Polizeihauptmeister Reinhold Dietze ist ein erfahrener Streifenpolizist, dessen raue Schale einen tiefgründigen Charakter verbirgt, der zwischen Berufung und Trauma schwankt.
Das Profil: Der Mann von der Streife
Reinhold Dietze
Reinhold Dietze ist das, was man einen „Urgestein“ nennt. Auf dem 13. Polizeirevier in Frankfurt ist er der Mann, der jeden und jedes kennt. Sein Beruf ist für ihn sowohl Traum als auch Albtraum, eine Ambivalenz, die sich in seiner gesamten Erscheinung widerspiegelt. Er trägt seine Schirmmütze tief im Gesicht und lehnt alles Moderne ab – von der Computerfahndung über Großraumbüros bis hin zu Frauen im Polizeidienst. Seine kompromisslose Art, immer die ungeschminkte Wahrheit zu sagen, kostete ihn sogar seine Ehe.
Doch hinter dieser schroffen Fassade verbirgt sich ein von einem traumatischen Ereignis gezeichneter Mann. Seit er vor Jahren einen jungen Mann in Notwehr erschoss, trägt er seine Dienstwaffe nicht mehr am Körper. Die offizielle Rechtfertigung konnte die inneren Dämonen nicht besiegen. Dieses Trauma wird in seinem einzigen Fall, „Acht, neun – aus!“, direkt auf die Probe gestellt. Als sein junger Kollege Michael Lück aus Rache für die Attacke auf seine Frau eigenmächtig ermittelt, erkennt Dietze die gefährliche Spirale der Vergeltung, in die sein Partner gerät, nur zu gut. Anstatt mit erhobenem Zeigefinger zu agieren, zeigt er sich besorgt und versucht, mäßigend auf Lück einzuwirken – eine Haltung, die seine sensible Seite erahnen lässt. Seine anfänglichen Pläne, den Dienst zu quittieren und nach Hamburg zu ziehen, werden durch die tragischen Ereignisse dieses Falls zunichtegemacht. Am Ende entscheidet sich der vermeintlich Abgeklärte doch dafür, zu bleiben; ein Zeichen seiner tiefen Verbundenheit und Pflichtauffassung.
In seiner Freizeit boxt er nicht mehr aktiv, schaut aber leidenschaftlich gerne zu. Nach Dienstschluss trifft man ihn mit Kollegen auf ein Bier in einer Bar, wo sein Lieblingslied „As time goes by“ seine melancholische und reflektierte Seite offenbart.
Die Dynamik / Der Ermittlungsstil: Ein Mann des Reviers
Reinhold Dietze ist kein Kommissar, der komplizierte Fälle am Schreibtisch löst. Sein Ermittlungsstil ist der eines Praktikers, der sein Revier und die Menschen darin kennt. Er ermittelt aus der Perspektive der Streife, auf der Straße, mit einem Netzwerk aus Informanten und einem Gespür für die Ungereimtheiten des Alltags. Seine Methode ist weniger analytisch als vielmehr intuitiv und erfahrungsbasiert.
Sein Verhältnis zu seinem jungen Kollegen Michael Lück ist von einer fast väterlichen Dynamik geprägt. Er duldet dessen anfängliche Naivität und später dessen blinde Wut, nicht aus Schwäche, sondern weil er die Gefühle des jungen Mannes versteht und ihn vor den schlimmsten Konsequenzen seiner eigenen Emotionen bewahren will. Die Tragödie des Falls besteht darin, dass er dies nicht vermag. Dietzes Rolle ist die des warnenden, aber letztlich ohnmächtigen Beobachters, der die Katastrophe kommen sieht, ohne sie verhindern zu können. Sein Umgang mit der Bistro-Besitzerin Petra zeigt zudem, dass er trotz aller Abgeklärtheit und angeblichen Menschenkenntnis täuscht werden kann, was ihn umso menschlicher wirken lässt.
Frankfurt als Schauplatz
Frankfurt am Main der 1980er Jahre ist mehr als nur eine Kulisse; sie ist die Essenz dieses Tatorts. Die Handlung spielt in den „grauen Straßenschluchten“ und dem neonbeleuchteten Labyrinth des Bahnhofsviertels, einer Welt zwischen glitzernder Bankenmetropole und heruntergekommenem Milieu. Dieser Ort passt perfekt zu Reinhold Dietze: oberflächlich hart, schroff und undurchsichtig, aber mit einer eigenen, melancholischen Seele. Die Stadt mit ihren Gegensätzen ist sein natürliches Habitat. Er bewegt sich sicher durch die Boxclubs und zwielichtigen Bars, ein Teil dieser Welt, der ihre Gesetze kennt und respektiert. Frankfurt ist kein schöner Ort in dieser Erzählung, sondern ein rauer, lebendiger Charakter, der die düstere Stimmung des Falls maßgeblich prägt und Dietzes eigene Zerrissenheit zwischen Pflichtgefühl und Überdruss widerspiegelt.
Abschluss
Obwohl Reinhold Dietze nur in einem einzigen Fall ermittelte, hinterließ er als einfacher Polizeihauptmeister eine unverwechselbare Spur in der Tatort-Welt. Er ist ein in sich stimmiger, tiefgründiger Charakter, dessen kurzer Auftritt eine erstaunliche emotionale Tiefe und Authentizität entfaltet. Sein Kampf mit den Geistern der Vergangenheit und seine unerschütterliche Haltung machen ihn zu einer unvergesslichen Figur, die zeigt, dass wahre Helden nicht immer Kommissare sein müssen.