Kurz und knapp – darum geht’s
Chaos im Hochsicherheitsgefängnis Stadelheim: Nach einer gescheiterten Geiselnahme stirbt der Häftling Nic Schuster an einer Überdosis Heroin, während seinem Zellengenossen Hassan Adub die vermeintlich unmögliche Flucht aus dem Knast gelingt. Die Münchner Kommissare Batic und Leitmayr müssen in der klaustrophobischen Welt hinter Gittern ermitteln, wo Hierarchien, Loyalitäten und Machtspiele eigenen Gesetzen folgen. Als sie herausfinden, dass die pflichtbewusste JVA-Beamtin Marie Hoflehner in den Fall verstrickt ist, ahnen sie nicht, wie weit eine Frau gehen würde, die von den Häftlingen als „Die Heilige“ verehrt wird…
Inhalt der Tatort-Folge „Die Heilige“
Wachtürme ragen in den grauen Himmel, Stacheldraht glitzert im Sonnenlicht, während gedämpfte Schreie durch die Betonflure der Justizvollzugsanstalt Stadelheim hallen. SEK-Männer nehmen Position ein. Der Gefangene Nic Schuster hält seinem Mithäftling Charly Bause einen Schraubenzieher an die Kehle und fordert ein Gespräch mit den Kommissaren Batic und Leitmayr – ausgerechnet jenen Männern, die ihn einst hinter Gitter gebracht haben.
Ivo Batic, sonst selten um klare Worte verlegen, setzt in diesem Umfeld auf behutsame Deeskalation. Franz Leitmayr versucht seine Nervosität zu verbergen, während er insgeheim nur daran denkt, wie schnell er wieder aus diesen klaustrophobischen Mauern entkommen kann. Der Geruch von industriellen Reinigungsmitteln, der vergeblich versucht, den Schweiß und die Verzweiflung zu überdecken, begleitet die beiden Kommissare, als sie in einem fensterlosen Kellerraum ihr provisorisches Ermittlungsbüro einrichten. Die Ratten aus der Kloschüssel werden zur Metapher für die unbequemen Wahrheiten, die im Laufe der Ermittlungen an die Oberfläche drängen.
Die JVA-Beamtin Marie Hoflehner bewegt sich wie ein Fels im Sturm durch das Chaos des Gefängnisalltags. Ihre Autorität ist unbestritten, ihre Härte legendär – und doch verehren die Insassen sie wie eine Heilige. Hinter ihrer strengen Fassade verbirgt sie einen weichen Kern und den unbeirrbaren Glauben, dass Menschen eine zweite Chance verdienen. Diese Überzeugung treibt sie in ein gefährliches Doppelleben, als sie dem Häftling Hassan Adub zur Flucht verhilft – ein Plan, minutiös vorbereitet wie die Befreiung aus einem Hochsicherheitstrakt.
Die Suche nach dem geflohenen Hassan gleicht dem Versuch, einen Geist zu fangen. Während die Kommissare durch die tristen Flure des Gefängnisses streifen und Zelle für Zelle die Hierarchien des Knastsystems entwirren, bahnt sich Hassan einen Weg durch das nächtliche München. Der Ausgebrochene, für den Marie alles riskiert hat, zieht es jedoch nicht wie geplant in die Freiheit seiner algerischen Heimat. Stattdessen sucht er seine alten Komplizen auf, jene Drogendealer, die damals ungeschoren davonkamen, während er sechs Jahre einsitzen musste. Die Luft zwischen den Hochhäusern des Münchner Bahnhofsviertels vibriert vor Spannung wie die Gewitterfront, die sich über der Stadt zusammenbraut.
Im Schmutz und der Düsternis des Gefängnisses, wo selbst die Hoffnung wie eine welke Blume erscheint, kristallisiert sich langsam die Wahrheit heraus: Der Tod Schusters und die Flucht Hassans stehen in direktem Zusammenhang. „Der ist doch nicht blöd – und der hatte Angst, Todesangst,“ mutmaßt Batic, während er und Leitmayr immer tiefer in ein Geflecht aus Abhängigkeiten, Schuld und fatalen Entscheidungen gezogen werden…
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Die Heilige“ ist der 55. Fall des Münchner Ermittlerduos Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und wurde als Folge 774 der Krimireihe vom Bayerischen Rundfunk produziert. Regie führte Jobst Oetzmann, der gemeinsam mit Magnus Vattrodt auch das Drehbuch verfasste – dasselbe kreative Team, das bereits den Tatort „Wir sind die Guten“ erschaffen hatte.
In den Hauptrollen glänzen neben den Stammermittlern vor allem Anneke Kim Sarnau als JVA-Beamtin Marie Hoflehner, die später als Profilerin Katrin König im Rostocker Polizeiruf 110 bekannt wurde. Die Kritiker waren sich einig: Sarnau lieferte eine „bärenstarke Leistung“ und spielte ihre Rolle „brillant – mit erschütternder Naivität hinter der harten Fassade“. Weitere Gastrollen übernahmen Mehdi Nebbou als geflohener Häftling Hassan Adub, Sascha Alexander Gersak als Geiselnehmer Nic Schuster und Heinz-Josef Braun als dessen Zellengenosse Charly Bause.
Die Erstausstrahlung erfolgte am 3. Oktober 2010 um 20:15 Uhr im Ersten und erreichte 8 Millionen Zuschauer bei einem Marktanteil von 22,7 Prozent – ein solides Ergebnis für das Format. Die Kritiken fielen allerdings gemischt aus: Während die FAZ die „sanften Schnitte mit vielen Überblendungen“ lobte, die es erlaubten, „in den Zeiten zu springen“, und Focus.de von einem „herausragend hellen Krimi“ sprach, kritisierte der Stern den Plot als „zu vorhersehbar“ und die Handlung als „zu überfrachtet“.
Ein interessantes Detail am Rande: Die Dreharbeiten fanden tatsächlich in der berühmt-berüchtigten JVA Stadelheim statt, in der einst hochrangige historische Persönlichkeiten wie Adolf Hitler und die Geschwister Scholl inhaftiert waren – ein Fakt, auf den einer der Vollzugsbeamten im Film nicht ohne Stolz hinweist. Die bedrückende Atmosphäre des Gefängnisses überträgt sich dadurch authentisch auf den Bildschirm und verleiht diesem Knastdrama eine beklemmende Intensität, die sich vom typischen Tatort-Schema abhebt.
Ich fand den Tatort gut. Aber es hat etwas Action gefehlt.
Erschreckend dargestellte Brutalität und Härte im Stadelheimer Knastmilieu mit beklemmenden Szenen. Ich habe mich in Hassans Charakter anfänglich getäuscht. Großartige Schauspielerleistungen, auch von Batic/Leitmayr. Gute Kameraführung und Schnittfolgen. Zählt zur Oberklasse der Münchner Folgen.
Sorry aber sogar als Münchner kann ich mit den Beiden Ermittlern kaum noch was anfangen. Gute Geschichte aber schwach gespielt. Schade
In der Wiederholung gesehen. Ich kann nicht behaupten fan der Münchner Tatorte zu sein, zu sehr geht mir die latente Fremdenfeindlichkeit der Ermittler auf den Keks.
Meine Wahrnehmung: Das sind „zwei harte Typen“ die durch 08/15 Fernsehbilder rennen und Fälle lösen die auch 20 Jahre alt sein könnten.
Dazu kommen noch die „hemsdärmligen“ Ermittlungsmethoden.
Letztere auch hier, da wird der nicht gesprächsbereite Knacki mal eben über Nacht in die Zelle des Knastschlägers gesteckt und als er -oh Wunder, am nächsten Tag mit Feilchen und Nasenhack noch immer nicht reden will muss Batic sich bei Leitmayr (oder wars umgekehrt?) doch tatsächlich nochmal versichern: „Du willst den doch nicht noch eine Nacht…“.
Die Story zwar einmal mehr nicht sehr ausgefallen, (Fluchthilfe aus dem Knast, hier und da ein Toter, am Ende aufgelöst) -geschenkt.
Dass die Ermittler da kaum mehr als hinterherwischen können ist klar.
Die Darreichungsform erfrischend „unbayrisch“. Erstens Rückblenden, diese dann auch nett in grobkörnige Bilder getaucht, dazu ein paar Tempowechsel im Film, und das Ganze dann sehr harmonisch zusammenmontiert. Das gefiel.
Die zwei Antagonisten durften dann auch aufspielen, etwas komplexere Persönlichkeiten darstellen, was die Story am laufen hielt.
Mein Fazit ist ein Müncher Tatort der (aus diesen) herraussticht, aber im Endeffekt ein recht vorherrsagbarer, wenn auch spannender Standardfall bleibt – welcher aber durchaus unterhalten kann.
Der Tatort Nummer 774, gestern ARD 20:15 h als Wiederholung, Sommerloch. Die Hauptkommissare Batic und Leitmayr aus München ermitteln, diesmal ungewohnter Weise in einer Strafanstalt. Wer war den die Heilige? Doch nicht etwa die korrupte und hinterhältige Justizbeamtin, welche mangels gänzlich fehlenden Gerechtigkeitssinn erst ein Verhältnis im Knast mit einem Schwerst-Kriminellen eingeht und dann diesen Gefangenen auch noch zur Flucht verhilft, damit er mordend in Deutschland seine Rachepläne ausüben kann. Wäre im doch die Flucht nach Algerien gelungen, dann dortige Festnahme wegen Passfälschung und sofortige Inhaftierung durch ein Schnellgericht der dortigen militärischen Gerichtsbarkeit.
Ein hervorragender Film aus dem Knastmilieu. Er zeigt einmal mehr, dass man trotz aller Psychologie nicht in die Köpfe sehen kann. Und das Verhältnis der Beamtin mit Hassan, dem Algerier, erinnert mich stark an die Beziehung einer Lehrerin zu einem Knacki im hiesigen Knast. Und am Ende bleibt die Frage: Hilft das Wegsperren überhaupt ? Gibt es keine Alternativen ? Knast ist und bleibt eine besondere Gesellschaft mit ihren eigenen Regeln. Ob das demokratisch ist und zu unserer Ordnung passt, ist die andere Frage. – Im Übrigen betreuen wir in einer Freizeit-/Gesprächsgruppe seit vielen Jahren LLer im hiesigen Knast. Eine der wenigen nicht religiösen Gruppen …
… einer schwächsten, wenn nicht sogar DER … langatmig …
Im Grunde eine nicht ungewöhnlich Konstellation. Graue Maus aus Deutschland mit gutmenschlichen Idealen verliebt sich in attraktiven nordafrikanischen Knacki, der ihre hochgestochenen Vorstellungen nicht teilt, sondern sie nur benutzt, um wieder in Freiheit zu gelangen. Eigentlich verliebt sie sich in ein Bild von ihm, das sie mit seiner Hilfe in ihrer Phantasie entworfen hat. Er hat ihr im Knast von den Schönheiten der Wüste und von seiner intakten Familie im Wunderland Algerien vorgeschwärmt, und sie ist naiv und romantisch genug, um dem seltenen Paradiesvogel unter eigener Gefährdung und weitgehend selbstlos den Weg zu seinem eigentlichen schönen Selbst in Freiheit zu eröffnen. Aber sein eigentliches Selbst ist der entwurzelte kriminelle Migrant, beheimatet nurmehr in seiner vertrauten Parallelwelt und getrieben von niederen Instinkten wie Rachedurst und Gier, der seine frühere Heimat Algerien verachtet. Ihre Desillusionierung führt zu immer tieferen Konflikten, die schließlich in der Katastrophe enden. Dabei läßt er auch noch die Maske des Kavaliers fallen und vertrimmt und demütigt sie nach allen Regeln nordafrikanischer Macho-Kunst. Daß sie sich zum Schluß für ihre mehr seelischen als körperlichen Qualen an ihrem Peiniger rächt, besiegelt den Zusammenbruch ihres Wolkenkuckucksheims. Eine typisch deutsche dumme schöne Seele, unbeeinflußt von Vernunft und gesundem Menschenverstand. Siehe auch Willkommenskultur.
@ Gottlieb – Sehr treffend beschrieben. Sehr schöner idiotischer Krimi mit skurilen Szenen. Sprich der Raum und die Verhöre im Knast. Ist wie ein Kammerspiel, deshalb könnte man es zu einer Tragikomödie fürs Theater umschreiben.
Sehr langweiliger Tatort. Und Anneke Kim Sarnau mag ich eh nicht, das kam noch erschwerend hinzu.