Kriminalhauptkommissar Hans Georg Bülow ist ein distinguiert-eleganter Einzelgänger, der sich in den 1980er Jahren mit feiner Intuition und einem unkonventionellen Lebensstil durch die Fälle der West-Berliner Szenerie ermittelt.
Das Profil: Der austernschlürfende Anti-Schimanski
Hans Georg Bülow
Bülow ist der Inbegriff des kultivierten Gentleman-Ermittlers. Nach dem Tod seiner Frau und einer beruflichen Station in Hamburg kehrt er an das Ende seiner Karriere nach Berlin zurück, um die Leitung des 3. Kommissariats zu übernehmen. Sein Auftreten ist stets höflich, freundlich und von weltmännischer Eleganz geprägt – er trägt stets Krawatte und Maßanzug, was ihm den Spitznamen „Don Flanello“ einbrachte. Im krassen Gegensatz zu anderen Ermittlern seiner Zeit meidet er die Polizeikantine und zieht stattdessen feine Restaurants vor, finanziert vom Erbe seiner verstorben Frau.
Sein Ermittlungsstil ist ebenso unkonventionell wie sein Lebenswandel. Bülow verlässt sich weniger auf Aktenlage oder moderne Fahndungsmethoden als vielmehr auf seinen scharfen Menschenverstand und sein Bauchgefühl. In „Alles Theater“ beobachtet er beispielsweise nicht nur die Schauspieler auf der Bühne, sondern vor allem die angespannte Atmosphäre und die unausgesprochenen Konflikte hinter den Kulissen, was ihm hilft, das komplexe Beziehungsgeflecht zu durchdringen. Obwohl er ein exzellenter Schütze ist, lehnt er Waffen ab und fährt lieber Taxi als Streifenwagen. Seine besondere Beziehung zur Sekretärin Sonja Bach, der er stets einen Handkuss zur Begrüßung gibt, unterstreicht seinen altmodischen Charme.
Prägende Erlebnisse formten seinen Charakter: Die Rückkehr nach Berlin ist von der Trauer um seine Frau überschattet, und in Fällen wie „Schuldlos schuldig?“ zweifelt er aufgrund einer persönlichen, wenn auch flüchtigen Begegnung mit dem Opfer sein eigenes Urteilsvermögen massiv an und treibt die Ermittlungen aus einem tiefen Bedürfnis nach Gerechtigkeit voran, selbst wenn die Wahrheit unbequem ist.
Matthias Leuschner & Das Team
Bülows Rückkehr nach Berlin stößt bei seinem direkten Untergebenen, Kommissar Matthias Leuschner, zunächst auf deutliche Vorbehalte. Der erfahrene Leuschner fürchtet wohl die Einmischung des älteren, zurückgekehrten Chefs und mustert ihn anfangs mit Skepsis. Diese anfängliche Spannung legt sich jedoch, als Leuschner erkennt, dass Bülows unorthodoxe Methoden und sein Instinkt oft entscheidende Ermittlungsimpulse setzen. In „Die kleine Kanaille“ ist es Leuschner, der durch einen telefonischen Kontakt zu seinem Duisburger Kollegen Schimanski cruciale Informationen über die Vergangenheit des Verdächtigen beschafft und so Bülow unterstützt. Das Team rund um Bülow unterliegt jedoch auch Veränderungen; in späteren Fällen wie „Keine Tricks, Herr Bülow“ sind die vertrauten Gesichter wie Leuschner oder Sonja Bach durch neue Kollegen wie Karin Jellineck ersetzt, was Bülow zunächst zu einer Anpassung zwingt.
Die Dynamik: Intuition gegen Protocoll
Bülows Ermittlungsstil ist ein stetes Wechselspiel zwischen Intuition und konventioneller Polizeiarbeit. Sein credo könnte lauten: „Keine Tricks“, wie der Titel einer Folge verrät. In genau dieser Folge „Keine Tricks, Herr Bülow“ geht dieser Glaube an den direkten, offenen Umgang so weit, dass er sich im Fall einer Geiselnahme unbewaffnet den Tätern nähert und sein Leben riskiert – zur Sorge seiner Kollegen. Sein Ehrenkodex und seine Courage machen ihn zu einem unberechenbaren, aber äußerst effektiven Ermittler.
Sein Verhältnis zu Vorgesetzten wie Kriminaloberrat Stegmüller ist respektvoll, aber distanziert. Bülow sucht sich seine Freiheiten und geht, wenn nötig, auch eigene Wege, wie in „Tödliche Blende“ deutlich wird, wo er sich offiziell von den Ermittlungen zurückziehen muss, seiner Intuition aber dennoch folgt und so den Fall löst. Seine größte Stärke ist die Beobachtung menschlicher Schwächen und Abgründe, die er in der Welt der Schauspieler, Theaterintendanten oder Pelzhändler gleichermaßen entschlüsselt.
Berlin als Schauplatz
West-Berlin der späten 1980er Jahre ist mehr als nur Kulisse; es ist essenzieller Bestandteil von Bülows Fällen. Die eingemauerte Stadt, eingeklemmt zwischen Ost und West, spiegelt oft die Ausweglosigkeit und die komplexen Beziehungsgeflechte wider, in denen sich Täter und Ermittler bewegen. Die Fälle sind stark von der Zeit des Kalten Krieges geprägt, ob es nun um Giftmülltransporte in die DDR („Schuldlos schuldig?“), Industriespionage oder einfach das Lebensgefühl einer von der Teilung geprägten Stadt geht.
Der Ort passt perfekt zum Ermittler: Bülows Weltstadt-Flair, seine Vorliebe für Kultur (Theater, feine Restaurants am Kurfürstendamm) und sein eleganter Lebensstil sind untrennbar mit dem West-Berlin der Vorwendezeit verbunden. Die Stadt mit ihren Gegensätzen – zwischen glanzvollem Ku’damm und tristen Schrebergärten – bietet die ideale Bühne für einen Ermittler, der selbst voller Kontraste steckt: zwischen Altmodischem und Modernem, zwischen Einsamkeit und Geselligkeit, zwischen Pflichtbewusstsein und unbändiger Freiheitsliebe.
Abschluss
Kommissar Bülow ermittelte nur in einer überschaubaren Anzahl von Fällen, hinterließ aber als charismatischer Außenseiter unter den Tatort-Ermittlern eine bleibende Impression. Sein auf Intuition basierender Stil, sein unverwechselbarer Kleidungsstil und seine tiefe Verbundenheit mit der Berliner Kultur- und Restaurant-Szene machen ihn zu einer einzigartigen Figur in der langen Geschichte des Sonntagskrimis. Für die Zuschauer bleibt er der kultivierte Einzelgänger, der die Abgründe der Menschen hinter der Fassade der West-Berliner Society aufdeckte.