Kurz und knapp – darum geht’s
Als die Leiche einer jungen Kroatin am Ufer eines Düsseldorfer Sees entdeckt wird, führen die Spuren zu einem skrupellosen Menschenhändler namens Kurt, der osteuropäische Frauen für Prostitution und Pornografie missbraucht. Während Flemming und Koch ermitteln, trifft der Bruder des Opfers in der Stadt ein und macht sich auf eigene Faust auf die Suche nach dem Mörder seiner Schwester. Als die Ermittler endlich das Netzwerk des Menschenhändlers durchschauen, befindet sich der rachsüchtige Bruder bereits in tödlicher Gefahr…
Inhalt der Tatort-Folge „Das Mädchen mit der Puppe“
Düstere Tristesse im Industriegebiet am Rande Düsseldorfs, wo zwischen verlassenen Fabrikhallen und rostigen Containern das Elend der Osteuropäer wuchert, die auf ein besseres Leben hoffen. Kommissar Flemming steht nachdenklich am Seeufer, während die Spurensicherung um die Leiche eines jungen Mädchens arbeitet. Die Tote trägt seltsame, kinderhafte Kleidung – wie eine Puppe herausgeputzt. „Sie war noch Jungfrau“, berichtet die Gerichtsmedizinerin überrascht, „die Kleidung wurde ihr erst kurz vor dem Tod angelegt.“
Flemming, dessen robuste Erscheinung seine innere Zerbrechlichkeit kaschiert, und seine Kollegin Koch, stets um Professionalität bemüht, stoßen bei ihrer Suche auf einen ausrangierten Bus, in dem osteuropäische Flüchtlinge hausen. Der Fund der persönlichen Sachen des Opfers führt zu der Erkenntnis, dass die junge Kroatin regelmäßig Geld an ihren Bruder Milan überwiesen hat – ein schmaler Geldfluss, der nun versiegt ist.
Die Ermittlungen führen in das Schattenkabinett des Menschenhändlers Kurt, dessen geschniegeltes Äußeres seine Skrupellosigkeit perfekt verbirgt. Seine Arbeitsvermittlung ist wie ein Spinnennetz, in dem er die Hoffnungsvollen aus dem Osten Europas einfängt. „Niemand wagt es, sich mir zu widersetzen“, prahlt er gegenüber seinem Handlanger Stipe – doch genau das hat das kroatische Mädchen getan, als es sich gegen pornografische Aufnahmen in Kinderkleidung wehrte.
Milan, der nun in Düsseldorf eintrifft, ist ein Mann wie ein Sturm, getrieben von Trauer und Rachedurst. Die fahle Wintersonne spiegelt sich in seinen tränenlosen Augen, als er seine Schwester identifiziert. Den Beamten gegenüber gibt er sich verschlossen, doch sein Herz brennt vor Entschlossenheit. Statt in den Zug nach Hause zu steigen, verschwindet er in den Gassen der Stadt. Sein Weg führt ihn zu Babsi, einer polnischen Frau aus Kurts Gefangenschaft, die in ständiger Angst lebt. „Deine Schwester wollte kein Teil davon sein“, flüstert sie. „Sie hat sich gewehrt – und das verzeiht Kurt nicht.“
Die Jagd nach der Wahrheit gleicht einer Fahrt durch ein Labyrinth aus Lügen und Verschleierungen. Während Flemming und Koch den Fotografen Carlo ins Visier nehmen, der kinderpornografische Bilder angefertigt hat, ist Milan ihnen bereits einen Schritt voraus. Mit einem Messer zwingt er Carlo zu reden, doch dieser führt ihn in die Irre. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Ermittlern, Milan und Kurts Bande verdichtet sich, als der Fotograf tot aufgefunden wird – scheinbar Selbstmord.
In den kalten Hallen des Industriegebiets, wo Kurts Imperium wie ein rostender Koloss thront, versteckt er osteuropäische Frauen in Containern – menschliche Ware, bereit zum Verkauf. Als Babsi sich auflehnt und die anderen Straßenkinder zum Widerstand aufruft, wird sie entführt. Milan, der sich in Kurts Gebäude eingeschlichen hat, sieht sich plötzlich in einer tödlichen Falle…
Hinter den Kulissen
Der WDR-Tatort „Das Mädchen mit der Puppe“ wurde unter der Regie von Markus Fischer in Düsseldorf gedreht. Für das Drehbuch zeichneten Peter Märthesheimer und Pea Fröhlich verantwortlich, die bereits für mehrere anspruchsvolle Fernsehdrehbücher bekannt waren. Als 14. Fall des Düsseldorfer Ermittlerduos war die Folge ein wichtiger Baustein in der Entwicklung der Charaktere von Flemming (Martin Lüttge) und Koch (Roswitha Schreiner).
In der Rolle des skrupellosen Menschenhändlers Kurt konnte der international bekannte Schauspieler Udo Kier gewonnen werden, der mit seiner unheimlichen Präsenz dem Antagonisten besondere Tiefe verlieh. Die Erstausstrahlung am 8. April 1996 erreichte beachtliche 7,25 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 22,09 Prozent entsprach.
Die Folge thematisierte mit dem Menschenhandel und der sexuellen Ausbeutung ein gesellschaftlich hochbrisantes Thema der 1990er Jahre. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und während der Jugoslawienkriege griff der Film die reale Problematik krimineller Netzwerke auf, die die wirtschaftliche Not und Vulnerabilität von Menschen aus osteuropäischen Ländern ausnutzten. Der Tatort stellte damit ein zeitgenössisches soziales Problem dar, das die Strafverfolgungsbehörden in den 1990er Jahren beschäftigte.
Trotz der schwierigen Thematik gelang es dem Film, die Problematik des Menschenhandels einem breiten Publikum zugänglich zu machen und gleichzeitig spannende Krimi-Unterhaltung zu bieten – ein Spagat, der den Tatort-Reihen auch in den folgenden Jahren immer wieder gelingen sollte.
Der Tatort mit der Nummer 330 aus der Landeshauptstadt Düsseldorf am Rhein. Hier ermittelt der Hauptkommissar Flemming zusammen mit seiner jungen Kollegin, der Kommissarin Koch, in einem heiklen und anrührenden Fall im Milieu der Zwangsprostitution, illegalen Menschenhandels und Frauen aus Ost-Europa. Die jungen Mädchen, welche nicht ohne Gegenwehr sich ihrem verfluchten Schicksal ergeben wollen, werden körperlich gezüchtigt, bis hin zum Totschlag und gezieltem Mord, wobei hier die Grenzen übergangslos ineinander übergehen. Die beiden gut geschulten Tatort-Mordermittler lassen diese Methoden außerordentlich nicht zu und Flemming, dieses Sympathie-Bündel, geht, zusammen mit Miriam, aufs Ganze. Ein wirklich spannender und fasziniert zu sehender Tatort-Spielfilm aus dem Jahr 1996, wobei man sich heute noch fragt, warum Hauptkommissar Flemming nicht mehr dabei ist. Als Wiederholung immer wieder sehenswert.
Interesting story. There is a vigilante action hero, like Liam Neeson in „Taken“, but the story is not about him but about the police (Flemming and Koch) following him. It is also about the morality of taking the law in your own hands. A discussion easily won if the bad guys are psychopaths and the victims are children. „Möchtes du ein Gummybärchen?“
Sehenswert, Rattenkönig wäre allerdings ein besserer Titel gewesen.
Diese Folge habe ich heute zum ersten Mal gesehen (kann mich zumindest nicht erinnern, sie ´96 gesesen zu haben). Spannendes Thema, im Stile der 90-er-Jahre umgesetzt.
Obwohl Flemming nicht gerade ein Sympathieträger ist, hat mich in diesem Fall das Thema interessiert (wenngleich heute m.E. die Sex-Industrie ganz anders organisiert ist und mit – eher harmlosen – Klein-Mädchen-Bildern wie im Film wohl nun kein großes Geld mehr zu machen ist; ich denke, auch in diesem Bereich ist das Geschäft „härter“ geworden).
Da über die Weihnachtsfeiertage im linearen TV wieder nur Mist lief und TO-Wh. Mangelware sind, habe ich mir mit meiner Holden zwei Flemming-Aufzeichnungen aus dem Dezember von der Festplatte gegönnt – zum zweiten die #330:
Also wenn einer _den_ Film-Bösewicht repräsentiert, dann Udo Kier – diese Augen!
Erinnert sich noch jemand an Lars von Triers „Geister“ von 1994/97?
Flemming hier mal etwas zurückhaltender, eher genervt, Kollegin Koch wie immer schnell mit der Waffe zur Hand.
Und auch hier hat sich wie in #313 „Tod eines Auktionators“ hinsichtlich der Kriminalitätsfelder in den vergangenen 25 Jahren im Grunde nix verändert, die sind heute noch genauso aktuell – was einem zu denken geben sollte.
Der schlechteste Flemming Tatort. Selbst Udo Kier wirkt wie aus einem billigen amerikanischen C-Videotheken Krimi. Übel 1 Stern
@ Oheim Petri:
Ich stimme Ihnen zu, dass dieser TO handwerklich sehr schlecht ist; m.E. wirkt er aber dadurch auch wieder irgendwie unfreiwillig komisch (so wie seinerzeit: „Der Angriff der Killer-Tomaten“). Ähnlich sah ich das übrigens auch bei dem Fasnacht-TO aus dem Schwarzwald vor 1 Jahr. In beiden Fällen jeweils ein „Trash-TO“, sozusagen.
5 Sterne waren aber wohl um einen zuviel …
Absurdität der 90er…
Minderjähriges osteuropäisches Mädel wird umgebracht weil sie gegen das Auto der Rattenkönig spuckt.
Ihr Bruder entpuppt sich als Bruce „Stirb Langsam“ Willis 2.0 und hackt Telefone und Fahrstühle.