Tatort Folge 687: Verdammt

Kurz und knapp – darum geht’s

Ein frisch aus der Haft entlassener verurteilter Kinderschänder liegt ermordet im Müllcontainer – ausgerechnet dort, wo einst auch sein achtjähriges Opfer gefunden wurde. Hauptkommissare Max Ballauf und Freddy Schenk treffen bei ihren Ermittlungen auf eine Wand aus Schweigen und Hass: Niemand trauert um Paul Keller, der zwölf Jahre für den Mord am kleinen Kevin eingesessen hat – nicht einmal seine eigene Familie. Als der Gefängnispsychologe Zweifel an Kellers Schuld äußert, müssen die Kommissare nicht nur einen Mörder finden, sondern auch eine alte Wahrheit hinterfragen. Als sie den Spuren der Vergangenheit folgen, geraten sie tiefer in ein Netz aus Pädophilie, Rache und Familienschuld, das jeden zu verschlingen droht …

Inhalt der Tatort-Folge „Verdammt“

Frischgebackener Opa Freddy Schenk versucht mit einem überdimensionierten Plüschtier sein Enkelkind zu beeindrucken, während sein Kollege Max Ballauf schweigend die graue Kölner Morgendämmerung betrachtet. Die Ruhe wird jäh unterbrochen: Eine Leiche im Müllcontainer, identifiziert als Paul Keller – gerade erst nach zwölf Jahren Haft als pädophiler Kindermörder entlassen und bereits tot. Wie ein Schatten liegt die Last der Vergangenheit über dem Stadtviertel, in dem Keller einst lebte.

„Ich würd‘ den kastrieren, wenn man mich lässt. Am besten gleich elektrischer Stuhl, und ganz langsam grillen“, spuckt Nachbar Klaus Stiegler den Ermittlern entgegen – er hat von Kellers Tod noch nichts erfahren. Die kalte Januarluft scheint das Eis in den Herzen der Menschen widerzuspiegeln. Niemand trauert um den Toten, nicht einmal seine eigenen Eltern. Die Familie wurde durch die Tat gebrandmarkt, musste ihre Gaststätte aufgeben, verlor Freunde und Ansehen.

Die Bürgerinitiative „Child Protection“ unter Führung von Stefan Maywald, Vater des ermordeten Jungen, hatte Flugblätter mit Kellers Foto verteilt und im Internet vor seiner Entlassung gewarnt. „Was machen Sie, wenn Sie den Mörder finden?“, fragt Ballauf den verbitterten Vater, der sein Leben dem Kampf gegen Pädophilie gewidmet hat. „Sollte ich ihm gratulieren?“, gibt dieser zurück. Die Ermittler spüren, wie schwer es ist, in diesem Fall unparteiisch zu bleiben.

Für Schenk, der gerade Großvater geworden ist, wiegt der Fall besonders schwer. Nervös überprüft er den neuen Babysitter seiner Enkelin – ein überstürzter Reflex, der die aufgeladene Atmosphäre widerspiegelt. Ballauf hingegen, kinderlos und nüchtern, mahnt: „Wut ist keine Lösung.“ Die Spannung zwischen den beiden Ermittlern spiegelt die moralische Zerrissenheit des Falls wider.

Der Gefängnispsychologe Dr. Strachov sät Zweifel: „Keller war mit dem Jungen befreundet, es gab keinen Grund, ihn umzubringen.“ Seine Worte öffnen eine Tür, die lange verschlossen war. War Paul Keller wirklich der Kindermörder, für den ihn alle hielten? Die Ermittlungen führen Ballauf und Schenk zu Daniel Günter, einem Informanten Maywalds in der Pädophilenszene – und wie sich herausstellt, war er als Jugendlicher in Kellers Wohnung, als dieser verhaftet wurde.

Die Fahndung nach der Wahrheit gleicht einem Abstieg in die dunkelsten Winkel der menschlichen Seele. Stück für Stück enthüllen die Kommissare ein komplexes Bild: Kellers Halbbruder Martin, dessen Freundin ihn wegen der familiären Verbindung zu einem Pädophilen verlassen hat; die verzweifelte Mutter Katharina, die ein falsches Geständnis ablegt; und schließlich die schockierende DNA-Spur an Kevins Kleidung, die nicht zu Keller, sondern zu Daniel Günter führt. Die Wahrheit ist, wie so oft, viel komplizierter als das einfache Schwarz-Weiß-Denken der Rachegelüste …

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Verdammt“ wurde vom 11. April bis 11. Mai 2007 in Köln und Umgebung gedreht. Zunächst unter den Arbeitstiteln „Schande“ und „Hoppe, Hoppe Reiter“ entstanden, feierte die 687. Tatort-Folge und der 39. Fall des Kölner Ermittler-Teams am 27. Januar 2008 im Ersten seine TV-Premiere. Regisseurin Maris Pfeiffer inszenierte das Drehbuch von Jürgen Werner, für den dies der erste Tatort war.

Mit 7,33 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 19,6 Prozent war die Ausstrahlung ein voller Erfolg. Die namhafte Besetzung, darunter Bernhard Schütz als Stefan Maywald, Hans-Jochen Wagner als Kinderporno-Händler Manfred Krüger (später selbst Tatort-Kommissar im Schwarzwald), sowie Barbara Schnitzler und Günter Junghans als Eltern des Ermordeten, wurde von Kritikern gelobt.

Die Presse würdigte den sensiblen Umgang mit dem schwierigen Thema. Tilmann P. Gangloff schrieb für tittelbach.tv: „Dem WDR-‚Tatort – Verdammt‘ gelingt die Gratwanderung, die ein Krimi zum Thema Kindesmissbrauch grundsätzlich darstellt.“ Auch Kathrin Buchner bei Stern.de lobte: „Mit emotionaler Wucht brach der ‚Tatort‘ namens ‚Verdammt‘ über uns herein […] Nicht didaktisch-langweilig, sondern packend und emotional mitreißend ist die Suche nach dem Mörder.“

Für aufmerksame Fans der Krimireihe versteckten die Macher zwei Easter Eggs: Tatort-Koordinator Prof. Gebhard Henke und Produzentin Sonja Goslicki fanden namentliche Erwähnung im Film. Zudem beeindruckte die Kameraarbeit von Gunnar Fuß, der durch extreme Nahaufnahmen der Gesichter eine besondere Intensität in die Dialogszenen brachte.

Videos zur Produktion

ARD Trailer

ARD Plus Trailer

Besetzung

Max Ballauf – Klaus J. Behrendt
Freddy Schenk – Dietmar Bär
Dr. Roth – Joe Bausch
Staatsanwalt von Prinz – Christian Tasche
Katharina Keller – Barbara Schnitzler
Martin Keller – Matthias Koeberlin
Daniel Günter – Martin Kiefer
Melanie Schenk – Karoline Schuch
Dr. Strachov – Oliver Nägele
Roland Keller – Günter Junghans
Manfred Krüger – Hans-Jochen Wagner
Paul Keller – Thomas Arnold
Stefan Maywald – Bernhard Schütz
Franziska – Tessa Mittelstaedt

Stab

Regie – Maris Pfeiffer
Kamera – Gunnar Fuß
Szenenbild – Frank Polosek
Buch – Jürgen Werner
Musik – Jörg Lemberg

Bilder – WDR/Uwe Stratmann

7 Kommentare

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  1. vor 17 Jahren

    Das war einer der tollsten, anspruchsvollsten, differenziertesten Tatorte, die ich je gesehen habe. Absolut empfehlenswert und ein guter Anlass, das Thema Missbrauch, Pädophilie, Lynchjustiz und öffentlicher Umgang damit zu diskutieren. Ein großes Lob an die Regie, ans Drehbuch, an die Kameraführung und an die Schauspieler. Ich werde diese Folge sicherlich im Unterricht verwenden.


  2. Ende der Erstausstrahlung

  3. Ian
    vor 17 Jahren

    Kann Anja da nur zustimmen. Hat mir sehr gut gefallen. In Anlehnung an die Tatort-Folge „Wem Ehre gebührt“ möcht ich jedoch feststellen, dass mit der heutigen Folge wiederum einmal ein „heißes“ Thema angerührt wurde. Das ist auch gut so. Meine Nachricht ist an diejenigen Zuschauer gerichtet, die sich unterdrückt und beleidigt fühlten, als die Folge „Wem Ehr gebührt“ ausgestrahlt wurde. Seid ihr denn jetzt ebenfalls entzürnt, dass in diesem Tatort das deutsche Volk als pädophil dargestellt wird? Ich weiss natürlich, dass es nicht so ist. Die, die es aber damals so verstanden haben (betr. Inzucht), müssen es doch jetzt ebenfalls so verstehen.Das ist der kleine aber feine Unterschied

  4. vor 13 Jahren

    Es ist immer wieder schön, wenn sich ein Tatort mit einem brisanten Thema beschäftigt.
    Auch dieses Mal ein dickes Lob: Gut aufbereitet und alle Aspekte wurden beleuchtet. Solche Serien gehen unter die Haut und klären gleichzeit auf. Respekt!

  5. vor 9 Jahren

    Der Tatort 687 aus der Domstadt Köln am Rhein. Es ermitteln die Hauptkommissare Ballauf und Schenk, an ihrer Seite die ebenfalls beliebten Darsteller Doktor Roth und Franziska Lüttgenjohan. Ein aus der Haft entlassender, angeblicher, Kindermörder und nachweislicher sexueller Triebtäter, kriegt gleich nach der Entlassung eins auf die Nase und anschließend eins in den Bauch, ein Messer. Dann landet er leblos in den Müllcontainer. Dieses tragische Tatort-Drama habe ich bislang zweimal gesehen und das wirklich Erschreckende daran ist, das Taten dieser Art und somit auch dieser Tatort, nach wie vor aktuell sind, wie die Presse in den letzten Tagen berichtete. Hervorragende Charaktere machen diesen sensiblen Tatort-Spielfilm beklemmend spannend. Ein sehenswertes gesellschaftliches Drama mit guten Wiederholungschancen.

  6. vor 8 Jahren

    Ein hartes Thema gut umgesetzt von den Kölnern und dem Westdeutschen Rundfunk. Spannend und nie aufdringlich oder mit dem Zeigefinger warnend. Absolut gut. 4,1 Sterne

  7. vor 7 Jahren

    Erschütternd.
    Man sieht welches Elend von selbsternannten Sherriffs produziert werden kann.
    Hoffentlich lernen einige „Bürgerwehr-Befürworter“ die das Gesetz selbst in die Hand nehmen wollen
    etwas aus diesem Tatort.

  8. vor 3 Jahren

    Einer der besten Kölner TO’s!!!
    Das gegebene Thema wurde vorbildhaft differenziert dargestellt.
    Wie @Anja 2008 treffend feststellte, eignet sich diese Folge sogar als ‚Lehrfilm‘.
    Ein ‚Schmankerl‘, dass der spätere Schwarzwald-Kommissar Hans-Jochen Wagner hier in der Rolle als perverser Kindesmissbraucher und Kinderporno-Ersteller (wie uebrigens auch im Faber-TO ‚Auf ewig Dein‘) auftritt.

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