Tatort Folge 541: Mietsache

Kurz und knapp – darum geht’s

Ein lebloser Körper treibt in der Hamburger Elbe – es ist der skrupellose Immobilienunternehmer Heinrich Kehl, der durch einen Stromschlag in seiner Badewanne zu Tode kam. Die Kommissare Casstorff und Holicek stoßen bei ihren Ermittlungen auf zahlreiche Verdächtige: vom vermeintlichen Mietshaus-Tyrannen fühlten sich nicht nur seine Mieter ausgebeutet, auch ehemalige Geschäftspartner sinnen auf Rache, nachdem Kehls Pleite viele in den Ruin getrieben hatte. Als die Ermittler auf die mysteriöse Carmen Radzynska stoßen, deren Vater sich wegen Kehl umgebracht haben soll, ahnen sie noch nicht, dass sie selbst in tödliche Gefahr geraten könnten …

Inhalt der Tatort-Folge „Mietsache“

Schlaflos wandert Hauptkommissar Jan Casstorff durch die nächtlichen Straßen Hamburgs, gequält von den Geistern ungelöster Fälle. Das kühle Licht der Straßenlaternen spiegelt sich in den Pfützen vom letzten Regenschauer, als sein Telefon klingelt. Im ersten Morgenlicht steht er dann an der Elbe, wo Polizeitaucher gerade einen leblosen Körper aus dem trüben Wasser bergen. Der Wind peitscht ihm ins Gesicht, während er auf die auffällig gekleidete Leiche starrt. Die Stadt Hamburg erwacht gerade erst zum Leben, doch für Heinrich Kehl ist es bereits zu spät.

Die Obduktion bringt Erstaunliches zutage: Badeschaum in der Lunge des Toten und Spuren eines Stromschlags deuten auf einen Mord in der eigenen Badewanne hin. „Ein elektrisches Gerät im Badewasser – da bleibt nicht viel Zeit zum Reagieren“, murmelt der Pathologe, während Casstorff gedankenverloren nickt. Der Kommissar spürt, dass dieser Tod kein Unfall war.

Casstorff trägt seine Einsamkeit wie einen schweren Mantel. Mit seiner ruhigen, fast stoischen Art wird er oft unterschätzt, doch hinter der Fassade brodelt es – der unausgesprochene Druck, jeden Fall perfekt lösen zu müssen, nagt an ihm wie Rost an Eisen. Sein Kollege Eduard Holicek hingegen versteckt seine Unsicherheit hinter rastloser Energie und ständiger Bewegung, als könnte er dem Alter und den eigenen Ängsten davonlaufen. „Wir sollten die Schwester des Opfers kontaktieren“, sagt er, obwohl beide wissen, dass sie irgendwo am Amazonas unerreichbar ist. Die beiden ergänzen sich wie Ebbe und Flut – der eine zieht sich zurück, während der andere vordrängt.

Das Mietshaus, in dem Kehl lebte und als inoffizieller Vermieter fungierte, gleicht einem Bienenstock voller Geheimnisse. Jede Wohnung birgt eine andere Geschichte, jeder Mieter ein mögliches Motiv. Als Casstorff das erste Mal durch die knarrenden Flure des Altbaus geht, fällt ihm die seltsame Atmosphäre sofort auf – eine Mischung aus Erleichterung und Furcht liegt in der Luft, als hätte der Tod des Vermieters einen Bann gebrochen und gleichzeitig einen neuen verhängt.

„Er war ein Tyrann“, flüstert eine ältere Mieterin hinter vorgehaltener Hand, während ein anderer Bewohner vom „Frauenhelden“ Kehl spricht, dessen Charme so falsch gewesen sei wie seine Geschäftspraktiken. Kehls Wohnung selbst präsentiert sich den Ermittlern klinisch rein, als hätte jemand alle Spuren akribisch beseitigt – ein deutlicher Kontrast zu dem chaotischen Leben, das der ehemalige Pornofilmproduzent und spätere Immobilienspekulant geführt hatte.

„Der Zusammenbruch seiner Firma war wie eine Kettenreaktion“, erklärt Jenny Graf vom Team, nachdem sie Kehls Vergangenheit durchleuchtet hat. „Manche seiner Geschäftspartner haben sich aus Verzweiflung sogar umgebracht.“ Die Spur führt zu Friedrich Bürger, Kehls ehemaliger rechter Hand, dem er vor Gericht die Hauptschuld an der Pleite angelastet hatte. Doch Bürger ist wie vom Erdboden verschluckt, ein weiteres Puzzlestück in diesem verworrenen Fall.

Während Holicek nach dem verschwundenen Bürger fahndet, dringt Casstorff immer tiefer in den Sumpf aus Beziehungen und Verstrickungen ein. „In diesem Haus sind Wände dünner als Papier, aber die Geheimnisse dichter als Beton“, murmelt er, als wieder eine Tür vor seiner Nase zuschlägt. Die Suche nach dem Mörder gleicht dem Versuch, in einem Labyrinth ohne Licht den Ausgang zu finden. Das Mehrfamilienhaus erweist sich als Mikrokosmos menschlicher Abgründe – Eifersucht, Hass und verzweifelte Hoffnungen prallen aufeinander wie Gewitterwolken in der stickigen Hamburger Sommerhitze.

Als plötzlich ein Feuer im Keller des Hauses ausbricht, verdichten sich die Hinweise. Die orangeroten Flammen züngeln an den morschen Holzbalken empor wie hungrige Tiere, als wollten sie weitere Geheimnisse für immer verschlingen. Feuerwehrsirenen durchschneiden die Nacht, während Rauch durch die Treppenhäuser kriecht wie ein lautloser Eindringling. „Das ist kein Zufall“, sagt Casstorff mit Bestimmtheit zu Holicek, der erschöpft an seinem Kaffee nippt. „Jemand versucht, Spuren zu verwischen.“ Die Frage bleibt: Wer hatte das stärkste Motiv, den unbeliebten Vermieter endgültig loszuwerden? War es Carmen Radzynska, deren Blick etwas Unergründliches verbirgt, ein anderer Mieter, der sich rächen wollte, oder doch der alkoholkranke Bürger, dessen Lebenstraum unter Kehls Machenschaften zerbrach wie ein Kartenhaus im Wind?

Hinter den Kulissen

Der NDR produzierte mit „Mietsache“ den 541. Film der Tatort-Reihe unter der Regie von Daniel Helfer, der zuvor auch bei „Ich bring dich hinter Gitter“ die Verantwortung trug. Das Drehbuch entstand in der Feder von Brigitte Drodtloff und Thomas Bohn – letzterer bereits ein erfahrener Tatort-Autor und -Regisseur.

In den Hauptrollen brillieren Robert Atzorn als Hauptkommissar Jan Casstorff und Thilo Prückner als sein Kollege Eduard Holicek, die in diesem Fall bereits zum sechsten Mal gemeinsam ermitteln. Die Dreharbeiten fanden in Hamburg statt, wobei besonders die Szenen an der Elbe und in dem Altbau-Mietshaus für authentische norddeutsche Atmosphäre sorgen.

Seine TV-Premiere feierte der Krimi am 5. Oktober 2003 im Ersten Programm und erreichte dabei beachtliche 7,09 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 20,5 Prozent entsprach. Die Kritiker lobten vor allem die dichte Atmosphäre und die sozialkritische Komponente des Films, der das Thema Immobilienspekulation und deren Folgen für betroffene Menschen eindrucksvoll beleuchtete.

Nach der Erstausstrahlung entwickelte sich unter Tatort-Fans eine rege Diskussion über die moralische Ambivalenz der Figuren – ein Aspekt, der diesem Fall eine besondere Tiefe verleiht. Der NDR wiederholte die Folge am 23. Juni 2020, wodurch „Mietsache“ auch Jahre später noch ein breites Publikum erreichte und an Aktualität nichts eingebüßt hatte.

Videos zur Produktion

ARD Plus- Trailer

Besetzung

Jan Casstorff – Robert Atzorn
Eduard Holicek – Thilo Prückner
Carmen Radzynska – Bibiana Beglau
Jenny Graf – Julia Schmidt
Annemarie Weber – Katja Weitzenböck
Friedrich Bürger – Michael Hanemann
Bruno Kern – Jürgen Schornagel
Daniel Casstorff – Fjodor Olev
Luise Bernd – Antje Hagen
Judith Vorbeck – Nina Petri

Stab

Kamera – Simon Schmejkal
Musik – George Kochbeck
Buch – Thomas Bohn
Buch – Brigitte Drodtloff
Regie – Daniel Helfer

Bilder – NDR/Thorsten Jander

4 Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

×
  1. vor 9 Jahren

    Der Tatort aus Hamburg mit der Nummer 541. Der Hauptkommissar Casstorff und sein Kollege Holicek ermitteln in einer Mordsache. Ermordet wurde ein Immobilienbesitzer, angeblich rücksichtslos und auf Geld fixiert gewesen war der. Nun ist er tot. Solider und sozialkritischer Tatort und der Familienanhang von Casstorff durfte auch nicht fehlen. Ein Bezug zu der Frau Hauptkommissarin Lindholm vom Tatort-LKA Hannover ist durchaus denkbar und man tut sich innerlich fragen, hat die Schreibkraft und der Bürobote ähnliche Probleme. Dennoch, für mich damals einer mit der besten Tatort-Kommissar und ein wenig aus der Erinnerung geraten. Er taucht aber ab und an noch als Inselkommissar auf und ist immer gerne gesehen.

  2. vor 4 Jahren

    Richtig angenehmer Sommer Tatort aus Hamburg mit einem eher muffigen Casstorff. Holicek hingegen hat zuviel am Hustensaft geschnüffelt und ist irgendwie high. Netter Film. 4 Sterne

  3. vor 3 Jahren

    Mäßig…

  4. vor 2 Monaten

    Der Tode wurde, nicht wie geschrieben, aus der Elbe gefischt sondern aus der Alster!

Neue Tatort-Folgen
Baden-Baden
14 Folgen
Berlin
96 Folgen
Bern
12 Folgen
Braunschweig
1 Folgen
Bremen
49 Folgen
Bremerhaven
1 Folgen
Dortmund
27 Folgen
Dresden
39 Folgen
Duisburg
29 Folgen
Düsseldorf
15 Folgen
Erfurt
2 Folgen
Essen
22 Folgen
Frankfurt
87 Folgen
Freiburg
1 Folgen
Göttingen
5 Folgen
Hamburg
105 Folgen
Hannover
30 Folgen
Heppenheim
1 Folgen
Kiel
51 Folgen
Köln
100 Folgen
Konstanz
31 Folgen
Leipzig
44 Folgen
Lübeck
2 Folgen
Ludwigshafen
81 Folgen
Luzern
17 Folgen
Mainz
7 Folgen
München
124 Folgen
Münster
47 Folgen
Nürnberg
10 Folgen
Saarbrücken
45 Folgen
Schwarzwald
14 Folgen
Stade
1 Folgen
Stuttgart
78 Folgen
Weimar
11 Folgen
Wien
90 Folgen
Wiesbaden
13 Folgen
Zürich
8 Folgen