Kurz und knapp – darum geht’s
Ein abgetrennter Daumen erreicht per Post die Kölner Kriminalpolizei und führt die Kommissare Max Ballauf und Freddy Schenk in das aussterbende Dorf Schaffrath, das wegen eines Braunkohletagebaus umgesiedelt wird. Die Ermittlungen offenbaren schnell eine Verbindung zu einem früheren Raubüberfall auf einen Geldtransporter, bei dem ein Fahrer erschossen wurde. Als die Kommissare den verdächtigen Landwirtschaftsgehilfen Hansi Lensen zur Rede stellen wollen, geraten sie in eine dramatische Situation, die das düstere Geheimnis des Dorfes zu enthüllen droht…
Inhalt der Tatort-Folge „Schürfwunden“
Kalt und trostlos liegt die Landschaft im Morgengrauen da, während die dröhnenden Bagger am Horizont schon das nahende Ende von Alt-Schaffrath ankündigen. Ein unscheinbares Päckchen landet auf dem Schreibtisch der Kölner Mordkommission – mit einem schockierenden Inhalt: ein abgetrennter menschlicher Daumen. Kommissar Max Ballauf starrt fassungslos auf das makabre Beweisstück, während sein Kollege Freddy Schenk nervös mit dem Kaffeebecher in der Hand auf und ab geht. 4569 Überstunden hat Schenk angesammelt, genug für mehr als zwei Jahre bezahlten Urlaub, doch stattdessen steht er vor diesem rätselhaften Fall, der sie beide in die gespenstische Atmosphäre eines sterbenden Dorfes führen wird.
Die beiden Ermittler folgen dem einzigen Hinweis – dem Poststempel auf dem Päckchen – nach Schaffrath bzw. Neu-Schaffrath. Was sie dort vorfinden, gleicht einer Geisterstadt in Wartestellung: Wegen eines Braunkohletagebaus muss der gesamte Ort umgesiedelt werden, die alten Gebäude warten auf den Abriss, selbst die Toten werden umgebettet. Die wenigen verbliebenen Bewohner klammern sich wie Überlebende eines sinkenden Schiffs an die letzten Reste ihrer Heimat. In dieser Atmosphäre des Verfalls wirkt die Dorfkneipe „Goldener Pflug“ wie ein trotziger letzter Widerstand gegen das Unvermeidliche.
„‚Wir stehen unter keinem Verdacht, oder?'“, fragt die attraktive Wirtin Alice Rausch mit einer Mischung aus Neugier und Nervosität, als die Kommissare in ihrer Kneipe auftauchen. Zusammen mit ihrer Tochter Tatjana und der Großmutter hält sie in Alt-Schaffrath die Stellung, während die Dorfgemeinschaft langsam zerbröckelt wie die verlassenen Häuser ringsum. Der „Goldene Pflug“ ist mehr als nur eine Kneipe – er ist der letzte soziale Anker in einer entwurzelten Gemeinschaft, wo sich Vergangenheit und eine ungewisse Zukunft in jedem Gesicht spiegeln.
Die Ermittlungen der Kommissare gleichen dem Versuch, in einem Grab zu graben, das bereits zugeschüttet wird. Jeder Hinweis bringt sie tiefer in ein Netz aus Geheimnissen und Komplizenschaft. Der abgetrennte Daumen gehört zu Guido Jensch, einem Mann, der bei einem Raubüberfall auf einen Geldtransporter den Fahrer erschoss und mit der Beute fliehen konnte. Seine vermutliche Komplizin, Gitte Schäfer, wurde gerade aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Die Verbindung zwischen diesem brutalen Verbrechen und dem verschlafenen Dorf bleibt zunächst so nebulös wie die Herbstluft über den Abraumhalden des Tagebaus.
Misstrauisch beobachten die Dorfbewohner die beiden Großstadtkommissare. Ihre Gesichter wirken wie verwitterte Landschaften, gezeichnet von der Unsicherheit des Neuanfangs und der Trauer um das Verlorene. Besonders der junge Landwirtschaftsgehilfe Hansi Lensen verhält sich auffällig. Seine nervösen Blicke und ausweichenden Antworten lassen Ballauf und Schenk aufhorchen. Als sie ihm schließlich auf den Fersen sind, entfaltet sich eine Tragödie, die wie ein plötzlicher Erdrutsch die dünne Schicht der Normalität durchbricht – Hansi flüchtet vor den Ermittlern und stürzt in die tiefe Braunkohlegrube, ein Unfall mit tödlichem Ausgang.
Die Ermittlungsarbeit in „Schürfwunden“ ist wie das langsame Freilegen eines vergrabenen Skeletts. Schicht für Schicht tragen Ballauf und Schenk den Schmutz ab, der die Wahrheit verdeckt, während um sie herum eine Gemeinschaft zerfällt wie Kreide zwischen den Fingern. Der Fall wird zur Metapher für das sterbende Dorf selbst – was an die Oberfläche kommt, ist dunkel, verstörend und unausweichlich wie die Bagger, die am Horizont warten.
Hinter den Kulissen
Der WDR-Tatort „Schürfwunden“ ist der 30. gemeinsame Fall der Kölner Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär). Die Dreharbeiten fanden im April und Mai 2004 statt, in einer Zeit, als die Diskussion um den Braunkohletagebau und die damit verbundenen Umsiedlungen ganzer Dörfer im Rheinland gesellschaftlich hochaktuell war. Die stimmungsvolle Szenerie des aussterbenden Dorfes und der bedrohlich heranrückenden Tagebauwüste bildet mehr als nur eine Kulisse – sie wird zum atmosphärischen Miterzähler der Geschichte.
Für die Regie zeichnete sich Niki Stein verantwortlich, der zum Zeitpunkt der Produktion bereits umfangreiche Erfahrung mit Tatort-Inszenierungen vorweisen konnte. Zu seinen früheren Arbeiten gehörten unter anderem die Tatort-Folgen „Manila“ (1998) ebenfalls mit Ballauf und Schenk, „Norbert“ mit den Münchner Ermittlern Batic und Leitmayr sowie „Oskar“ mit dem Frankfurter Team Sänger und Dellwo.
In den Nebenrollen glänzten Anna Schudt als Gastwirtin Alice Rausch, die später als Dortmunder Tatort-Kommissarin Martina Bönisch bekannt wurde, Karoline Teska als ihre Tochter Tatjana, Anja Lais in der Rolle der verdächtigen Gitte Schäfer sowie der junge Jona Mues als tragische Figur des Landwirtschaftsgehilfen Hansi Lensen.
Die Erstsendung des Tatorts mit der Folgen-Nummer 589 erfolgte am Sonntagabend, den 13. Februar 2005, im Ersten Programm der ARD. Die Kritiken lobten besonders die atmosphärische Dichte und die soziale Bodenhaftung des Films, der ohne „penetranten Botschaftszwang“ auskomme. Die Kombination aus klug konstruierter Krimihandlung und der eindrücklichen Darstellung einer durch äußere Umstände zerrissenen Dorfgemeinschaft machte „Schürfwunden“ zu einem, wie die Presse es nannte, „filmischen Krimi-Hochgenuss“.
!Spoiler! Hat jemand das Ende verstanden…? Ich begreif bis heute nicht, wieso dieser Holländer am Ende ein Himmelfahrtskommando veranstaltet… es war doch so klar, dass er erschossen wird, wenn er aus der Deckung kommt. Viel zu blutiges Ende…
Die Inhaltsangabe gibt einen guten Überblick.
Eeil er dachte, dass er den Schützen erledigt.
Er dachte nicht, dass es da oben 2 gibt.
Der Bruder hatte ja auch ein Gewehr und daher hat er ihn erschossen.
War leider abgelenkt – wer hat denn nun eigentlich den Finger geschickt bzw. die Hand dort versteckt und aus welchen Beweggründen? „Hansi“, sein Vater, die Blonde, der Polizist und sein Bruder steckten doch unter einer Decke, was die Leiche/das Auto und das Geld angeht – korrekt?
Dem eigenartigem Ende zum Trotz: starker Tatort in morbider Dorfkulisse!
Super Tatort mit einmaligem „Tagebauflair“. Hat was. Dazu gut gezeichnete Charaktere.
Ach – und so einen guten Tatort wiederholt man eher selten?! Habe ihn auf youtube gefunden … Wovon dem Freddy dann wohl schlecht war?
Der Tatort mit der Nummer 589 aus Köln mit einer richtigen Crime-Time-Story. Die beiden Hauptkommissare Ballauf und Schenk untersuchen den Tod eines Bankräubers, dessen Leichnam sie jedoch erst einmal finden müssen. Es verschlägt sie in ein abgelegenes Dorf im tiefen Braunkohlentageabbau und in weiterer Entfernung von Köln, mit einem schon aufgegebenen Dorf und nur noch wenigen, verschlagenen Bewohnern, welche ein erschreckendes Geheimnis untereinander haben und gegenüber Außenstehenden äußerst zurückhaltend sind. Aus beruflichen Gründen war ich Ende der 1990 Jahre in diesem Abbaugebiet unterwegs, erlebte den Tagebau, den Umzug von diesen Abräumbaggern, über Stock und Straßen, sowie menschenleere Dörfer mit. Der Film gibt die Umgebung realistisch wieder und ist insgesamt gesehen ein solider, eher mäßig spannender, Polizeifilm mit den beiden beliebten Kölner Tatort-Polizisten. Ich schaue mir den immer mal wieder gerne an. Auch ein schönes Zeitdokument der 2005 Jahre. Toll.
Mittelprächtiger Krimi, war ganz in Ordnung.
Couch und Einweihungsparty und Kleinwagen als „Running Gag“.
Wass ich mich seit 2005 abfrage. Wieso wirt Tegelen in dem krimi aufgefurt / erweënt als wohnsitz vonn dem Niederländer. Wass Ist die verbinding mit Tegelen und die Story.
Sehr unterhaltsam und sehenswert! Erinnert an einen Outlaw-Western bei einer sehr guten Charakterbesetzung.