Kurz und knapp – darum geht’s
Im beschaulichen Stade an der Unterelbe wird der Bauunternehmer Arnold Severing tot aufgefunden – erschossen in seinem eigenen Haus. Alles deutet zunächst auf Selbstmord hin, doch Hauptkommissar Ronke zweifelt an dieser einfachen Erklärung. Der Transportunternehmer Helmut Groth, der von Severing finanziell abhängig war, wird schnell zum Hauptverdächtigen, als bekannt wird, dass er den Toten kurz vor dessen Tod bedroht hat. Als Ronke jedoch merkwürdige Ungereimtheiten entdeckt und Eva Severing, die Witwe des Toten, ins Visier nimmt, gerät er in ein gefährliches Netz aus Lügen, Intrigen und Geldgier…
Inhalt der Tatort-Folge „Wenn alle Brünnlein fließen“
Im grauen, regnerischen Stade drückt die wirtschaftliche Rezession auf die Stimmung. Schwere Wolken hängen über der norddeutschen Kleinstadt, als Bauunternehmer Arnold Severing am Morgen desillusioniert in seinen Akten blättert. Die Nachricht vom Baustopp der Umgehungsstraße hat sein Unternehmen in existenzielle Schwierigkeiten gebracht – und mit ihm zahlreiche Subunternehmer, darunter Helmut Groth, der verzweifelt um sein Geld kämpft.
Hauptkommissar Ronke, ein Mann mit verschrobener Eleganz und scharfer Beobachtungsgabe, wird zu einem vermeintlichen Selbstmord gerufen. „Das hätt‘ er sich auch nicht träumen lassen, dass er mal mit ’nem Schluck Wasser im Hals im Kanal landen würde“, kommentiert er trocken beim Anblick der Leiche Severings. Der spröde Ermittler verbirgt seine Empathie geschickt hinter ironischen Bemerkungen, doch seine grauen Augen nehmen jedes noch so kleine Detail wahr.
Was zunächst wie ein simpler Fall erscheint, gleicht bald der Suche in einem Labyrinth voller falscher Fährten. Während die Spuren zu Helmut Groth führen, der Severing am Tag vor dessen Tod heftig bedroht hatte, beleuchtet Ronke auch das zerrüttete Eheleben des Toten. Eva Severing, die elegante Witwe mit dem kühlen Blick, hat sich längst vom Ehemann abgewandt und pflegt eine innige Beziehung zum charismatischen Kunstschmied Boris Hebgart.
„Es war Selbstmord“, beharrt Eva Severing mit brüchiger Stimme, während das Licht der Nachmittagssonne durch die schweren Vorhänge ihres Wohnzimmers fällt und ihr blasses Gesicht in ein trügerisches Zwielicht taucht. Doch die hochversicherte Leiche und ein verschwundenes Gewehr lassen Ronke zweifeln. Als er erfährt, dass die Lebensversicherung auch bei Selbstmord zahlen würde, werden seine Zweifel noch stärker.
Die düstere Atmosphäre der norddeutschen Provinz wird zum Mitspieler in diesem Drama um wirtschaftlichen Niedergang und persönliche Verzweiflung. Während Ronke in seinem alten Wagen durch die regennassen Straßen Stades fährt, summiert er die widersprüchlichen Aussagen, die wie Nebelfetzen vor seinem geistigen Auge tanzen. Jemand lügt, und Ronke muss herausfinden, wer – bevor ein perfekter Mord ungesühnt bleibt.
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Wenn alle Brünnlein fließen“ wurde im Kreis Stade und in Hamburg gedreht und am 26. Juni 1983 zum ersten und einzigen Mal im deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Die Folge 149 der Krimireihe markiert den einzigen Fall von Hauptkommissar Ronke, dargestellt von Ulrich von Bock, der zuvor bereits von 1972 bis 1982 als Kriminalobermeister Petersen in sieben Fällen an der Seite von Paul Trimmel zu sehen war.
Im Tatort-Krisenjahr 1983 – es wurden nur neun Erstausstrahlungen produziert – spiegelte dieser Film mit seiner Handlung um Wirtschaftskrise und Bauinvestitionen auch die reale ökonomische Lage der Bundesrepublik wider. Die Wirtschaft schrumpfte damals durch die Nachwirkungen der zweiten Ölkrise und viele Investitionen wurden zurückgestellt.
In den Hauptrollen glänzten neben von Bock auch Claudia Wedekind als durchtriebene Femme Fatale Eva Severing, Joachim Hansen als Bauunternehmer Arnold Severing, Peter Dirschauer als verzweifelter Transportunternehmer Helmut Groth und Holger Mahlich als Kunstschmied Boris Hebgart. Für Mahlich war es das erste Fernsehspiel-Engagement im Westen nach seiner Übersiedlung aus der DDR.
Das Drehbuch stammte von Detlef Müller, für den es das erste Tatort-Skript war (später folgten noch „Zeitzünder“ und „Parteifreunde„). Regie führte Pete Ariel, der ebenfalls sein Tatort-Debüt gab und später insgesamt neun Folgen der Krimireihe inszenieren sollte.
Wesentlich zur ruhigen, aber gelungenen Atmosphäre trug die Originalmusik von Eberhard Weber bei, während Pat Methenys Fusion-Klassiker „Are You Going With Me?“ den Frühschoppen im Künstleratelier untermalte. Bei der Erstausstrahlung erreichte die Folge 13,11 Millionen Zuschauer und einen Marktanteil von 38,00 Prozent – eine beachtliche Quote, die den Erfolg dieses in sich abgeschlossenen Krimis unterstreicht.
„Wenn alle Brünnlein fließen“ markierte zugleich den Abschluss der „Eintagsfliegen“-Phase des NDR-Tatorts. Zehn Monate später begann mit „Haie vor Helgoland“ die lange und deutlich erfolgreichere Dienstzeit von Paul Stoever (Manfred Krug).
Besetzung
Kommissar Ronke – Ulrich von Bock
Helmut Groth – Peter Dirschauer
Eva Severing – Claudia Wedekind
Arnold Severing – Joachim Hansen
Lutz Hochstraate (Assistent Wieler)
Joachim Hansen (Arnold Severing)
Holger Mahlich (Boris Hebgart)
Erika Fernschild (Annelise Groth)
Wolfried Lier (Vater Paulig)
Friedrich Schütter (Stadtbaurat)
Wolfgang Hartmann (Hauptmeister Schröder)
Rudolf Beiswanger
Karl-Heinz Hess
Harald Pages
Stab
Drehbuch – Detlef Müller
Regie – Pete Ariel
Kamera – Günther Wulff
Bühnenbild – Helmut Ahrends
Produktionsleitung – Hans-Henning Heyde
Schnitt: Anja Cox
Musik: Eberhard Weber
Produktion: NDR
Diesen Tatort Nummer 149 habe ich mir heute während des Mittagessens angeschaut. Es ist die Eintagsfliege, oder Ephemeroptera, unter den Tatort Spielfilmen. Und das ist auch gut so. Verständlich, das dieses Kammerspiel mit den bleichigen Gesichtern der Darsteller und den monotonen Dialogen der selbigen, noch keinerlei Meinung erhalten hat. Eine Eintagsfliege halt. An diesem Film war alles langweilig und langatmig, zäh und breiig. Selbst die Umgebung war grau, die Autos, VW-Henkelmann, Mercedes-Prolo-Ausführung, Popel-Opel. Die Familie des Vertuschungstäters saß am Küchentisch, wie das Ohnsorg-Theater auf der Bühne. Fehlten nur noch die Hintergrundgeräusche. Der Hauptkommissar Ronke, vom Erscheinungsbild eher der Typ Sportlehrer auf dem Gymnasium, gönnte sich den alten gespendeten Calvados. Buttermilch mit Schmand wäre realistischer gewesen. Aus und vorbei, einmal gesehen, der Meinung wegen.
ich war leider ein komparse dieser wirklichen eintagsfliege. in der zene als die leiche aus dem wasswer gezogen wird. es war märz kalt und windig. die ganze einstellung im film ca. 4 minuten (ich 5 sekunden) hat ganze 7-8 (in worten sieben bis acht) stunden gedauert. dafür gab es dann 50,00 mark. der film war wirklich scheiße.
Eine „Eintagsfliege“ gewiss. Wie so viele beim NDR in der Zeit zwischen Trimmel (, Brammer) und Stoever: Beck, Greve, Nagel, Schnoor und eben Ronke. Aber dennoch ein Teil der Tatort-Geschichte. So freue ich mich, dass der NDR „Wenn alle Brünnlein fließen“ erstmals seit 18 Jahren (!) wieder ausstrahlen wird, am 21.12.2021 um 23:30 Uhr!
Mir hat er recht gut gefallen, leider habe ich das Ende verpasst, da der Tatort wohl 20 Minuten zu spät losging und ich an meinem TV nur maximal 10 Minuten zugeben kann, bei der Aufnahme. Danke NDR da zahlt man doch gerne Gebühren. Wenn jemand weiß wo man denn nachsehen kann, bin ich für einen Tipp dankbar.
Die Hinterlist der Frau Severing war schon heftig. Was ich als Fehler empfinde, wenn man am Opfer keine Schmauchspuren finden konnte, warum untersuchte mann dann nicht den Hauptverdächtigen auch auf Schmauch, ach ja weil dann aufgefallen wäre das dies ein Fehler im Drehbuch ist.
Schön das so eine alte Folge mal wieder gezeigt wurde, das nächste Mal programmiere ich einfach den ganzen Abend.
Liebe Tatortfangemeinde,
leider habe ich diesen historischen Tatort verpasst. Vielleicht kann mir ein Fan helfen und mir eine Kopie zur Verfügung stellen. Ich würde mich sehr freuen.
Viele Grüße
Uwe T.
Auf YouTube ist er zu finden.
Mäßige Folge. Es gibt bessere, aber auch sicher schlechtere.
Hallo Paul,
danke für den Hinweis. Da hatte ich ihn schon entdeckt, er ist aber in eher mäßiger Qualität hochgeladen worden (wie so oft auf youtube). Ich habe ihn allerdings immer noch nicht gesehen. Wenn man den Kritikne oben glauben darf, ist er sicher keine Sternstunde. Aber da ich immer noch versuche, alle Folgen zu konservieren (auf Blue-Ray, Festplatte o. ä.), ist er ein weiteres Puzzleteilchen in der Sammlung.
Viele Grüße
Uwe
Ein schöner Zug vom NDR auch einmal die nicht ganz so publikumsstarken Tatort-Klassiker zu wiederholen, wie diesen mit der Nummer 149 und aus dem Jahr 1983. Vielleicht gibt es ja noch ältere Giftschrankfilmchen aus der Serie, über die der Betrachter heute eher schmunzelt und sich nicht gruselt.
Die Meinung vom 25.05.2015 halte ich.
Ich habe diesen Tatort heute zum ersten Mal gesehen. Die Story ist wirklich gut, nur natürlich dem Alter entsprechend etwas lahm erzählt. Trotzdem ein durchaus auch heute noch sehenswerter Tatort.
@Dirk: wenn du diesen TO so schlecht findest, warum vergibst du dann zweimal 5 Sterne?
Ich habe durch Zufall Stade gelesen und neugierig geklickt und dann die schlechten Kommentare gelesen. Stade ist nicht so schön wie Lübeck, Lüneburg oder Bremen, aber schön, auch die Insel. Also hab ich neugierig geguckt. Das schlechteste an dem Tatort: nichts von Stade! Aber sonst war der wohl nicht so viel anders, als alle anderen Tatorte aus der Zeitära, ob Haferkamp oder Trimmel. Sehr langsam, bedächtig und gestelzt, aber es war eine andere Zeit, man muss es anders bewerten, und so war es ok, Zeitgeschichte halt, wie Polizeiruf 110 aus DDR-Zeiten. Auf alle Fälle sogar auch heute immer noch deutlich besser als Tatort Folge 1243 -10.09.23: Erbarmen. Zu spät, obwohl ich Brix, Fanny, Janneke sonst gerne mag.
Da man im Moment außer „Tatort“ gar nichts mehr sehen kann, habe ich ihn mir auf Youtube gegeben (kannte ihn bisher tatsächlich nicht). Also Widerspruch, der ist recht gut! Der Fall ist glaubwürdig, der Kommissar zynisch und ironisch („Was, Angler? Gibt’s in dieser Brühe denn noch was zu fischen?“), aber die zugleich in ihm angelegte Kauzigkeit kam wohl nicht so gut an. Gewiss kein Charismatiker, sondern Blumenzüchter, haha.
Am meisten liebe ich in diesen Folgen, als die Höhenflüge der 70er seltener wurden, Genauigkeit im Milieu – also das, woran heute leider keiner mehr denkt: Die Unternehmersgattin braust stilecht mit ihrem Golf Cabrio durch die flache Gegend, das Haus hat eine Kellerbar (klassisch Spätsiebziger/Frühachtziger, die wurde dann sehr bald stets zur Abstellkammer, denn wieso soll man eigentlich im Keller sitzen??), in der doch nur Fusel steht, nämlich der weiche Chantré und VAT 69, das sind Nachkriegsmarken, Supermarkt-Stoff; der siebenjährige Calvados sieht dagegen gar nicht authentisch aus. Und schaut bitte, wie Groths wohnen, mit integriertem Büro, während sich das Leben in der Küche abspielt.
Das Ganze kommt nur ins Rollen, weil ein doofer Opa, nennen wir ihn Hein Mück, plaudert, dass sich Groth und Severing gezofft haben. Aber die böse Frau Severing, was für ein mieses Manöver, pfui!
Also, habe mich köstlich amüsiert. Keine Perle, aber sehr ordentlich.
Diese wunderschöne Hintergrund-Musik die auch direkt am Anfang zu hören ist macht diesen Tatort zu einem Hochgenuss. Generell mag ich es sehr wenn Ambient Musik als Hintergrund verwendet wird. Da dieser Fall dann auch noch zeitgeschichtlich interessant ist und spannend hinzu. für mich schon eine Perle
@ Nelly vom 07.07.2022. Die Sternevergebung ist ja mittlerweile weggefallen und das finde ich gut. Ich finde das man mit der Vergebung von Sternen eine Art „Plus-Pünktchen“ für die Darsteller vergibt und ich möchte nur die Meinung zum reinen Tatortsachverhalt zum Ausdruck bringen.
Der „Dirk“ mit seiner Meinung vom 09.11.2021 ist ein „Namensvetter“, welchen ich hiermit herzlich grüße.
Hallo –
Beim Frühschoppen des Kunstschmieds Boris Hebgart zeigt die Kamera auf den sich drehenden Plattenteller – und man hört die dort aufgelegte Hintergrundmusik. FRAGE: kennt jemand diese Platte, bzw. das gehörte Musikstück / Künstler etc.?!
BTW – ich fand diesen Tatort, wie fast alle aus den 70ziger und 80ziger Jahren, gar nicht sooo schlecht. Abgesehen von diesem höchst unsympathischen Ermittlerduo!
@arado
>>FRAGE: kennt jemand diese Platte, bzw. das gehörte Musikstück / Künstler etc.?!
Ja, ich! Ab Min. 16:05 ist zu hören:
Pat Metheny Group/Offramp – Are You Going With Me? 1981
HERZlichen Dank!
Sie sind der Beste!