Kurz und knapp – darum geht’s
Ein ehemals gefeierter Jazzmusiker wird tot am Hamburger Hafen aufgefunden. Die Kommissare Stoever und Brockmöller sind erschüttert, in dem Opfer ihr einstiges musikalisches Idol zu erkennen, das in die Obdachlosenszene abgerutscht war. Bei ihren Ermittlungen stoßen sie auf einen aktuellen Chart-Hit, den das Opfer kurz vor seinem Tod als sein eigenes Werk bezeichnet hatte – und der nun als Herzstück eines glamourösen Musicals dienen soll. Als ein weiterer Obdachloser mit brisantem Wissen über den mutmaßlichen Musikdiebstahl ermordet wird, geraten die Kommissare in einen tödlichen Konflikt um Ruhm, Geld und gestohlene Kreativität …
Inhalt der Tatort-Folge „Ausgespielt“
Der kalte Februarwind fegt über den Hamburger Hafen, als die Kommissare Stoever und Brockmöller an einem grauen Morgen zu einer Leiche gerufen werden. Nebelschwaden hängen noch über dem Wasser, während die Männer fassungslos auf das Gesicht des Toten starren – Max Zeller, einst brillanter Jazzmusiker, dessen Saxophonklänge sie in jungen Jahren in rauchigen Clubs bewundert hatten. Nun liegt er hier, ärmlich gekleidet zwischen Hafenkränen und rostigen Containern, ein Abglanz seiner selbst.
Stoever, mit seinem für ihn typischen Sinn für Melancholie, streicht nachdenklich über das abgegriffene Revers des Opfers. „Wer hätte gedacht, dass er so endet?“ murmelt er zu Brockmöller, der ebenso betroffen wirkt. Diese persönliche Verbindung verleiht dem Fall eine besondere Dringlichkeit – nicht nur Pflichtbewusstsein, sondern aufrichtige Anteilnahme treibt die Ermittler an.
Die Spuren führen die Kommissare zunächst in einen Jazzclub, wo die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Im flackernden Licht der Bühnenbeleuchtung erzählt ihnen der Barkeeper von Zellers letzten Jahren – vom tiefen Fall eines einst gefeierten Künstlers, dessen Karriere wie ein falsch angeschlagener Ton verklungen war. „Die Flasche wurde sein treuester Freund“, erklärt er, während im Hintergrund ein einsames Piano melancholische Akkorde anschlägt.
Zellers Ex-Freundin Tina Beck scheint dagegen auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen. In einem modern gestalteten Probenraum arbeitet sie am neuen Hit-Musical, dessen Titelsong „Das andere Leben“ die Charts erobert. „Max war ein Genie, aber er konnte mit dem Erfolg nicht umgehen“, erklärt sie distanziert, während ihr Blick unstet durch den Raum wandert. Hatte sie mehr mit seinem Absturz zu tun, als sie zugeben will?
Wie Puzzleteile eines zerbrochenen Lebens sammeln Stoever und Brockmöller weitere Hinweise: Zellers verschuldeter Neffe Achim, der plötzlich Alleinerbe ist; der zwielichtige Komponist Detlev Markowski, der beim Gespräch nervös mit den Fingern auf den Klaviertasten klimpert; der ambitionierte Musikproduzent Sven Planitz, dessen Büro wie ein Tempel des kommerziellen Erfolgs wirkt; und nicht zuletzt Ulrich Gerstenberg, ein langjähriger Förderer, dessen Zuneigung zu Tina Beck mehr als professioneller Natur zu sein scheint.
„Er hat dieses Lied geschrieben, es ist eindeutig seins“, hatte Zeller am Abend vor seinem Tod gegenüber seinen obdachlosen Freunden Grabert und Fellgiebel gewettert – und war ausgelacht worden. Die Szene unter der Hamburger Brücke gleicht einem düsteren Schattenspiel, wenn die Kommissare die anderen Obdachlosen befragen. „Als hätte jemand von uns was zu sagen in dieser Welt“, kommentiert einer von ihnen bitter.
Doch Bruno Fellgiebel, ein wettergegerbter Mann mit scharfem Verstand, sieht seine Chance. Wie ein Raubtier auf der Pirsch schleicht er durch die Musikszene Hamburgs, konfrontiert Markowski mit seinem Wissen über den vermeintlichen Diebstahl geistigen Eigentums. „In dieser Stadt hat niemand Geheimnisse“, raunt er dem erschrockenen Komponisten zu, während er nach Geld für sein Schweigen verlangt.
Die Fahndung gleicht einem Balanceakt zwischen zwei Welten – der glitzernden Musikbranche und der harten Realität der Straße. Als die Kommissare in Stovers gemütlicher Wohnung alte Vinyl-Platten von Zeller auflegen, trifft sie die Erkenntnis wie ein Blitzschlag – die unverkennbare Ähnlichkeit zwischen Zellers alten Kompositionen und dem neuen Hit. „Hörst du das?“, fragt Brockmöller mit leuchtenden Augen, während die Jazznoten den Raum erfüllen.
Doch bevor sie dieser Spur nachgehen können, erschüttert ein weiterer Mord die Stadt – Bruno Fellgiebel wird erwürgt in einer heruntergekommenen Pension gefunden. Plötzlich verdichten sich die Schatten um den Fall, und was als tragischer Tod eines vergessenen Musikers begann, enthüllt sich als gefährliches Netz aus Betrug, Eifersucht und der verzweifelten Jagd nach dem großen Erfolg …
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Ausgespielt“ ist die 352. Folge der traditionsreichen Krimireihe und wurde vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) produziert. Für den erfahrenen Regisseur Jürgen Roland, der bereits zahlreiche Hamburg-Tatorte inszeniert hatte, bot dieser Fall eine besondere Möglichkeit, die Kontraste der Hansestadt einzufangen – von glitzernden Musicalbühnen bis zu den Schattenseiten des Hafenviertels. Die Dreharbeiten fanden im Winter 1996/97 statt, wobei die authentischen Hamburger Locations sowohl die Hafengegend als auch etablierte Musikclubs der Stadt umfassten.
Die Hauptrollen spielten wie gewohnt Manfred Krug als Kriminalhauptkommissar Paul Stoever (sein 30. Fall) und Charles Brauer als Peter Brockmöller (sein 27. Fall). Besonders reizvoll war die Besetzung der Nebenrollen: Der bekannte Jazzsänger Bill Ramsey übernahm eine Gastrolle, was der Musiker-Handlung zusätzliche Authentizität verlieh. Auch der norddeutsche Moderator Carlo von Tiedemann war in einer kleinen Rolle zu sehen, während der Pianist Gottfried Böttger mehrfach am Klavier zu erleben war. Das Drehbuch stammte aus der Feder von Werner Kettenbach.
Bei seiner Erstausstrahlung am 23. Februar 1997 erreichte „Ausgespielt“ beachtliche 9,42 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 26,90 Prozent entsprach. Die Kritiker lobten besonders die atmosphärische Darstellung der Hamburger Musikszene und die sensible Auseinandersetzung mit dem Thema Obdachlosigkeit.
Eine Besonderheit dieses Tatorts war die Vermarktung des fiktiven Musicals: Der Song „Das andere Leben“ wurde tatsächlich als Single veröffentlicht und konnte von den Zuschauern erworben werden. Nach der Ausstrahlung kursierten in Fankreisen Theorien darüber, inwieweit die Geschichte von realen Plagiatsvorwürfen in der Musikbranche inspiriert worden sein könnte, was die Produzenten jedoch nie bestätigten.
Besetzung
Hauptkommissar Stoever – Manfred Krug
Kommissar Brockmöller – Charles Brauer
Bruno Fellgiebel – Veit Stübner
Detlev Makowski – Jörg Pleva
Max Zeller – Joachim Regelin
Sven Planitz – Burghardt Klaussner
Bill Hansen – Bill Ramsey
Tina Beck – Anna Maria Kaufmann
Günther Grabert – Horst Frank
u.a.
Stab
Drehbuch – Hans-Werner Kettenbach
Regie – Jürgen Roland
Bilder: NDR
Der Tatort mit der Nummer 352 aus Hamburg, Es ermitteln die zuständigen Hauptkommissare der Mordkommission, Stoever und Brockmöller. Ermordet wird ein Obdachloser und Stoever sowie Brockmöller sind erstaunt. Dieser ehemalige erfolgreiche Club-Musiker ist ihnen persönlich gut bekannt, vor Jahren war der ein erfolgreicher Jazz-Interpret. Kurz nach dem Mord passiert ein zweiter, wieder im Milieu der Wohnungslosen und Gestrauchelten. Die erfahrenen Profis kombinieren richtig! Interessanter und sehenswerter Tatort-Spielfilm über menschliche Schicksale, Diebstahl geistigen Eigentums, Verletzung der Urheberrechte, Mord. Und für Mord und Totschlag, dieses weiß der aufmerksame Tatort-Zuschauer, ist die Motivlage unendlich. Regie führte übrigens Jürgen Roland.
Ein Tatort mit prominenter Besetzung. Am besten gefiel mir Horst Frank. Er, der sonst eher arrogante, snobistische Typen darstellt, hat den stammelnden Penner sehr gut und überzeugend gespielt.