Kurz und knapp – darum geht’s
Eine Bande junger Leute hat im West-Berlin der frühen Siebziger Jahre ein lukratives Geschäft entdeckt: Pelzdiebstahl. Ihr Anführer Achim protzt mit seinen Taten und wird der Gruppe zunehmend zur Gefahr. Als seine Komplizen die geheimen Hehlerwege kennen, beschließen sie, den risikofreudigen Boss loszuwerden. Hauptkommissar Erwin Kasulke vom Berliner Raubdezernat ermittelt in seinem ersten Fall gegen eine unkonventionelle Bande von Amateurkriminellen. Als der Kommissar dem Anführer der Pelzdiebe auf die Spur kommt, nimmt der Fall eine dramatische Wendung an der Sektorengrenze zur DDR…
Inhalt der Tatort-Folge „Der Boss“
Grelles Diskolicht flackert durch den verrauchten Raum, während die jungen Männer den Mädchen imponieren wollen. Fliesenleger Achim und sein Kumpel Peter sind keine Unschuldslämmer, doch zum Kriminellen wird Achim erst durch einen Zufall: Als ein Auto in die Auslage eines Pelzgeschäfts kracht, erkennt er seine Chance und stiehlt einen teuren Mantel. Das Diebesgut lässt sich überraschend leicht und gewinnbringend verkaufen – der Beginn einer rasanten kriminellen Karriere.
Hauptkommissar Erwin Kasulke ist ein Mann der alten Schule. Bedächtig und mit wachsamen Augen verfolgt er die Spur der Pelzdiebe, die West-Berlin in Atem halten. „Polizeiarbeit ist vor allem Geduld“, erklärt er seinem jungen Kollegen, während sie auf der Lauer liegen. Der erfahrene Ermittler ahnt nicht, dass ihm die unorthodoxe Vorgehensweise der Amateurgang besondere Schwierigkeiten bereiten wird.
Die Bande wächst, und mit ihr die Dreistigkeit ihrer Coups. Ein ehemaliger Kürschner verstärkt das Team, und bald räumen sie am helllichten Tag ein ganzes Lager aus. Doch während die Beute immer größer wird, wächst auch die Sorge der Gang vor ihrem selbsternannten Boss. „Mit der Knarre rumfuchteln und im Suff angeben – der bringt uns alle hinter Gitter“, raunt Peter einem Komplizen zu. Achims protziges Auftreten, sein neuer Reichtum und sein leichtsinniges Verhalten werden zunehmend zum Problem.
Die Pelzraubzüge durch die geteilte Stadt gleichen einem gefährlichen Katz-und-Maus-Spiel zwischen den jungen Dieben und der Polizei. Zwischen schummrigen Hinterzimmern, wo der extravagante Hehler mit seinen zwei Doggen die Ware abnimmt, und dem glitzernden Wannsee, wo Achim mit seinem Motorboot protzt, entfaltet sich ein Stück West-Berliner Zeitkolorit der frühen Siebziger.
Als die Bandenmitglieder die Vertriebswege der gestohlenen Pelze herausfinden, schmieden sie einen perfiden Plan. An einem nebligen Abend machen sie Achim betrunken und flüstern ihm ein, die Polizei sei ihm dicht auf den Fersen. Das Motorboot auf dem Wannsee, die nahe Sektorengrenze zur DDR und ein Boss, der nicht mehr gebraucht wird – eine gefährliche Konstellation, während Kasulke und sein Kollege am Ufer vergeblich warten…
Hinter den Kulissen
„Der Boss“ markiert mit seiner Erstausstrahlung am 19. Dezember 1971 das Debüt des Berliner Ermittlers Erwin Kasulke, verkörpert vom Charakterdarsteller Paul Esser. Die vom Sender Freies Berlin (SFB) produzierte Episode war die erste Berlin-Folge der noch jungen Tatort-Reihe und wurde unter der Regie von Heinz Schirk nach einem Drehbuch von Johannes Hendrich realisiert.
Mit nur 56 Minuten Laufzeit zählt „Der Boss“ zu den kürzesten Folgen der Tatort-Geschichte. Die schlichte Fernsehspiel-Ästhetik mit ihren begrenzten Bildausschnitten, die selbst bei Außenaufnahmen kaum Totalen zeigt, spiegelt den typischen Produktionsstil des frühen deutschen Fernsehens wider.
Bemerkenswert ist der Gastauftritt von Gustl Bayrhammer als Oberinspektor Melchior Veigl, der drei Wochen später in der Folge „Münchner Kindl“ seinen ersten eigenen Fall lösen sollte. In der Rolle des draufgängerischen Achim ist Hugo Panczak zu sehen, während Ronald Nitschke als Peter später eine erfolgreiche Karriere als Schurken-Darsteller und Synchronsprecher begann. Elke Aberle, die eines der Mädchen spielt, wirkte einige Jahre später in Rainer Werner Fassbinders Fernsehdrama „Ich will doch nur, dass ihr mich liebt“ mit.
Die Erstausstrahlung erreichte lediglich 38 Prozent Marktanteil – für damalige Verhältnisse ein bescheidenes Ergebnis. Nach seinem zweiten Fall „Rattennest“ (Folge 22) ging Kommissar Kasulke bereits in den Ruhestand, was die kurze Dienstzeit dieses frühen Tatort-Ermittlers besiegelte.
Jahrzehntelang war der Film kaum zu sehen, bis der RBB 2017 eine aufwändige Restaurierung veranlasste. Nach einer HD-Abtastung vom ursprünglichen Filmmaterial wurde diese historische Tatort-Episode digitalisiert und ist heute als wertvolles Zeitdokument der frühen Siebziger zugänglich – vom Norbert-Nigbur-Frisurstil über die Klappscheinwerfer-Sportwagen bis zur Rockmusik von Led Zeppelin und Canned Heat, die den Soundtrack prägt.
Besetzung
Achim – Hugo-Heinz Panczak
Uwe – Heribert Sasse
Peter – Ronald G. Nitschke
Heinz – Christian Böttcher
Alexandra – Elke Aberle
Karin – Barbara Hampel
Assistent – Gerhard Dressel
Schtach – Günther Dockerill
Elli – Inge Wolffberg
Chef – Gerhard Wollner
Polizeibeamter – Peter Schiff
Zeugin – Magdalene von Nußbaum
Kommissar Kasulke – Paul Esser
Stab
Regie – Heinz Schirk
Autor – Johannes Hendrich
S/B – Götz Heymann
Kamera – Gero Ehrhardt
Produktionssender – Sender Freies Berlin
Produktionsleitung – Dr. Erich Proebster
Produktionsleitung – Kurt Kramer
Kostüme – Günther Schwarzat
Erstausstrahlung der Tatort – Folge „Der Boss“: 19.12.1971
wird irgend wann der tatort film Der Boss wieder gesendet ich würde ihn gerne wieder sehen ich hane mit erlebt wie der film in unteranderen in berlin wedding gedreht wurde es wurden damals schüler aus unsere schule als komparsen gesucht oder kann mir jemand sagen wie ich diesen film bekommen kann
Hallo Tikker,
leider gibt es diese Version nicht als DVD zu kaufen, und eine Wiederholung in der nächsten Zeit ist höchst unwahrscheinlich. Vielleicht kann die ARD Mitschnittstelle helfen.
Gruß
Gerald
leider war es nicht der film der bei ubs in berlin in wedding gedreht wurde 1970 -71
ich habe den film gefunden dort gibt es fast jede folge von tartort ist zwar etwas umständlich sie da runter zu laden
Der kürzeste Tatort Film aller Zeiten, läuft nur knapp 56 minuten,
ich hoffe ich habe die ungeschnittene Version gesehen…
Interessante Story, tolle Schauspieler und dann das dramatische
Ende von dem „Boss“, er wird an der Westlichen Seite der Berliner
Mauer von DDR Grenzern erschossen.
moin
suche diese und andere folgen schon lange
danke
Mich würde mal interessieren, ob es verboten bzw. illegal ist, Tatort Filme
über eine bekannte Tauschbörse zu tauschen. Denn ich könnte eine Menge
alter Tatorte zur Verfügung stellen und diesen hier natürlich auch.
Hi David,
ich bin kein Rechtsanwalt und dieses Stellt keine Rechtsberatung dar. Aber das es nicht zulässig ist, da bin ich mir wirklich sehr sicher.
,Der Boss‘ ist tatsächlich der kürzeste Tatort mit 56:19 Minuten.
Unwesentlich länger ist auch der Tatort mit Kom. Lenz – Tod auf dem Rastplatz 60:38 Minuten.
Bei Fragen einfach melden, ich habe alle Tatort Folgen aufgezeichnet, es fehlt NICHT einer !
Alles in allem ein schöner Tatort bei dem einem nicht langweilig wird.
Auch noch schöne Szenen die an der ehemaligen, elendigen innerdeutschen Grenze spielen.
Gerade habe ich ihn gesehen, den Tatort Nummer 013. Fast hätte ich geschrieben – SÜSS -, wenn nicht Kasulke und Veigl mit gespielt hätten. Alte Diskotheken – Szenen, da durfte ich damals noch gar nicht rein. Unbeschwerte junge Leute, welche klauten, ohne zu wissen, wohin mit dem Geld. Ein Hehler, der sich seine Wessi-Hände rieb. Drei doofe Doggen und Hauptkommissar Kasulke. Mal ehrlich, die Typen hätten den Boss doch anders verschwinden lassen und nicht durch die Grenzjäger von denen da drüben. Glaub´ich. Aber damals wie heute frage ich mich immer noch: Warum musste ich damals in die Grammatik-Prüfung……
Ein Kammerspiel für die Konserve – oder für einen gemütlichen Fondue – Abend unter alten Freunden. Man muss ihn halt mögen.
Vom Anfang bis zum Ende ein künstlerische Meisterleistung in Kombination mit der beste Soundtrack aller Tatorte. Die Sendung ist gleichzeitig ein wertvolles Zeitdokument und die Lage wo Berlin sich zur der Zeit drin befand spielt eine wichtige Rolle in der Handlung der Geschichte.
Die Schlussszene wo alle im Auto sitzen nachdem sie erfolgreich Achim beseitigt haben ist einzigartig. Diese gedrückte Stimmung, die Musik, einfach Gänsehaut.
Einige Lieder die vorbei kommen sind:
Led Zeppelin – Whole lotta Love
Stevie Wonder – We can work it out
Mungo Jerry – In the Summertime
Canned Heat – On the road again
Yvonne Elliman & Ian Gillan – Everything’s Alright
Auf Youtube ist er zu finden, aber leider wurde der Tonspur komplett gesperrt dank unser großer Freund die GEMA.
Also als Zeitdokument sicherlich mal wieder zeigbar. Aber echte Tatort Stimmung kommt hier nicht auf.
Ganz im Gegenteil, MadMonkey, ganz viel Tatort Gefühl bei mir, wo ich die Nr. 13 das erste Mal sehe!
Auch wenn auch das Tempo nicht heutigen Gepflogenheiten entspricht, und dann die Kürze, und der Abspann mitten im Film……und der Kommissar hatte eigentlich kaum etwas zu tun.
Die abgefahrene Musik, die alten Automarken, die modischen Frisuren, Männer mit Hut, Bummeln auf der Baustelle, innerdeutsche Grenze in Berlin, Pelzmäntel, die heute eingemottet würden…..
Mensch, echt klasse, oder wie hiess geil oder krass noch in den 70ern: s u p e r.
Fünf Sterne!
Ergreifend! Wirkt noch lange nach.
Ein unheimlich starker Abgang.
Mensch, der war dufte! Ich mag die alten Folgen einfach. War in meinen Augen auch zackig inszeniert: die Handkamera immer nah am Geschehen, der ein oder andere kesse Spruch, es wird ordentlich berlinert, die Musik, das ungewöhnliche Ende, das Zeit- und Lokalkolorit. Den Kommissar hätte man sich sogar komplett sparen können.
Langeweile kam nie auf, tolles Ding! Auf „Rattennest“ nächste Woche bin ich übelst gespannt.
So was haben sich Tatorte später selten getraut – ein hilfloser Kommissar, der eigentlich nur auf dem Balkon oder sonstwo herumsitzt. Interessante gesellschaftskritische Ebene auch durch die genaue Beobachtung des Milieus der Täter. Nur: die Hälfte der Handlung (s. oben) schien zu fehlen. Gibt es einen 2. Teil, der bei der Ausstrahlung gestern fehlte?
O Mann, diese alten Tatorte sind einfach wunderschön, eine schwindelig machende Reise in längst vergangene Zeiten. Die Stimme von Ian Gillan, ich hatte schon vergessen, wie elektrisierend die war. Und die Genthiner-, Ecke Lützowstr, zwischen altem Bahnhof Zoo und der riesigen Betonwüste am Potsdamer Platz: ich weiß noch genau, wie das da damals ausgesehen hat! Auf das ,,Rattennest“ nächste Woche freue icke mir jedenfalls schon tierisch…
@Ben: du hast recht. Der Klappentext oben paßt überhaupt nicht. Den sollte mal jemand überarbeiten…
Die nächste Wiederholung steht an: Am 5. Dezember 2021 um 22:20 im rbb.
Da laufen an den ersten drei Dezember-Sonntagen nachts in der Reihe 50 Jahre tatort viele frühe Berliner Tatorte. Klasse!
@Königsberg
Danke für den Hinweis auf die baldige Wiederholung im rbb, dieses aus der Anfangszeit der Tatort-Reihe stammenden Krimis.
Dazu sei ergänzend anzumerken, dass der damalige Darsteller des Berliner Hauptkommissars Kasulke – Paul Esser -, des Weiteren in einer zu dieser Zeit sehr bekannten schwedischen Kinderserie mitspielte. Und zwar in Astrid Lindgrens Verfilmung Pippi Langstrumpf. Seine dortige Rolle war die des Ganoven Blom (geradewegs das Gegegenteil im Vergleich zum Hauptkommissar), der es, zusammen mit Hans Glarin als „Donner-Karlsson“, auf den Goldschatz von Pippi Langstrumpf abgesehen hatte.
Wie vom User Königsberg genannt, lief der Film gerade eben im RBB. Von mir bekommt er 4 Sterne. Durchaus spannend inszeniert (bei den alten Folgen nicht immer selbstverständlich), gute Darsteller, auch der Plot mit den Einbrüchen ist mal durchaus abwechslungsreich.
Wie schon genannt, ist der Film nach der Szene, wo die Bande im Auto durch die Dunkelheit fährt, zu Ende. Ob hier etwas gekürzt und weggeschnitten wurde, kann ich nicht sagen, aber so lässt der Film den Zuschauer am Ende etwas ratlos zurück 🤔
Sorry, hatte wesentlich mehr von diesem „Oldie“ erwartet.
Die haben sich was getraut damals, am Ende siegt das Gute nicht!?! Oder vielleicht doch…, das war eher realistisch als das Meiste was heute so im Tatort dargeboten wird! Dazu die Zeitreise ins Mauer-Berlin der 70er. Gesellschaftskritik an den Steuertouristen und Bauskandalen und etwas typisches Lebensgefühl jener Zeit…..! Sehenswert, auf jeden Fall!
hab so ziemlich alle Tatorte gesehen,
die ersten bzw. die aus den 70er u. 80ern
mag ich besonders;
aber der hier,
„der Boss“ war so ziemlich der schlechteste den ich jemals gesehen habe.
Einzig die Aufnahmen jener Zeit aus Berlin sind interessant.