Kurz und knapp – darum geht’s
Eine Richterin erschlägt beim Joggen am Bodensee ihren Angreifer – ein klarer Fall von Notwehr? Doch die Indizien sprechen eine andere Sprache: Das Opfer, ein scheinbar unbescholtener Familienvater, hatte sich anonym zu einem sadomasochistischen Rollenspiel verabredet. Kommissarin Klara Blum und Kai Perlmann stoßen auf ein Netz aus Rache, manipulierten Chats und Mikroexpressionen, die Lügen entlarven. Als sich die Spur plötzlich gegen die eiserne Richterin selbst richtet, geraten die Ermittler in einen Strudel aus Machtspielen, der ihre eigenen Grenzen auf die Probe stellt …
Inhalt der Tatort-Folge „Im Netz der Lügen“
Nebel hängt wie ein schleierhaftes Urteil über dem Bodenseeufer. Kommissarin Klara Blum, stets mit einem Notizblock voller unausgesprochener Fragen, mustert die blutverschmierten Gewichtsmanschetten der Richterin Heike Göttler. „Ich habe mich verteidigt. Mehr nicht“, erklärt die Juristin, ihre Stimme kalt wie Stahl. Doch Blums Partner Kai Perlmann, dessen scheinbar lässige Art immer wieder mit forensischer Präzision kollidiert, registriert den Hauch von Triumph in ihrem Blick.
Der Tatort „Im Netz der Lügen“ beginnt mit einem Paradox: Hartmut Roth, Opfer und Täter zugleich. Seine Leiche liegt zwischen herbstlichen Baumwurzeln, daneben der zerknüllte Ausdruck einer Chatverabredung – „Justine“ unterschrieben. Während Perlmann in dunklen Online-Foren versinkt, wo Pseudonyme wie „Schattenherz“ und „Eisbrecher“ Gewaltfantasien tauschen, stolpert Blum über ein Detail: Göttlers WLAN wurde für die tödliche Einladung genutzt. „Ein Zufall?“, fragt sie, als Regen gegen die Scheiben der Konstanzer Dienststelle trommelt.
Die Ermittlung gleicht dem Entwirren eines verknoteten Seils. Mikroexpressionen-Experte Prof. Lorenz, gespielt mit der Präzision eines Schachspielers, zerlegt Göttlers Verhörvideos Frame für Frame. „Verachtung, keine Angst“, raunt er, während auf dem Monitor ihr Mundwinkel zuckt – ein unwillkürliches Lächeln? Parallel taucht Ernst Heck auf, ein wegen Vergewaltigung verurteilter Ex-Lehrer, dessen Hass auf Göttler so greifbar ist wie der modrige Geruch seiner Gartenlaube. „Sie hat mein Leben zerstört“, faucht er, doch seine Alibi-Fäden reißen nicht.
In einer Schlüsselszene, unter neonbeleuchteten Server-Schränken eines Chatproviders, finden Blum und Perlmann die IP-Spur zurück zu Göttlers Laptop. „Justine“ – kein Pseudonym, sondern ein versteckter Spottname aus dem Gerichtskorridor. Als die Kommissarin die Richterin mit den Beweisen konfrontiert, erstarrt der Raum. Draußen peitscht der Föhnwind über den See, drinnen ringt Göttler um Fassung: „Sie spielen mit Feuer, Blum.“
Doch der Tatort bleibt ein Meister der Ambivalenz. Selbst in der finalen Konfrontation, als Heck seine Ex-Frau in eine tödliche Falle lockt, bleibt unklar: Wer zieht hier die Fäden? Die Antwort liegt im Schweigen zwischen zwei Herzschlägen – und in einem Geständnis, das erst unter Tränen kommt …
Hinter den Kulissen
„Im Netz der Lügen“ (Arbeitstitel: „Strafe muss sein“) wurde vom SWR in Kooperation mit Maran Film vom 14. September bis 23. Oktober 2009 gedreht. Drehorte waren neben Konstanz die Gerichtsgebäude von Karlsruhe und die nebligen Uferpromenaden bei Baden-Baden. Karin Giegerich, bekannt aus „Tatort: Borowski“, verkörperte die ambivalente Richterin Heike Göttler mit eisiger Präsenz, unterstützt von Mark Waschke als rätselhaftem Ernst Heck.
Die Folge feierte am 6. Dezember 2009 Premiere und erreichte 9,64 Millionen Zuschauer:innen (Marktanteil: 25,6 %), womit sie zum bis dahin erfolgreichsten Konstanzer Tatort avancierte. Bemerkenswert: Die 2012 für den Deutschen Hörfilmpreis nominierte Audiodeskription wurde von Uta Maria Torp eingesprochen, deren Stimme auch Dokumentationen über forensische Psychologie vertonte. Ein Detail für Cineasten: Die Mikroexpressionen-Analysen basieren auf der Forschung des US-Psychologen Paul Ekman – Inspirationsquelle für die Serie „Lie to Me“.
War ganz gut. Der Bodensee Tatort hat immer ganz gute Stories.
Wieder mal die üblichen kleinen Fehler in einem ansonsten sehr solide gestrickten Tatort mit guten Dialogen, Wendungen und Schauspielern.
Ein Fehler:
Die Richterin schlüpft barfuß in ihre Jogginschuhe um laufen zu gehen. Später als Klara Blum sie am See(dem Tatort) befragt, trägt sie aber Socken in den Schuhen… (???)
Die Vorschusslorbeeren waren übertrieben. Eine sehr gute Idee (Rachelüstiger steuert per Internet vermeintliche Täter auf vermeintlich willige Opfer) wurde gewohnt aufgesetzt umgesetzt.
Als der Student den hausmeisternden Täter nach seinem Laptop fragte, war leider schon alles klar.
Und bei der Richterin wurde es mit der Symbolik auch übertrieben. Warum wurde deren Haus nicht gleich ganz schwarz oder ganz weiß ausgestattet?
Klara Blum, die Rotweinentspannerin, in ihrer Selbstzufriedenheit kann ich mir kaum noch zumuten, aber Tatort muss halt sein.
Lasst doch bitte, bitte den Perlmann ran, bitte!!!
.. und, lovemate, gleich noch ein Fehler, den ich noch schlimmer finde: es wurde davon gesprochen, dass Hecks Exfrau zum Rudern geht bzw. zum Ruderverein, und dann paddelt sie im Kajak zum Kanuverein, das sind ja nun völlig verschiedene Sportarten! Unmöglich, Frau Drehbuchautorin!
Na ja, der Fall war ok, aber nicht überragend. Ungeschütztes WLAN mit Klarnamen, ja ne is klar, anno 2011? Wäre 2005 noch glaubwürdig gewesen, aber so?
Abgesehen davon wurde der eigentliche Täter durchaus zu früh verraten durch die Laptopgeschichte.
Auch sonst mal wieder etwas klischeehaft gestaltete Rollen. Die Richterin als alleinlebende Superemanze, natürlich sieht das Haus mal wieder aus wie aus einem Werbeprospekt, hohe Fenster und natürlich hocht die Richterin da ganz cool auf dem Sofa im Schneidersitz am Glastisch, ja ja.
Der essentielle Nebenstrang darf natürlich auch nicht fehlen, in diesem Fall der zwielichte Journalist, der die arme Beckchen ausnutzt, weil Perlmann nach einigen Jahren wohl immer noch nicht bei der Guten landen konnte(was dann auch wieder zu viel Stoff für OT wäre).
Trotzdem noch eine solide Folge und mal eine Abweichung vom herkömmlichen „Whodunnit“.
Also ehrlich gesagt verkommt der Tatort immer mehr zum unrealistischen Witz.
Die Folge war zwar filmisch solide gemacht, dramaturgisch betrachtet aber Abfall. Unrealistischer sind sonst nur Einlagen unter der Federführung von Jeltsch á la „Strahlende Zukunft“.
Das ist alles kritikwürdig und der Realitätsbezug fragwürdig:
1. Obwohl diese Sadomaso-Chatter sich sonst immer mit Paßwörtern und Safewords verabredet haben und die später fälschlich irgendwo hingeschickten falschen SM-Interessierten deswegen auch gleich wieder problemlos heimgingen, haut der Täter die Richterin gleich um, daß sie auf die Steine am Strand fliegt, ohne vorher mit ihr zu reden. Schon klar, sehr logisch.
2. Die eigentliche Tat rückt später in den Hintergrund, als es darum geht, wer diese falschen Fährten gelegt hat. Obwohl immerhin ein Mensch umgekommen ist.
3. Natürlich kann die Richterin mal eben den Sohn des Täters umhauen, ohne daß es Konsequenzen hat.
4. Offenes WLAN – ja ist schon klar, anno 2011 noch mit offenem WLAN unterwegs und dann noch mit Klarnamen. Obwohl seit ca. 5-6 Jahren die meisten WLAN-Geräte ab Werk mit aktivierter Verschlüsselung ausgeliefert werden. Abgesehen davon kann man eine Verschlüsselung auch knacken. Ist sowieso eine fragwürdige Sache – in der Regel braucht es eine staatsanwaltliche Anordnung an den Seitenbetreiber, die IP herauszugeben, und dann muß das nochmal über den Provider beantragt werden, herauszufinden, wer da nun hintersteckt.
5. Abgesehen davon war schon sehr früh klar, wie der Hase läuft, als der Hausmeister das Notebook versteckt hielt.
6. Mir ist keine Uni bekannt, wo nach jeder Vorlesung der Hausmeister durchmarschiert und saubermacht. Da dürfte auch die Uni Konstanz keine Ausnahme sein. Dafür gibt es Putzdienste, die angemietet werden.
7. Dieser Gesichtslese-Doktor mit Erkältung wirkte auch eher wie aus einer Krimikomödie entsprungen.
8. Natürlich ist der Journalist rein zufällig Beckchens neuer Freund, und unser Superermittler Perlmann kann auch mal eben die Speicherkarte beschlagnahmen, ohne Protokoll dafür und natürlich kann er dann auch gleich den bösen bösen Journalisten erpressen, Beckchen zu verlassen, da er es in den Jahren immer noch nicht geschafft hat, bei ihr zu landen.
9. Warum Heck eigentlich nicht in Revision ging, ist unklar.
Fazit:
Insgesamt wenig glaubwürdiger Fall, dem es nur um reißerische Aufmachung geht.
Heute, auf SWR um 20:15 h, lief der Tatort 795. Seit bekannt geworden ist, dass dieses Ermittler-Duo die Bodensee-Segel streicht, schaue ich mir ab und an eine dieser Folgen an, wahrscheinlich um das Gefühl vermittelt zu bekommen, nicht viel verpasst zu haben. Eine interessante Begegnung wird gezeigt. Eine attraktive, karriere-bewußte, sportlich durchtrainierte und Kampfsport beherrschende Richterin, mit wissenschaftlichen Studium, trifft, ……… auf Frau Blum. Alles herum erscheint nebensächlich. Die pseudo-sexuellen Machenschaften der Oberschicht, die stumpfen Abartigkeiten der weniger gesellschaftlich gut gestellten Mitbürger. Nur Frau Blum. Ich möchte nicht wissen, was für einen Apparat Justitia in Bewegung setzen würde, wenn eine rechtssprechende Person, aufgrund Ihrer Urteilsfindung, anschließend durch die verurteilten Angeklagten drangsaliert wird. Außer einen Einsatz von Frau Blum. Die Grimassen-Deuter in Selbstausbildung waren ein zusätzlicher Höhepunkt dieses nichts sagenden Films. Alles Gute Frau Blum.