ; was kam im Gegensatz zu diesem Streifen im Laufe der folgenden Jahre so alles aus Hamburg ??
    Durchaus sehr gefälliger HH TO – die literarische ‚Leckerlis‘ fand ich übrigens auch sehr gut – und aus heutiger Sicht : Tilo Prückner ist ja mit zunehmendem Alter in seinen Rollen immer quirliger geworden – z.B. die ganzen Filme mit Horst Krause oder auch die Rentnercops – schade , daß er schon verstorben ist . Für mich – schöner TO .

  7. vor 2 Jahren

    Da der letzte Kommentar nicht durchkam (warum auch immer), hier also noch mal:

    Wurde hier nur wg. Holicek geguckt! Castorff und seine leidige Familiengeschichte – geschenkt …
    Aber hier muß es angefangen haben, so um das Jahr 2006 herum, daß die Befindlichkeiten der Ermittler fast ebensoviel Raum einnahmen wie die eigentliche Handlung.

    @alter Fan ( tm )
    Tilo Prückner habe ich schon vom Beginn seiner Karriere verfolgt und stets gern gesehen, aber quirlig war der schon immer!
    Beginnend 1976 in der Krimigroteske „Bomber & Paganini“ zusammen mit Mario Adorf oder 1979 als rasender Reporter der ‚Werra-Post’in „Der Willi-Busch-Report“ von Niklaus Schilling (dazu gibt es übrigens eine wunderschöne Seite der produzierenden Visualfilm bei deutsches-filminstitut.de)

    Der hat ja unglaublich viel gespielt, sowohl in Kino- als auch TV-Produktionen – nicht zu vergessen „Adelheid und ihre Mörder“, wo er den mürrischen Kommissar Gernot Schubert an der Seite von Evelyn Hamann als Frau Möbius und Heinz Baumann als Chef Strobel spielte.

  8. vor 2 Jahren

    Schön, daß er nun erschienen ist – da kann ich gleich mal zwei Fehler korrigieren:
    Soll statt 2006 natürlich 2001 heißen (also um die Jahrtausendwende rum), und Casstorff natürlich mit Doppel-s!
    Namen müssen stimmen, hab ich mal gelernt – um bei dieser Gelegenheit doch gleich mal die fehlende Korrekturmöglichkeit zu monieren! Wenn ich die noch erleben dürfte im späteren Leben!

  9. vor 2 Jahren

    @Al.Ter – vielen Dank für die Info – da werd´ich demnächst nochmal zielgerichtet in diversen Medien stöbern – Tilo Prückner war schon ein genialer Typ , den ich in den mir bisher bekannten Produktionen sehr gerne gesehen habe .

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